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Warum ich ein Fan vom Weltärztinnen-Bund bin

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Die Kongresse des Weltärztinnen-Bundes ermöglichen Einblicke in verschiedenste medizinische Traditionen und kulturelle Hintergründe. Dr. Cornelia Tauber-Bachmann schildert ihre Erfahrungen im MWIA.

Klar, wenn ich geschrieben hätte, dass ich ein Fan von Bayern München oder der erfolgreichen DFB-Frauenfußballmannschaft bin, hätten Sie mich sofort verstanden und mir zugestimmt oder heftig opponiert, je nach emotionaler Einstellung.


Aber Mitglied im MWIA? Lassen Sie mich erklären: Der MWIA ist der Weltverband der Ärztinnen, der Medical Women’s International Association – übrigens englisch ausgesprochen „emm dabbelju ai eij“. Ja, richtig der ÄrztINNEN!


Nun, das kommt so: Seit vielen Jahren bin ich Mitglied im Deutschen Ärztinnenbund (DÄB) und da der Deutsche Ärztinnenbund wiederum im Weltverband Mitglied ist, bin auch ich ein Mitglied dieses internationalen Verbandes. Und das begeistert mich.


Warum? Weil ich viele nationale Kongresse des DÄB besucht habe mit spannenden Themen, die schon oft ihrer Zeit einige Jahre voraus waren. Ich denke nur an den Kongress 1999 in Gießen mit dem Thema „Schlagen Frauenherzen anders?“. Dass Frauen kardiologisch andere Symptome zeigen als Männer und auch z.T. andere Medikamente benötigen, bezweifelt heute nach 14 Jahren niemand mehr ernsthaft. Damals war es eine Sensation.

»Blick in die Welt 
relativiert unsere Medizin-Probleme«

Und neben den nationalen DÄB-Kongressen besuche ich nun regelmäßig die internationalen MWIA-Kongresse. Das kommt natürlich meiner zugegebenermaßen ausgeprägten Reiselust entgegen, weil diese Treffen alle drei Jahre an verschiedenen Enden der Erde stattfinden. So konnte ich bisher schon in Japan, Ghana, Deutschland (!) und Korea teilnehmen.


Dabei erfährt frau im Gespräch beim Lunch, wie es mit der Gleichbehandlung von Ärztinnen und Ärzten in Schweden bestellt ist und mit welchen Problemen brasilianische Kolleginnen zu kämpfen haben.


Ebenso erfahre ich wie es gesundheitspolitisch im Land des gerade stattgefundenen katholischen Jugendtreffens und der nächsten Fußballweltmeisterschaft aussieht: In Sao Paulo haben kürzlich im Rahmen der vielen Proteste im Land 10 000 (!) Ärzte gegen die Regierung demonstriert und auf ihre – sich zunehmend verschlechternden – Arbeitsbedingungen hingewiesen.


Davon erfährt man in der Presse und im Fernsehen bei uns nichts. Umgekehrt blicke ich meist in verständnislose Augen, wenn ich versuche, einer Kollegin aus Asien oder Nordeuropa das deutsche Heilpraktiker-Gesetz zu erklären.


Und neben den wissenschaftlichen Kongress-Inhalten werden in den „Sessions“ auch soziale Probleme erörtert. So geht es u.a. um die „Gewalt gegen Ärzte und Gesundheitspersonal in den australischen Outbacks“ oder die Frage: „Wieso bleiben japanische Ärztinnen trotz Förderprogrammen nicht im Beruf?“.


Auch die allgegenwärtige Frage, „Wie finde ich als Ärztin zu einer guten Work-Life-Balance?“, wird thematisiert – sogar mit witzigen, gar nicht prüden praktischen Tipps von der neuen koreanischen Weltpräsidentin zum Erhalt der ärztlichen Ehe und Partnerschaft („give him a massage“).

»In Ghana teilen sich zwei Kranke ein Bett«

Außerdem bieten die Kongresse Einblicke in die jeweiligen Gesundheitssysteme: von HighTech in Korea mit Versorgung auf hohem internationalem Niveau für den ganzen asiatischen Raum und die dort lebenden Ausländer bis zum Universitätskrankenhaus in Accra (Ghana), wo sich oft zwei Patienten ein Bett teilen müssen und die Angehörigen die einfachen pflegerischen Arbeiten verrichten.


All das rückt unsere Probleme und unsere deutsche Medizin-Welt doch wieder in einen kleineren Rahmen. Klar, es gibt viele internationale Kongresse, auf denen viel mehr medizinisches Spezialwissen vermittelt wird, aber diese Kongresse des MWIA empfinde ich als die persönlichsten, intensivsten und freundschaftlichsten.


Wo sieht man schon gestandene Klinikchefinnen hingebungsvoll zu den Liedern eines japanischen Popstars tanzen? Wo kann frau bayerische Lieder zu afrikanischen Trommeln ungestört schmettern? Wo kann ich mich mit koreanischen Reisemedizinerinnen austauschen? Und sogar die Kontakte unter den deutschen Kolleginnen werden im Ausland persönlicher und intensiver.


Ja, und genau deshalb bin ich der Meinung, dass wir weiterhin ein ÄrztINNEN-Netzwerk brauchen, das wir von Kongress zu Kongress international weiterknüpfen können und das auf persönlicher Ebene den fachlichen und gesundheitspolitischen Austausch erleichtert – auch weil in absehbarer Zeit 70 % aller Ärzte weiblich sein werden (das legen zumindest die Zahlen der Studienanfänger nahe).


Inzwischen hat der bereits 1919 in New York gegründete MWIA Mitglieder aus rund 90 Ländern – was Einblicke in verschiedenste medizinische Traditionen und kulturelle Hintergründe ermöglicht und angesichts der zunehmenden Migration in unseren Gesellschaften wohl eine Voraussetzung für eine angemessene medizinische Versorgung ist.


Wie sonst soll es z.B. möglich sein, die potenziellen Komplikationen und Probleme einer Frau mit Genitalverstümmelung angemessen zu behandeln und empathisch damit umzugehen? Oder zu versuchen, einen Eingriff bei in Europa aufgewachsenen Afrikanerinnen zu verhindern? Kann es uns überhaupt möglich sein?


Und wie kann in Asien, wo die für uns so selbstverständlichen Menschenrechte keine Tradition haben, eine Hilfe für ethische Entscheidungen in der Medizin gefunden werden? Die Koreanerinnen möchten Ethikkommissionen nach deutschem Vorbild installieren!


Übrigens: Dass wir Frauen in berufspolitischen Streitigkeiten keinen Deut besser sind als die Männer, gehört allerdings auch zum Gesamtbild. Querelen gibt es selbstverständlich auch bei uns wie in (fast) jedem Verband. Aber das Positive überwiegt.

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