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Vollcrash: Kinderwunsch trifft auf Realität

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Familie oder Beruf? Viele junge berufstätige Frauen entscheiden sich zunächst für die Karriere. Ein Fehler? Dr. Cornelia Tauber-Bachmann, Allgemeinärztin aus Alzenau, nimmt zu diesem Thema Stellung.

Gestern habe ich einen Hausbesuch gemacht. Das ist ja zunächst nichts Besonderes, vielmehr unser „täglich Brot“. Besonders war in diesem Fall jedoch der Anlass.


Die junge Frau, Ende 30, hatte ich seit mehreren Jahren bei ihrer Kinderwunschbehandlung haus­ärztlich begleitet. Und zwar umfassend: von der Diagnostik inklusive Laparoskopie über die vielen Hormontherapien bis zur ovariellen Stimulation, vom Ausfüllen zahlloser medizinischer Atteste für Krankenkasse, Jugendamt etc. bis hin zu den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Von ihren seelischen „Aufs und Abs“ ganz zu schweigen.


Dieser (Leidens-)Weg verschaffte der Patientin eine extreme Gewichtszunahme, massive Ödeme, einen völligen Verlust ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit und letztendlich einen therapiebedürftigen Hypertonus. Alles vergeblich!

»Männer wollen feste Partnerschaft oft 
erst jenseits der 40«

Nun war sie plötzlich Mutter geworden – und zwar ohne die übliche neunmonatige Vorbereitungszeit, sondern innerhalb von drei Tagen! Sie und ihr Mann hatten das große Glück, einen gesunden Säugling adoptieren zu können. Jetzt bat die frischgebackene Mutter um einen Hausbesuch – offenbar aus großer Sorge, ihr Baby könne sich in meinem Wartezimmer etwas einfangen. Die Frau hatte selbst einen grippalen Infekt und fühlte sich total erschöpft. Kein Wunder angesichts der Blitzveränderungen in ihrem Leben: sprich Kinderzimmer-Einrichten, Ultraschnellkurs in Babypflege, die neue Verantwortung und all die mit dem Kind verbundenen Emotionen. So traf ich die Patientin inmitten eines absoluten Chaos in ihrem Wohnzimmer an. Sie saß glücklich lächelnd auf ihrer Couch und fütterte das Baby.


Diese Frau hat, wie so viele andere, ihre Gesundheit für ein „eigenes“ Kind riskiert und sich lange und geduldig den verschiedenen medizinischen Maßnahmen unterzogen. Durch die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin führt ungewollte Kinderlosigkeit inzwischen bei vielen Paaren zu einem langen, persönlichen Kampf – mit viel Willenskraft und Engagement, mit viel Beratung und Beistand.


Auch in der Presse lese ich im Wochenabstand Beiträge zu dieser Thematik: Es gibt immer weniger Kinder, steht da, und die Autoren der Artikel suchen nach den Ursachen. Je nach Couleur der Zeitung und Einstellung des Verfassers heißt es dann „Der Staat tut zu wenig für die jungen Familien“ oder „Es gibt immer noch zu wenig Krippenplätze“ oder „Die jungen Leute drücken sich vor der gesellschaftlichen Verantwortung und wollen nur Spaß“.

»Erst Karriere, dann Kind, das rächt sich oft bitter«

Da mag ja von allem etwas dran sein. Und ein Querschnitt durch die Patienten meiner Praxis ist mit Sicherheit nicht repräsentativ für den Bevölkerungsdurchschnitt. Sei es drum: Wenn ich aber einfach mal die kinderlosen Patientinnen in meiner Praxis Revue passieren lasse, so erlebe ich oft, dass gerade die gut ausgebildeten jungen Frauen erst mal ihrer Karriere nachstreben und an einer Partnerschaft aus Zeitgründen oder Sonstigem kein Interesse haben.


Oder sie sind nur zeitweise mit einem Partner zusammen. Die Beziehungen scheinen für eine Familiengründung nicht fest genug, nicht belastbar genug. Und wenn die Frauen sich dann ernsthaft Kinder wünschen, ist es oft schon zu spät. Die „biologische Uhr“ ist abgelaufen. Dann ist der Jammer groß. Oder sie haben als brave Töchter neben ihrem Beruf ihre alten Eltern versorgt und bis zum Tod aufopfernd gepflegt. Für eine Partnerschaft ist da kein Platz. Da die Lebenserwartung ja immer weiter steigt, sind die Töchter beim Ableben der Eltern meist schon selbst kurz vor oder im Rentenalter. Dann kommt zum Bedauern über das versäumte Leben noch das Berufsende mit der drohenden Inhaltslosigkeit der Tage und der inneren Leere.


Und die Männer? Was die Karriere betrifft, sind sie meist genauso strebsam wie die Frauen. Und an einer festen Partnerschaft erst interessiert, wenn sie die Vierzig überschritten haben. Wenn überhaupt. Und die jungen Männer, die wirklich gerne Familie hätten, geraten häufig an die „falschen“ Frauen ... und suchen dann in der Psychotherapie Rat. Wirklich vertrackt, das Ganze.


Ich gebe zu, der Anblick der jungen Adoptiv-Mutter hat mich sehr angerührt. Warum sagt oder schreibt eigentlich kaum jemand, dass es einfach wunderbar ist, Kinder zu haben? Ein Riesenglück! Kinder bringen Fröhlichkeit, Farbe und Abwechslung ins Leben. Halten uns flexibel und jung. Zeigen uns, dass die Welt weitergeht ... Draußen lärmt putzmunter eine kleine Kandidatin für die U7a. Dann fange ich jetzt einfach mal damit an.

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