Was ich mir für das neue Jahr vorgenommen habe

Kolumnen Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

Ein voller Terminkalender gehört zum jährlichen Vorweihnachtsstress wohl dazu. Was sich Dr. Cornelia Tauber-Bachmann für das neue Jahr vornimmt, erläutert sie anhand ausgewählter Beispiele.

Alle Jahre wieder der gleiche Vorweihnachtsstress: Während ab November die Infektwelle durch die Praxis rollt und die Patienten und Patientinnen mit saisonal abhängiger Dysthymie mit somatischen Beschwerden, aggressivem Verhalten oder depressivem Rückzug zu einem strapaziösen "Stretching" der Sprechstundenzeit führen, laufen gleichzeitig die Weihnachtsvorbereitungen an.

Dabei denke ich nicht nur an Plätzchenbacken und Geschenkebesorgen für die erweiterte Großfamilie. Beides lässt sich ja bis zu einem gewissen Grad "outsourcen" mithilfe eines guten Bäckers, des Versandhandels und dem Erwerb oder Ausstellen diverser Gutscheine. Nein, ich denke da an die vielen Termine zu Weihnachtsfeiern, Weihnachtsessen, Weihnachtstreffen etc., an denen man oder frau doch zumindest zeitweise anwesend sein sollte, um Kontakte und Beziehungen zu pflegen und nicht ganz in die Praxisisolation zu geraten.

»Da hilft nur Ohren anlegen, Augen zu 
und durch«

Nicht zu vergessen der Termin beim Steuerberater und die vielen tollen Angebote, noch im laufenden Jahr teure medizinische Geräte zu erwerben, um die Steuer zu mindern. Da hilft oft nur "Ohren anlegen, Augen zu und durch", um die letzten Tage des Jahres unbeschadet zu überstehen. Oder mit einem sehr kritischen dicken Rotstift durch den Kalender zu gehen.

Glücklicherweise wird es nach Weihnachten ein bisschen ruhiger, Zeit zum Luftholen, zum Nachdenken und zum Planen für das neue Jahr. Einer meiner guten Vorsätze lautet, es im Dezember 2016 nicht wieder so weit kommen zu lassen, dass mir die Terminflut über den Kopf wächst. Außerdem will ich – wie eigentlich jedes Jahr – weniger Kaffee trinken, regelmäßiger Sport machen und die Wochenenden öfter zum Wandern nutzen.

Eines habe ich mir aber ganz fest vorgenommen: Ich werde die medizinischen Artikel, die Zeitschriften und Publikationen, die Fachinformationen per E-Mail und die Onlineartikel, mit denen wir überhäuft werden, viel kritischer durchforsten und nur ausgewählte Übersichtsartikel lesen. Aber die dann in Ruhe.

»Ich müsste pro Woche 7000 Artikel lesen«

Wussten Sie, dass ein Allgemeinmediziner bzw. eine Allgemeinmedizinerin pro Woche 7000 (!) Artikel lesen müsste, um auf dem wissenschaftlich aktuellen Stand zu bleiben? Das hat schon eine Untersuchung von 2004 ergeben. Die Studienautoren veranschlagten dafür 157 Stunden pro Woche!

Zum Vergleich: 1996 waren es noch 19 Fachartikel und 40 Minuten. So bringt uns die wissenschaftliche Datenflut nichts weiter als ein zweites Hams­terrad oder ein resigniertes Aufgeben nach dem Motto: Das ist sowieso nicht zu schaffen. Ist es ja auch nicht.

Ich werde also versuchen, mich an die bewährten Zeitschriften mit für die Allgemeinmedizin relevanten Übersichtsartikeln und die Meta-Datenbanken im Internet zu halten. Wenn eine bestimmte Fragestellung in der Praxis auftaucht, kann ich immer noch in Spezialartikeln recherchieren. Ganz gezielt.

Natürlich brauchen wir die Wissenschaft und die Forschung. Und natürlich sollten wir uns weiterbilden. Erfahrungswissen allein reicht nicht, die Erfahrungen müssen überprüft werden. Und es ist ja auch bekannt, dass wir erfahrenen älteren Ärzte und Ärztinnen genauso viele Fehler machen wie die jüngeren. Nur machen wir andere Fehler als sie. Vielleicht weil wir keine 157 Stunden pro Woche in Fortbildung investiert, vielleicht weil wir in unserer Routine etwas übersehen haben, oder von einer subjektiven Wahrnehmung überzeugt sind. Der oder die Jüngere mag vielleicht aufgrund ihrer Unerfahrenheit etwas falsch machen oder Klinik mit Praxis verwechseln.

Apropos subjektive Wahrnehmung: Gestatten Sie mir eine Frage: Gehören auch Sie zu den Menschen, die überzeugt sind, dass eine geöffnete Flasche Sekt im Kühlschrank ihren Kohlensäuregehalt länger behält, wenn man einen Löffel in den Flaschenhals steckt? Oder haben Sie einen anderen Trick?

Wissenschaftler der Universität Stanford haben herausgefunden, dass es keinen Unterschied macht, ob die angebrochene Flasche mit oder ohne Löffel im Flaschenhals in den Kühlschrank gestellt wird. Mit beiden "Methoden" ist nach 24 Stunden noch 40 % der Kohlensäure im Sekt enthalten. In diesem Sinne: Ein gutes neues Jahr!