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Widerspruch bei Regress wegen Influenza-Impfstoff begründen

Autor: RA Rainer Kuhlen, Foto: Thinkstock

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Leser fragen, MT-Experten antworten: Wie sollte ein Widerspruch gegen einen Regress (Grippeimpfstoffe) am besten begründet werden?

Dr. K. aus A.


Gegen mich wurde ein Sprechstundenbedarfsregress wegen der Verordnung von Grippe-Impfstoffen in den Quartalen III/08 bis II/09 festgesetzt. Ist das Ganze nicht längst verjährt, da der Verordnungszeitpunkt sechs Jahre zurückliegt?

Ich habe Widerspruch eingelegt. Nun verlangt die Prüfungsstelle eine schriftliche Begründung von mir. Was ist hier zu empfehlen?

RA Rainer Kuhlen

Fachanwalt für Medizinrecht

Vellmar:

Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen wegen der Verordnung von Sprechstundenbedarf gilt eine Ausschlussfrist von vier Jahren. Diese Vier-Jahres-Frist beginnt nach Ablauf des letzten Quartals des geprüften Verordnungszeitraums. Das heißt im vorliegenden Fall mit Ablauf des 2. Quartals 2009. Sie hätte daher mit Ende des 2. Quartals 2013 geendet.

Diese Verjährungsfrist wurde aber durch die Rechtsprechung verwässert: Das Bundessozialgericht (BSG) legte fest, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch einen Prüf­antrag der Krankenkassen gehemmt werden, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt.

Mit dieser Entscheidung wurde den Kassen der Weg geebnet, dass sie auch nach Ablauf von mehr als vier Jahren Regresse festsetzen können.

Kasse muss sich innerhalb von vier Jahren melden 

Vorliegend hat die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland mit Schreiben vom 5.6.2013 beantragt, die Menge der angeforderten Ampullen zur Durchführung der Grippeimpfung für die Quartale III/08 bis II/09 zu überprüfen.

Mit Schreiben vom 21.6.2013, ebenfalls noch innerhalb der Vier-Jahres-Frist, wurde der Arzt von der Prüfungsstelle über den Antrag in Kenntnis gesetzt.

Durch diese Vorgehensweise wurde der Ablauf der Vier-Jahres-Frist – bis zur Entscheidung der Prüfungsstelle (siehe hierzu Urteil des BSG vom 5.5.2010 Az.: B 6 KA 5/09 R) – gehemmt.

Solange diese Rechtsprechung nicht wieder aufgehoben oder verfassungsrechtlich kassiert wird, kann ein Arzt sich in vergleichbaren Fällen deshalb nicht auf "Verjährung" berufen.

Bei Grippe-Impfstoffen gelten besondere Umstände

Zur Begründung des Widerspruchs: Bekannt ist, dass Sprechstundenbedarf möglichst nur einmal im Quartal verordnet wird und den Verbrauch ersetzen soll. Im Fall von Influenza-Impfstoffen ist dies jedoch nicht möglich.

Diese werden für jede Wintersaison – abhängig davon, welche Influrenzastämme aktuell zu erwarten sind – individuell entwickelt. Daher muss ein Vertragsarzt die voraussichtlich benötigten Mengen dieses neuen Influenza-Impfstoffs verordnen.

Eine weitere Besonderheit bei Verordnungen dieser Impfungen liegt darin, dass die Impfstoffe zeitlich nur eingeschränkt bezugsfähig sind. Gerade weil sie stets nur in einer Wintersaison entwickelt und angewendet werden, werden sie nur in begrenzten Mengen produziert.

Ärzte müssen vermutlich benötigte Impfstoffmengen schätzen

Damit das herstellende Unternehmen die in der jeweiligen Wintersaison benötigte Menge kalkulieren kann, müssen die Ärzte die für ihre Patienten notwendigen Impfmengen ca. ein halbes Jahr vor Beginn der Impfsaison bestellen.

Soweit Impfstoffe erstmals in der Wintersaison verordnet und bestellt werden, kommt es regelmäßig zu Lieferengpässen. Patienten müssen lange Wartezeiten hinnehmen, sodass der Impfschutz ggf. nicht rechtzeitig gewährleistet werden kann. Die Vertragsärzte sind daher gezwungen, benötigte Impfstoffmengen zu prognostizieren und Verordnungen zu Saisonbeginn vorzunehmen.

Dabei bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Anzahl der im Vorjahr benötig­ten Impfdosen sowie Zahl und Struktur der eigenen Patienten zugrunde zu legen.

Auch bei der Schweingegrippe viele Impfdosen ungenutzt

Dass eine solche Kalkulation nicht immer aufgeht, zeigte sich auch, als die Regierung 2009 die benötigte Menge der Impfungen gegen die Schweinegrippe berechnen wollte. Damals blieben viele Impfdosen ungenutzt, weil sich Patienten nicht impfen ließen.

Vor diesem Hintergrund darf bei Grippe­impfungen das Prognoserisiko nicht den verordnenden Ärzten angelastet werden.
Der Arzt sollte – soweit dies durch Zahlen belegbar ist – vortragen, dass er entsprechend vorging.

Es sollten die Impfzahlen des Vorjahres und die Anzahl der potenziell zu impfenden Personen dargelegt werden, um zu zeigen, dass keine unwirtschaftliche Verordnung erfolgte. Dass bei 310 verordneten Impfdosen in der Saison 08/09 nur 101 Patienten eine Grippeimpfung wünschten, konnte er nicht vorhersehen.

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