KBV-Positionspapier Versorgung à la carte
Die Vertragsärzte sollen auch in Zukunft in der Lage sein, die ambulante Gesundheitsversorgung unter freiberuflichen Bedingungen sicherstellen zu können. Dies ist die Prämisse, unter der die KBV ihre Forderungen an die Politik stellt. Dazu müsse zum einen verhindert werden, dass die Krankenkassen weiter versuchen, mehr unmittelbaren Einfluss auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auszuüben. Denn darunter leide die diagnostische und therapeutische Freiheit der Vertragsärzte.
Trennung von haus- und fachärztlichem Honorar
Zum anderen müssten feste und kostendeckende Preise angestrebt werden. Denn der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) als Grundlage der Abrechnung ärztlicher Leistungen sei derzeit nicht in der Lage, die Untersuchungen und Behandlungen in einer Praxis wirklichkeitsgetreu abzubilden. Neben pauschalierten Vergütungsformen müssten Einzelleistungen mit festen Preisen vergütet werden, deren Höhe jährlich an die Kostenentwicklung angepasst wird. Unsinnige Mengenbegrenzungen, die die Versorgung der Versicherten gefährden, sollen wegfallen. Dazu sei es notwendig, dass alle haus- und fachärztlichen Grundleistungen außerhalb des Budgets zu festen Preisen und ohne Mengensteuerung honoriert werden.
Aufgewertet werden soll die Tätigkeit der Ärzte, die sich um die haus- und fachärztliche Grundversorgung kümmern, damit diese wieder attraktiver wird für Nachwuchsärzte. So soll im Hausarztbereich das Spektrum der hausärztlichen Tätigkeiten in der Gebührenordnung besser dargestellt werden. Dazu soll zwischen typischen und spezifischen Leistungen unterschieden werden. Die knappen finanziellen Mittel sollen dabei zielgerichtet den Praxen zukommen, die den hausärztlichen Versorgungsauftrag tatsächlich wahrnehmen.
Die Vertreterversammlung der KBV stimmte den Eckpunkten eines Verfahrens für eine endgültige versichertenbezogene Honorartrennung in einen haus- und einen fachärztlichen Anteil zu. Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) hält das für sinnvoll, erfülle die KBV damit doch eine alte Forderung des Hausärzteverbands. „Der eingeschlagene Weg, die Honorare in Euro-Beträgen zu fixieren, sei nötig, um Transparenz in die Honorarzumessung zu bekommen und Geldabflüsse in andere Bereiche dauerhaft zu verhindern“, so der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt.
Wahltarife sollen Patientenströme lenken
Ein wichtiger Bestandteil des KBV-Positionspapiers ist ein Wahltarif-Modell, mit dem für gesetzlich Krankenversicherte zukünftig der Zugang zur ambulanten medizinischen Versorgung neu geregelt und die Patientenströme besser gelenkt werden sollen.
Im Wahltarif I soll die Versorgung des Versicherten ausschließlich im Sachleistungssystem erfolgen. Der Patient hat dabei die freie Wahl des Hausarztes, einen Spezialisten kann er nur in Anspruch nehmen, wenn er durch den Hausarzt dorthin überwiesen wird. Konsultiert der Patient einen Spezialisten ohne Überweisung, muss er die Kosten selbst erstatten.
Der Wahltarif II sieht einen freien Zugang des Versicherten zum Hausarzt und zum Spezialisten vor. Während die Versorgung beim Hausarzt im Sachleistungssystem erfolgt, sieht die KBV für die Behandlung beim Spezialisten grundsätzlich die Kostenerstattung vor. Der Tarif ist gegebenenfalls mit einer Eigenbeteiligung für den Besuch beim Spezialisten verbunden.
Auch beim Wahltarif III hat der Versicherte freien Zugang zum Hausarzt und zu Spezialisten, für beide gilt das Sachleistungsprinzip. Wer diesen Tarif wählt, soll einen Zusatzbeitrag bei seiner Krankenkasse zahlen, mit dem die ärztlichen Leistungen anteilig finanziert werden.
Für welchen Tarif sich ein Versicherter entschieden hat, soll auf der elektronischen Gesundheitskarte festgehalten werden. Für alle Tarife soll grundsätzlich gelten, dass die niedergelassenen Vertragsärzte auch für den Zugang zum stationären Bereich die Steuerungsverantwortung übernehmen. Wichtig ist für den KBV-Vorstandsvorsitzenden, Dr. Andreas Köhler, das Vier-Augenprinzip an der Schnittstelle zum Krankenhaus. Eine Einweisung solle demnach immer nur im Konsens erfolgen. Dieser Pfad soll durchgängig für alle Wahltarife gleichermaßen verbindlich sein.
Hausärzteverband ist skeptisch
Während der Hartmannbund dieses KBV-Konzept bereits lobte, weil es die Steuerungswirkung der Kostenerstattung prinzipiell anerkenne und dem Versicherten klargemacht werde, dass eine unterschiedliche Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen auch unterschiedliche Kosten nach sich ziehe, spricht der Hausärzteverband von einem großen „Wünsch-Dir-Was-Katalog“ der KBV. Die praktische Umsetzung des Drei-Stufen-Wahltarifsystems hänge aber unmittelbar mit der Trennung der Honorartöpfe „auf alle Zeiten“ zusammen, so Köhler. Denn nur bei einer endgültigen Trennung der Honorartöpfe kommt es zu keiner nachträglichen Bereinigung, so dass sich Haus- und Fachärzte nicht gegenseitig in die Tasche greifen können. Dreh- und Angelpunkt dafür sei die Weiterentwicklung des EBM.
Die KBV-Vorschläge zur EBM-Reform lehnt der Deutsche Hausärzteverband allerdings rundweg ab, da man die Reform weder für sinnvoll noch für notwendig hält. Die direkte Verknüpfung der geplanten EBM-Reform mit der Frage um die Honorartrennung sei sachlich nicht zwingend, sondern eher als taktischer Winkelzug zu verstehen, so der DHÄV.
Aufgrund der Dissonanzen wurde die endgültige Beschlussfassung des neuen Hausarzt-EBM erst einmal auf den 27. Mai verschoben. Ob man dann damit vorankommen wird, werden die weiteren Verhandlungen zeigen. Das Zeitkorsett dafür ist jedenfalls eng geschnürt. Für den fachärztlichen Bereich ist die Umsetzung zum 1. Juli 2013 geplant. Für die Hausärzte rechnen selbst Optimisten mit einer Neuregelung erst für das 4. Quartal 2013.▪
Hans Glatzl und Dr. Ingolf Dürr
Honorareinbußen durch Bürgerversicherung
Die Bürgerversicherung schlägt aktuell in der breiten Öffentlichkeit keine großen Wellen. Hinter den Kulissen wird allerdings heftig an Wahlkampf-Strategien getüftelt. Besonders die SPD möchte das Thema und damit die Zerschlagung der PKV ganz oben auf die Wahlkampfagenda setzen. Aber auch CDU und CSU liebäugeln mit Reformmodellen, die Elemente davon beinhalten. Kommt es im Herbst zu einer Großen Koalition, wird wohl für Feuer auf dem Dach der Ärzte gesorgt sein. Denn für viele niedergelassene Ärzte würde die Zwangseingliederung ihrer Privatpatienten in die Gesetzliche Krankenversicherung schmerzhafte Einschnitte bedeuten (siehe Tabelle).
Gefahr erkannt
Im Durchschnitt könnte der Verlust je niedergelassenen Arzt rund 45 000 Euro jährlich betragen. Mit einem Minus von knapp 18 000 Euro müssten die Hausärzte noch am wenigsten leiden. Dies hängt vor allem mit der Honorarstruktur zusammen, mit Pauschalen statt Einzelleistungsvergütung, weniger Apparatemedizin und einer generell geringeren Inanspruchnahme durch Privatpatienten. Auch Kinder- und Jugendärzte mit einem Verlust von durchschnittlich 32 500 Euro, Neurologen mit minus 42 500 Euro, wären weniger betroffen. Spitzenreiter bei der Honorarbeschneidung wären Radiologen, denen fast eine Viertel Million Euro jährlich wegbräche. Hart trifft die Veränderung auch HNO-Ärzte (-75 000 Euro) und ambulante Chirurgen (-87 500 Euro). Gynäkologen (-72 500 Euro), Urologen, Augenärzte und besonders Orthopäden und Dermatologen rutschen überproportional ab. In diesen Arztgruppen werden häufiger IGeL-Leistungen abgerechnet.
Gefahr gebannt?
Das jetzt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgelegte Positionspapier ist deshalb nicht zuletzt auch als Reaktion auf die drohende Gefahr zu verstehen. Insbesondere mit dem dreistufigen Wahltarif-Modell als Alternative will man einer Bürgerversicherung den Wind aus den Segeln nehmen.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (6) Seite 56-58
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.