Hausärztemangel Wer übernimmt die Primärversorgung?

So wie es aussieht, scheinen die Arbeitsbedingungen in ländlichen Einzel- und Kleinpraxen längst nicht mehr den Wünschen des medizinischen Nachwuchses zu entsprechen. Wobei man dies sicher nicht zu sehr verallgemeinern sollte. Sicher ist aber wohl, dass die Mehrzahl der angehenden Ärztinnen und Ärzte heute oftmals ein Angestelltenverhältnis sowie Teilzeitarbeit bevorzugt und ein großes Interesse an der Zusammenarbeit in Teams hat. Die in Baden-Württemberg geplanten Primärversorgungszentren sollen nach dem Wunsch der Initiatoren daher auch zur Attraktivität einer Niederlassung im ländlichen Raum beitragen. Sie sollen die noch vorhandenen Hausärzte nicht ersetzen, aber ergänzen, heißt es.
Ministerium fördert Modellprojekte
Ab Ende November dieses Jahres soll es losgehen. Dann erprobt das Land im Südwesten der Republik in vier Projekten Primärversorgungszentren und -netzwerke, die für Menschen mit gesundheitlichen Anliegen den Erstkontakt zu einer umfassenden Versorgung und Beratung vor Ort sicherstellen sollen. Das Ministerium für Soziales und Integration hatte dazu im Juni 2019 einen Förderaufruf veröffentlicht und stellt für die vier ausgewählten Vorhaben Fördermittel in Höhe von jeweils 150.000 Euro bereit.
Substitution und Delegation
Die Primärversorgung ist für Patienten meist die erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen und wird bislang in der Regel vom Hausarzt abgedeckt. Wenn es aber immer weniger Hausärzte in ländlichen Gebieten gibt, muss man nach neuen Lösungswegen suchen. Ein solches Primärversorgungszentrum soll eine Erstberatung und medizinische Grundversorgung bieten. Dazu sollen auch präventive, gesundheitsfördernde, kurative, pflegerische, rehabilitative und palliative Maßnahmen gehören. Also all das, was auch eine gute Hausarztpraxis leistet. Dabei spielt die Kontinuität in der Versorgung eine wesentliche Rolle. Diese bezieht sich nicht nur auf einzelne Gesundheitsprofessionen, sondern muss auch hier sektorenübergreifend gewährleistet sein.
Für einen zielgenauen Zugang und eine bessere Versorgung von Patienten soll daher ein Case-Management sorgen. Dieses vermittelt Patienten an die passenden Versorgungsangebote, leitet sie an andere Gesundheitsprofessionen weiter und bietet einen Überblick über den gesamten Behandlungsverlauf. Dieses Case-Management soll einen wichtigen Beitrag für eine optimale Versorgung aus einer Hand leisten und durch die Lotsenfunktion dem Patientenwohl dienen.
Die Evaluation der einzelnen Projekte wird zeigen müssen, welche Strategie geeignet sein könnte, die ambulante medizinische Versorgung flächendeckend in Zeiten des Hausärztemangels aufrechtzuerhalten.
Das ist geplant
Im Landkreis Calw wird ein Team – bestehend aus Pflegekräften, medizinischen Fachangestellten und Versorgungsassistenten – aufgebaut, das sich um die kontinuierliche Versorgung und Präventionsbegleitung chronisch und mehrfach erkrankter Menschen kümmert. Auch einheitliche Versorgungspfade für häufige Erkrankungen sollen eingeführt und die Gesundheitskompetenz der Bürger insgesamt gesteigert werden.
In Filderstadt soll die strukturierte und multiprofessionelle Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe erprobt werden. Umgesetzt wird dies in enger Zusammenarbeit mit der Filderklinik. Mittels einer lokalen Gesundheitskonferenz soll ein kommunales, sektorenübergreifendes Entlass- und Nachsorgenetzwerk errichtet werden.
Im Landkreis Konstanz soll geprüft werden, wie niedergelassene Hausärzte und Spezialisten Aufgaben in der Versorgung an Pflegefachkräfte und Pflegedienste delegieren können. Darüber hinaus geht es um den sinnvollen Einsatz der unterschiedlichen Formen digitaler Kommunikation.
In der Gemeinde Nußloch im Rhein-Neckar-Kreis plant man Ähnliches. Hier soll untersucht werden, wie ärztliche und nichtärztliche Fachpersonen in den Bereichen Prävention, Frühintervention und Primärversorgung zusammenarbeiten können. Ein Zentrum für Bürgergesundheit soll eingerichtet und Bürger von einem sogenannten Case-Management-Team fortwährend betreut werden
Autor:
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (16) Seite 34-35
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.