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Wir geben auch nicht auf: future for doctors!

Autor: Dr. Günter Gerhardt

In Zeiten von Demos und öffentlichen Debatten wollen sich auch bestimmte Berufsgruppen Gehör verschaffen. In Zeiten von Demos und öffentlichen Debatten wollen sich auch bestimmte Berufsgruppen Gehör verschaffen. © fizkes – stock.adobe.com; MT
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Der Nachwuchs verabschiedet sich mehr und mehr frustriert vom Wunsch nach Niederlassung. Könnte es an Bürokratie und Verkomplizierung liegen?

Insbesondere den Landärzten sind in den letzten Wochen bei ihren Hausbesuchstouren die grünen Kreuze auf den Feldern aufgefallen. Viele von uns wussten anfänglich gar nicht, warum sie dort stehen.

Die Bauern wollen damit ihren Unmut äußern zur Agrarreform der Bundesregierung. Am 22. Oktober 2019 dann machten sich Tausende von Bauern mit ihren Traktoren in verschiedenen Städten auf den Weg zu Demonstrationen, die unter dem Motto standen „Wir wollen mitreden“. Die Bauern wollen nicht länger ohne Mitspracherecht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die Bauernkinder fragen nach „future for farmers“.

Sie können problemlos das Wort „Bauern“ durch „Ärzte“ ersetzen, nur machen wir uns nicht auf den Weg zu Demonstrationen, das haben wir verlernt. Unser Nachwuchs fragt aber auch nach „future for doctors“. Ich baue auf diesen Nachwuchs! Und der verabschiedet sich mehr und mehr frustriert von dem Wunsch nach Niederlassung.

Verantwortlich für diese Frustration ist an erster Stelle der zunehmende Druck, aufgebaut von den Krankenkassen und ihrem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Die dort arbeitenden Kolleginnen und Kollegen entscheiden, was die Krankenkassen zahlen müssen, sind aber von diesen abhängig, getreu der bekannten Minnesängerdevise „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“.

Der MDK ist nichts anderes als der verlängerte Arm der Krankenkassen und soll vor allem Kosten einsparen. Der Dienst entscheidet am Schreibtisch über Patientenschicksale, blockiert die Arbeit der Versorgerpraxen, schikaniert die Kolleginnen und Kollegen mit Spielchen, wie etwa um Fristeinhaltung bis zum 25. eines Monats zu bitten bei einem Schreiben, das auf den 18. des Monats datiert ist, aber erst am 24. des Monats in der Praxis eingegangen ist.

Ein anderes Beispiel sind die immer häufigeren Krankenkassenanfragen im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeitszeiten. Eine Kollegin hatte zum Ärztestammtisch den Fall einer Patientin mitgebracht, die wegen Praxisaufgabe einer Land­ärztin eine Patientin „erbte“. Sie schrieb sie berechtigterweise krank. Und erhielt postwendend von der Krankenkasse eine Anfrage. Darin informiert die Krankenkasse unter römisch eins über die jetzige Arbeitsunfähigkeit „von … bis ... wegen: ICD Code“ und erklärt unter römisch zwei „Vorher bestand AU wegen … (s. Anhang)“.

Dieser Anhang besteht aus sieben kleinbedruckten DIN-A4-Seiten, auf denen alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der letzten Jahre aufgelistet sind. Die Fragen zu römisch eins und zwei muss man erst mal verstehen, sie setzen auf jeden Fall das akribische Studium der sieben DIN-A4-Seiten voraus. Letztendlich geht es darum, die Dauer des Leistungsanspruchs prüfen zu können. Der Krankenkasse geht es darum, ob die AU mit den vorherigen AU-Zeiten in ursächlichem Zusammenhang steht. Nicht ärgern, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie dürfen dafür die Nr. 01621 EBM (4,63 €) abrechnen.

Die Liste der Anfragen von wem auch immer lässt sich beliebig fortsetzen. Die Gemeinsamkeit all dieser Anfragen: Sie stehlen uns die Zeit, die wir für unsere Patienten dringend bräuchten. Von dem immer wieder angekündigten Bürokratieabbau kann leider keine Rede sein. Auch die Diktion in den Briefen ändert sich. Beim Lesen hört man regelrecht das Metall in der Stimme: „Nach den §§ 275, 276…sind Sie als Leistungserbringer zur Übermittlung dieser Daten verpflichtet“.

Famulanten und Weiterbildungsassistenten erleben das alles mit Entsetzen in den Praxen mit und stellen die Niederlassung in der Folge auf den Prüfstand. Wir müssen uns überlegen, ob wir das einfach hinnehmen und damit der Politik und den Krankenkassen ein „Nur weiter so!“ signalisieren. Getreu dem Motto: Mit uns kann man eh alles machen. Ich meine schon, dass es an der Zeit ist wie einst die Lokführer und jetzt die Bauern auf diese Missstände zulasten unserer Patienten aufmerksam zu machen.

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