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Wir Ärzte brauchen kein Gesetz gegen Korruption

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Extra ein Anti-Korruptionsgesetz für Ärzte? Nein, meint MT-Kolumnistin Dr. Tauber-Bachmann. Mehr Transparenz schaffen reicht völlig.

Kürzlich rauschte es wieder durch die Medien, ausgelöst durch den sogenannten Transplantationsskandal: Die deutschen Ärzte sind ja so was von korrupt! Und so allmählich hat es sich bis zum schlichtesten Patienten herumgesprochen, dass Ärzte ständig Geld- und Sachzuwendungen von der Industrie und vor allem von der Pharmaindustrie erhalten. Auf jeder gesponsorten Fortbildung wird hemmungslos geschlemmt und dem eigenen Vergnügen nachgegangen, sei es auf Abend- oder Wochenendveranstaltungen.


Klar, jede und jeder von uns hat sich schon einmal von einer Pharmafirma zum Abendessen nach einem medizinischen Vortrag einladen lassen und ohne schlechtes Gewissen Essen und schönes Ambiente, das sich man/frau nicht jeden Tag leistet, genossen. Manch einer hat vielleicht auch schon eine Beobachtungsstudie gemacht. Die Tatsache, dass in unseren allgemeinmedizinischen Praxen die zu „beobachtenden Medikamente“ in der Regel alle bereits lange zugelassen sind – also ein Schaden für den Patienten nicht zu befürchten ist, den er nicht im Rahmen der üblichen Versorgung auch erleiden könnte –, nährt ja noch eher den Verdacht der Bestechlichkeit.

»Studien macht man aus Idealismus, nicht wegen des Honorars«

Doch den Vorwurf der Korruption halte ich für vollkommen abwegig, wenn bei all dem Aufwand mit Aufklärung und Einverständnis des Patienten, (im Minimalfall) dem Führen des Beobachtungsbogens mit Eingangs- und Abschlussuntersuchung pro Patient ein Honorar von 15 € herausspringt. Bei diesem Betrag ist auch eine Portion Idealismus dabei. Oder sind 15 € als Eurobetrag immer noch besser als unwägbare Punkte?


Angesichts solcher Geldbeträge höre ich die Industriemanager laut lachen! Wenn ich da an die verschiedenen Skandale in Industrie und Verwaltung denke mit Luxusreisen in exotische Länder und „finanzierten Orgien“ ... In Deutschland steigt angeblich die Rate an Korruptionsfällen, aber im Vergleich zu vielen anderen Ländern sind wir immer noch brave Biedermänner und -frauen.


Und wie sich inzwischen herausstellte, haben die Kollegen, die in den Transplantationsskandal verwickelt sind, zwar nicht korrekt gehandelt, aber für ihre falschen Dringlichkeitsangaben kein Geld erhalten. Um welche Vorteile es ging, wird sich noch zeigen. Vielleicht haben sie lediglich im Sinne ihres Patienten gehandelt, dem sie eine möglichst rasche Organtransplantation ermöglichen wollten. Und liegen uns nicht auch die „eigenen“ Patienten meist sehr am Herzen?


Außerdem: An wen von uns ist noch nie der Wunsch nach einem „getürkten“ Attest herangetragen worden? Wie weit lassen wir uns darauf ein? Keine leichte Entscheidung! Jene Patienten verlangen ganz selbstverständlich von uns, dass zu ihrem Vorteil gelogen oder zumindest geschwindelt wird. Klar, da wird außer den üblichen Attestkosten kein Mehrbetrag geboten, jedenfalls habe ich es noch nie erlebt. Aber wo fängt der Betrug an?

»Mehr Transparenz schaffen reicht völlig«

Der Korruptions-Dschungel ist ziemlich undurchsichtig, einerseits gefühlt so fern, aber in real doch so nah. Und wo beginnt er? Erst bei einem bestimmten Euro- oder Dollarbetrag? Und auch wir Hausärzte werden zwar nicht jeden Tag, aber immer wieder vor Entscheidungen gestellt, die denen der Transplantationsärzte ähneln. Dass wir mehr Transparenz benötigen, was Zuwendungen betrifft, befürworte ich. Dass ich mir aber jede Essenseinladung versagen soll, sehe ich nicht ein. Immerhin entscheide ja immer noch ich, ob ich das vorgestellte Medikament oder die vorgestellte Technik einsetze – unabhängig von der Qualität des jeweiligen Kochs.


Dass wir Ärzte allerdings jetzt unter Generalverdacht gestellt werden und deswegen vielleicht sogar noch ein extra Anti-Korruptions-Ärztegesetz geschaffen wird, halte ich für eine der üblichen Schmutz- und Neidkampagnen gegen unseren Berufsstand. Betrüger gibt es überall, auch unter den Ärzten, aber im Promillebereich. Und ob dies eine Änderung des Strafgesetzes rechtfertigt, sei dahin gestellt.


Die Bundesärztekammer hat die Zahl der im Selbstkontrollsystem aktuell laufenden Verfahren in den Medien veröffentlicht. Das finde ich gut, zeigt mir aber auch, dass ich anscheinend ein hoffnungsloser Fall bin: Von der überwiegend beschuldigten Pharmafirma bekomme ich nicht einmal Ärztemuster.

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