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Vorsorgen mit „Gesundheitlicher Vorausplanung“

Autor: Caroline Mayer, Foto: fotolia/CHW

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Mit der herkömmlichen Patientenverfügung gelingt es oft nicht, Klarheit über die Wünsche von Patienten am Lebensende herzustellen. Experten fordern daher das umfassende System einer „Gesundheitlichen Vorausplanung“. Hausärzten könnte hier eine zentrale Rolle zukommen.

Bei schwer kranken Patienten, die nicht mehr einwilligungsfähig sind, ist häufig nicht klar, wie viel Therapie sie sich am Lebensende wünschen. Um Ärzten und Angehörigen die Entscheidung darüber zu erleichtern, wann eine Therapie fortgeführt oder abgebrochen werden soll, wurde vor einigen Jahren die Patientenverfügung gesetzlich verankert. Gebracht hat das bisher wenig.

„Die meisten Patienten auf der Intensivstation haben keine solche Verfügung“, sagt der Münchner Intensivmediziner Dr. Gregor Scheible. „Und wenn es eine Patientenverfügung gibt, ist sie häufig nicht auffindbar oder sie ist so unklar formuliert, dass sie für den konkreten Fall nicht aussagekräftig ist.“ Viele Ärzte erklären das Modell der traditionellen Patientenverfügung für gescheitert. Sie plädieren für eine „Gesundheitliche Vorausplanung“.

Geschulte Berater als lebenslange Ansprechpartner

Gesundheitliche Vorausplanung ist die Übersetzung von Advance Care Planning (ACP), einem Konzept, das in den USA erfunden wurde. Dahinter steht die Idee, dass es nicht reicht, Formulare für Patientenverfügungen bereitzustellen. Vielmehr soll ein dichtes Netz gewoben werden, in dem geschulte Berater den Bürgern lebenslang als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wenn sich Behandlungswünsche im Lauf der Zeit ändern, können die Vorsorgedokumente unkompliziert angepasst werden.

Außerdem ist in ACP-Systemen klar geregelt, wo Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Notfallbögen abgelegt sind und wie sie zwischen den verschiedenen Behandlern weitergegeben werden. Das soll sicherstellen, dass die Dokumente im Notfall zugänglich sind und die Wünsche dann auch umgesetzt werden können.

Konzepte werden auch in Deutschland erprobt

ACP-Strukturen gibt es bereits in den USA und in Australien. In Deutschland wurde 2009 mit dem Pilotprojekt „beizeiten begleiten“ in Grevenbroich unter Leitung des Düsseldorfer Allgemeinmedizin-Professors Dr. Jürgen in der Schmitten ein erstes derartiges Beratungsnetz eingeführt. An zwei der vier ortsansässigen Seniorenheime ist das System seitdem etabliert.

Hausärzte und Pflegekräfte, die speziell für diesen Zweck geschult sind, helfen den Heimbewohnern bei der Formulierung ihres Patientenwillens. Im Behandlungsfall wissen alle Beteiligten, wo die Dokumente abgerufen werden können.

Intensivmediziner Dr. Scheible möchte nun ausloten, ob ein solches System auch in München eingeführt werden kann. Beim Ärztlichen Kreis- und Bezirksverband München hat er einen Ausschuss ins Leben gerufen, der Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Rettungsdienste, Pflegeeinrichtungen sowie Palliativ- und Hospizdienste für dieses Projekt gewinnen möchte. Im ersten Jahr seiner Tätigkeit unterstützte der Ausschuss eine Umfrage des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin der Münchner Universität, in der das bisherige Beratungsangebot in der Landeshauptstadt abgefragt wurde.

„Ein hoher Anteil der Hausärzte berät seine Patienten zum Thema Patientenverfügungen. Allerdings machen sie das im Moment nur, wenn die Patienten sie darum bitten“, fasst der Institutsleiter Professor Dr. Georg Marck­mann die Ergebnisse zusammen. Die meisten Ärzte halten es offenbar für unangemessen, eine solche Beratung unaufgefordert anzubieten. Dabei hatten in einer Tübinger Studie knapp 80 % der Befragten angegeben, dass sie gerne von ihrem Hausarzt auf das Thema angesprochen werden wollen.

Beratungen zu Verfügungen sollten gefördert werden

Prof. Marckmann bemängelt, dass Standards für die Beratung fehlen. „Es gibt nach wie vor zu wenig Informationen und auch keine einheitlichen Schulungsangebote“, sagt der Medizinethiker. Auch sei nicht klar, wie die Beratung angemessen vergütet werden kann. Für eine umfassende Beratung müsse man mit einem Zeitaufwand von eineinhalb Stunden rechnen. Diese Zeit haben die Hausärzte nicht.

Immerhin hat die Politik das Thema Gesundheitliche Vorausplanung inzwischen als wichtig erkannt. Im Entwurf der Bundesregierung für das Gesetz zur Hospiz- und Palliativversorgung ist festgeschrieben, dass in allen stationären Pflegeeinrichtungen Beratungen zu Patientenverfügung von den Kassen gefördert werden sollen. Das Gesetz soll noch 2015 verabschiedet werden.

Weitere Impulse erhoffen sich Dr. Scheible und Prof. Marckmann vom Weltkongress für Advance Care Planning, der im September in München stattfindet. Experten werden darüber diskutieren, wie Systeme der Gesundheitlichen Vorausplanung am besten implementiert werden können.

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