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Was der Referentenentwurf zum Versorgungsgesetz verschweigt

Gesundheitspolitik Autor: Jost Küpper

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Der erste Referentenentwurf zum GKV-Versorgungsgesetz (GKV-VSG) liegt vor. In wichtigen Bereichen muss man aber zwischen den Zeilen lesen. Beispiele der Berliner Märchenstunde: Honorarhoheit vor Ort, regionale Bedarfsplanung, ambulante spezialärztliche Versorgung.


Dass KBV-Chef Dr. Andreas Köhler grundsätzlich mit der Vorlage aus dem Haus von BMG-Chef Daniel Bahr einverstanden ist, machte er auf der Vertreterversammlung der KV Nordrhein unmittelbar nach der Veröffentlichung des Rohentwurfs zum GKV-VSG deutlich. Dr. Köhlers Stoßseufzer: „Endlich mal kein Kostendämpfungsgesetz!“ Allerdings: Bei einigen Aspekten darf sich der  vertragsärztliche Jubel in Grenzen halten.

Verhandlungen über das, was der Fonds zulässt

Die Honorarverhandlungen sollen in Zukunft wieder dezentral, also auf KV-Ebene, laufen. Das Bahr-Papier formuliert: „Die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte erfolgt künftig wieder im Rahmen einer regionalen Honorarverteilung.“ Das damit verbundene Problem hat einen Namen: Gesundheitsfonds. Zwar können KV- und Kassenchefs vor Ort über Vertragsarzthonorare reden, die finanzielle Gundlage liefert allerdings die Geldverteilungsmaschinerie Fonds. Das schränkt die Honorarhoheit vor Ort ein.

Das zweite Problem dürfte KV-Gewaltigen zunächst gefallen. Honorarabsprachen mit den Kassen haben ab 2012 nicht mehr den Charakter eines Vertrages (Honorarverteilungsvertrag, HVV), sondern es gibt wieder den alten HVM. Der Referentenentwurf: „Verantwortlich hierfür ist ausschließlich die Kassenärztliche Vereinigung, die hierzu einen Honorarverteilungsmaßstab im Benehmen mit den Krankenkassen erlässt.“

Dieses „Benehmen“ im engen Finanzkorsett Gesundheitsfonds wird so aussehen, dass die Kassen den KV-Vorständlern einen Betrag zugestehen, der dann nach KV-Gusto unter den Niedergelassenen verteilt wird. Da das Gesamthonorar kaum so angehoben werden kann, dass sich ambulante Leistungen betriebswirtschaftlich fundiert abbilden, haben die KVen allein den Terz mit unzufriedenen Vertragsärzten. Bei einem HVV wären die Kassen mit in der finanziellen Gesamtverantwortung.

Nächstes Märchen: Die schematische Bedarfsplanung aus der Zeit der Überversorgung soll durch einen nicht zentralistischen Dreh ersetzt werden. Das Bahr-Papier: „Es werden den Beteiligten flexible Möglichkeiten eröffnet, entsprechend der regionalen Gegebenheiten und Erfordernisse in größerer Eigenverantwortung die gesundheitliche Versorgung zu steuern.“

Umgesetzt wird das, indem man den § 90 SGB V („Landesausschüsse“) am Ende umschreibt. Die „für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden“ (Gesundheits- oder Sozialministerien) sitzen nun in diesem Gremium, führen die Rechtsaufsicht, haben ein Beanstandungsrecht  und können nach einer Beanstandung „den Bedarfsplan an Stelle des Landesausschusses selbst“ erlassen.

Versorgungssteuerung durch Regionalpolitiker

Das heißt: Die Regionalpolitiker haben bei der neuen Bedarfsplanung ein Kontroll-, ein Veto- und ein Gestaltungsrecht. Im Konfliktfall ist die Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen nur Kulisse. Letztlich entscheiden Politiker oder  Bürokraten. Das haben diese bei der stationären Versorgung so „gut“ hingekriegt, dass private Klinikkonzerne ganze Krankenhausketten der öffentlichen Hand für einen Euro aufkaufen konnten. Jetzt darf man sich an ambulanten Baustellen austoben.

Nächstes Problem: Der jetzige § 116b SGB V (Ambulante Behandlung im Krankenhaus) wird zum Versorgungsbereich „ambulante spezialärztliche Versorgung“ hochgestuft zu einem sektorenübergreifenden Bereich, in dem „stufenweise“ sowohl „Krankenhäuser als auch niedergelassene Fachärzte unter gleichen Voraussetzungen und Bedingungen wettbewerblich die medizinische Versorgung gestalten können.“

An diesen „gleichen Voraussetzungen und Bedingungen“ haben viele Niedergelassene massive Zweifel. Sie verweisen auf die duale Finanzierung der Kliniken (Investitionen: Länder; laufende Betriebskosten: Kassen) und sehen hier keine gleichlangen Spieße. Der Ausweg: Bis zur mittelfristigen Erstellung einer eigenen diagnosebezogenen Vergütungssystematik wird per EBM honoriert. Zitat: „Dabei ist bei den öffentlich geförderten Krankenhäusern die Vergütung um einen Investitionsabschlag von 5 % zu kürzen.“

Hierbei ist jedoch zu bezweifeln, ob mit 5 % Abschlag vom EBM die aktuellen Beschaffungskosten in den Kliniken passend ausgepreist sind. Anders herum: Es ist unwahrscheinlich, dass bei einer spezialärztlichen Versorgung ein niedergelassener Facharzt mit umfänglichem Medizintechnikeinsatz mit diesem „Investitionsbudget“ auskommt.

Weiterer Pferdefuß: KBV-Chef Dr. Köhler fordert hier eine „Einzelleistungsvergütung ohne Mengensteuerung“. Die Parlamentarische BMG-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz will dagegen „möglichst viele Pauschalen“.

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