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Weg mit dem Nasenring, raus aus der Manege!

Autor: Dr. Günter Gerhardt

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Das Ringen mit den Kassen - was sind die Hintergründe, was sind mögliche Folgen? Dr. Günter Gerhardt bringt seine Sicht der Dinge auf den Punkt.

Die Schmerzgrenze, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurde zum wiederholten Male von den Krankenkassen (dem GKV-Spitzenverband) überschritten. Diese Demütigungen lassen wir uns in wechselnder Intensität seit den 1970er Jahren gefallen. Damals wurden wir erstmalig als Beutelschneider tituliert.


In rascher Folge kamen dann die Reformen mit Budgets und Pauschalen, ein neuer EBM jagte den nächsten. Doch besser wurde es nie. Es gab immer Gruppierungen in unseren Reihen, die einen vermeintlichen Vorteil sahen und zustimmten – bis zum bösen Erwachen. Aber da war es dann zu spät: Die Gemüter hatten sich längst beruhigt, unser Versorgungsauftrag in den Praxen und Krankenhäusern hatte uns wieder fest im Griff.

Kein Ausgleich für die gestiegenen Betriebskosten


Zum Hintergrund: Im Bewertungsausschuss forderte der GKV-Spitzenverband eine Absenkung  des Orientierungswertes um 7 %, was 2,2 Mrd. Euro weniger Honorar für die ambulante Versorgung bedeuten würde, die KBV forderte ein Plus von 3,5 Mrd. Euro, womit gestiegene Betriebskosten und die Inflation seit 2008 ausgeglichen werden sollten. Der neutrale Schlichter hat uns nicht einmal ein Zehntel des dringend notwendigen Aufschlags zugestanden, nämlich 270 Mio. Euro.


Ganz egal zu welchem Ergebnis  Nachverhandlungen bzw. Urteile der Sozialgerichte kommen – wir müssen uns ernsthaft fragen, warum wir immer wieder am Nasenring durch die Manege geführt werden.
Ein Grund ist sicher die nicht vorhandene Solidarität innerhalb der Ärzteschaft: Selbstständige gegen angestellte Ärzte, Fach- gegen Hausärzte, Facharztgruppen untereinander und zu allem Überfluss noch mancherorts Kammer gegen KV.


Und die Medien? Sie lassen sich vor den Karren von so manchem Politiker spannen. In Nachrichtensendungen präsentieren sie mit bunten Schaubildern den Gewinn vor Steuern der Ärzte als verfügbares Einkommen. Dann folgt ein O-Ton des Politikers, der von Jammern auf hohem Niveau spricht und durch komplizierte Sätze über Einnahmen-Überschuss-Rechnungen den Eindruck erweckt, ein Experte zu sein.

Medien schüren Neid und säen Zwietracht

Die Zuschauer staunen und sind erbost: Entweder wegen der Dreis­tigkeit der Ärzte, mehr Honorar zu fordern, oder weil sie als zuschauende Ärzte zu der Gruppe gehören, die laut (falschem) Schaubild viel weniger verdient. So wird medial der Neid gestärkt und Zwietracht gesät.


Warum werden wir Ärzte immer wieder so behandelt? Wir sind – gerade vom Bundesgerichtshof bestätigt – ein freier Beruf, wir sind Helfer und Heiler und schützen den Schwachen und Kranken.


Es werden uns aber immer mehr Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ich erinnere nur beispielhaft an Patientenrechtegesetz oder Verbraucherschutzgesetz. Die haben ihre Berechtigung – aber nicht indem Konflikte gelöst werden durch eine Ausbeutung des Expertensystems durch das Laiensystem, getreu dem Motto „Jeder muss ja schließlich sehen, wo er bleibt“.
Zu allem Überfluss sorgen dann noch Skandale wie jüngst die Vergabe von Organen an künstlich kränker gemachte Patienten für einen Zündstoff, der uns allen schadet.


Kann man es da einer Ärztin oder einem Arzt übel nehmen, dass sie sich mit Grauen abwenden, auch von ihrer Selbstverwaltung, die sie kontrolliert, kürzt, beim Staatsanwalt anzeigt? Kann man es da dem Nachwuchs übel nehmen, dass er die Flucht ins Ausland sucht?


In den Reihen einer dermaßen alleine gelassenen, verunsicherten, frus­trierten und ängstlichen Ärzteschaft kann keine Solidarität entstehen.


Wie könnte eine Lösung aussehen? Eigentlich einfach: KV und Kammer müssen den Schulterschluss suchen und kompromisslos unsere Interessen vertreten.

KV und Kammer müssen für uns eintreten

Sie müssen sich gemeinsam um das Risikomanagement kümmern. Dazu gehört nicht nur, sich z.B. um Fehlabläufe in Praxen, MVZ und Krankenhäusern zu kümmern, sondern auch beim Abschluss von Verträgen das erlaubte Risiko und das Kriterium der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Derzeit verlangen die Kassen von uns, mithilfe der Selbstverwaltung alle Leistungen an jedem Ort, zu jeder Zeit und von höchster Qualität zu erbringen, ohne die Frage zu diskutieren, „was kostet das eigentlich?“. Vielmehr lassen uns die Kassen lapidar wissen, „mehr Geld haben wir nicht“, und üben mit ihren Beratungsstellen Druck auf uns aus, indem sie Risikoqualitäten einfordern, die z.B. bei der Kalkulation des EBM keine Rolle gespielt haben.


Wenn es den Kammern und KVen tatsächlich gelingt, auch nach einer aktuellen Krise ihren markigen Sprüchen nachhaltig Taten folgen zu lassen, die ein partnerschaftliches Verhältnis zum Arzt erkennen lassen, kann die für ein gemeinsames Agieren (sich wehren) notwendige  Solidarität durchaus entstehen.

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