Berufsbild der Physician Assistants (PA) Wo „Physician Assistance“ draufsteht, soll auch welche drin sein

Gesundheitspolitik Autor: Jost Küpper

Ausgebildete Physician Assistance sollen nach ihrem Abschluss möglichst schnell am gesamten ärztlichen Versorgungsprozess teilnehmen. Ausgebildete Physician Assistance sollen nach ihrem Abschluss möglichst schnell am gesamten ärztlichen Versorgungsprozess teilnehmen. © JD8 – stock.adobe.com

Berufsgesetz, verbindliches Curriculum, Master-Studium, Fortbildungskonzept – beim Berufsbild der Physician Assistants (PA) wird das wohl bald großgeschrieben. Im Vorfeld des Deutschen Ärztetages präsentierte die BÄK ihre Position zur Professionalisierung und zum Rollenbild der PA.

Nach diversen Arbeitspapieren liegt nun das endgültige Positionspapier von Bundesärztekammer (BÄK) und Deutscher Gesellschaft für Physician Assistants (DGPA) vor. Titel des 21-Seiten-Konvoluts: „Physician Assistance – ein etabliertes Berufsbild im deutschen Gesundheitswesen.“ Die Präambel macht den Anlass klar: „Bislang ist festzustellen, dass es derzeit weder einheitliche Studieninhalte noch einen gleichartigen Tätigkeitsrahmen für PA gibt.“

Das ist eine interne Mängelrüge für einen akademischen Gesundheitsberuf, bei dem alles auf Wachstum steht. Derzeit wird das PA-Studium in Deutschland von 25 Hochschulen an 43 Standorten angeboten. Rund 2.500 fertige PA gibt es hierzulande und mehr als 5.000 aktive Studierende. Eine aktuelle Umfrage der Beratungsfirma PA Company spricht von 84 % Beschäftigung von PA in Kliniken und nur 15,7 % im ambulanten Bereich. In der ambulanten Medizin stellen große Player, z. B. MVZ, die meisten PA an, die Einzelpraxen stehen hier bei 11 %.

11.000 freie Haus- und Kinderarztsitze im Jahr 2035

Betrachtet man das nur für den Hausarztbereich, dürften andere Parameter im Mittelpunkt stehen. 2023 waren rund 5.000 Hausarzt- und Kinderarztsitze unbesetzt. Laut einer Studie der Robert Bosch Stiftung wird das 2035 auf 11.000 Leerstellen hochschnellen.

Einen Ausweg für diese katastrophale Perspektive bietet das Positionspapier an. Präambel-Zitat: „PA arbeiten in enger Kooperation mit Ärztinnen und Ärzten und übernehmen ärztliche Aufgaben im Rahmen der Delegation und unter ärztlicher Supervision. Ihr Beitrag zur Gesundheitsversorgung besteht in der dauerhaften und damit routinierten Übernahme delegierbarer ärztlicher Tätigkeiten, wobei der Grundgedanke der Heilkundeausübung von Ärztinnen und Ärzten davon unberührt bleibt.“

Interessant ist, dass multiprofessionelle Teams beispielsweise in der Hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württemberg längst Fuß gefasst haben. Die Ärztin oder der Arzt kann sich so auf hochkomplexe Fälle oder Medizineranrechte, wie das Rezept oder die Krankschreibung, fokussieren.

Das ist nicht nur versorgungstechnisch, sondern auch abrechnungsmäßig eine Revolution. Das Zauberwort heißt Teampraxis. Dabei wird das Honorar nicht mehr nur an den Arzt-Patienten-Kontakt geknüpft, sondern dem Praxis-Patienten-Kontakt angebunden. Dergleichen bringt bis zu 15 % mehr Honorar und finanziert auch PA-Einsätze.

Hier kommt nun auch der Koalitionsvertrag von Union und SPD ins Spiel, speziell Seite 107 zum ambulanten Honorarsystem. Demnach wollen die Koalitionäre „die Vergütung von Praxis-Patienten-Kontakten“ ermöglichen. Das ist nicht auf Hausärzte beschränkt. Abzuwarten bleibt, was wirklich passiert.

Ergänzend zur neuen finanziellen Perspektive ist sicherzustellen, dass das PA-Studium und der berufliche Output umfassend ins Lot kommen. Denn wo „Physician Assistance“ draufsteht, soll auch welche drin sein. Also kein Aufgalopp beliebiger PA-Schmieden, die nicht alle erstklassig sind.

Für einen allgemeinen 1a-Output haben sich BÄK und DGPA ein ausgefeiltes Programm überlegt. Dazu gehören:

  • PA-Quali durch ein Berufsgesetz. Raus aus der Gruppe der nicht geregelten Berufe.
  • Einheitliche Studieninhalte durch ein verbindliches Curriculum. Fernstudiengänge sollen nicht mehr anerkannt werden.
  • Zwei Studienwege: entweder Primärqualifikation ohne Erstausbildung wie MFA oder Notfallsanitäter mit Zusatzstudienzeit und -inhalten oder Sekundärqualifikation (mit Erstausbildung), die auch berufsbegleitend laufen kann.
  • Bachelorabschluss (B. Sc.) und danach ggf. Masterabschluss (M. Sc.). Der Besteckkasten der PA-Fähigkeiten via B. Sc. wird in jedem ambulanten Standort (z. B. Praxis) individuell gefüllt und jeweils nach Versorgungsprofil gesteigert. Der M. Sc. soll die fachliche Spezialisierung weiter vorantreiben. Die generellen Kompetenzkriterien werden in dem Positionspapier vom April seitenweise aufgedröselt.
  • Das Positionspapier führt u. a. folgende exemplarischen PA-Tätigkeiten auf:
    • standardisierte, vorbereitende Anamnese
    • standardisierte Untersuchungen
    • Übernahme von Diagnostik
    • Therapieplan inklusive Prozesssteuerung und Monitoring
    • Aufklärung auf der Basis standardisierter Info-Materialen
    • Datenerfassung und Kommunikation von Untersuchungs- und Therapieergebnissen
    • Administration und Koordination, z. B.: Vorbereitung von standardisierten Arztbriefen, Entlassungsbriefen und OP-Berichten, Dokumentation des Behandlungsverlaufs und ärztlicher Anordnungen, Organisation diagnostischer Untersuchungen, von Konsilen u. Ä.
  • „PA können im ambulanten Bereich in verschiedenen Settings, auch dem häuslichen, tätig werden und wirken unter ärztlicher Leitung am gesamten ärztlichen Versorgungsprozess eines Patienten oder einer Patientin mit“, heißt es.
  • Die BÄK befürwortet und befördert eine Teilnahme der PA an der ärztlichen Fortbildung.

Die PA-Entlohnung wird in dem Papier nicht angesprochen. Einen Anstoß könnte ein Beschluss des Ärztetags in Leipzig bringen. Wenn man auf Nummer sicher gehen will, wird darin ein Zeitplan plus Kontrollprozedere festgezurrt.

Quelle: Medical-Tribune-Beitrag

„Wir benötigen schnell einen eigenen Tarifvertrag für Physician Assistants“

In der Regiopraxis „Hausärzte am Spritzenhaus“ in Baiersbronn im Schwarzwald, wo Prof. Dr. Wolfgang von Meißner niedergelassen ist, sind neben mehreren Ärztinnen und Ärzten zwei Physician Assistants tätig. Auch aufgrund seiner Professur für Physician Assistance mit dem Schwerpunkt Allgemeinmedizin an der CBS University of Applied Sciences ist er ein Kenner der Materie. Was meint er zum PA-Positionspapier von Bundesärztekammer und DGPA?

Was sind für Sie die drei wichtigsten Vorgaben des Positionspapiers?

Prof. Wolfgang von Meißner: Einheitliche Studienstandards und das Kompetenzstufenmodell sind richtungweisend. Persönlich am wichtigsten finde ich die Befürwortung der Teilnahme von PA an ärztlichen Fortbildungen.

Welche zentralen Parameter fehlen in dem PA-Konzept?

Prof. von Meißner: Entscheidende Leerstellen bestehen im zeitlichen Umsetzungsplan, in der Finanzierung der Integration von PA sowie der konkreten ärztlichen Supervisionsstrukturen.

Eine weitreichende ambulante Versorgung mit PA dürfte nur durch eine spezifische EBM-Vergütung für Praxen entstehen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Prof. von Meißner: PA-Leistungen sind delegative ärztliche Leistungen. Sie erfolgen unter ärztlicher Verantwortung und Supervision. Daher müssen sie im EBM identisch wie ärztliche Leistungen vergütet werden.

Die Bezahlung von PA ist zurzeit kaum reglementiert. Sollten ins PA-Berufsgesetz Vorgaben dazu?

Prof. von Meißner: Wir benötigen meines Erachtens schnell einen eigenen PA-Tarifvertrag. Nur so bekommen wir belastbare Zahlen für die erforderliche Refinanzierung.

Wo in der ambulanten Versorgung spielt für PA die Musik?

Prof. von Meißner: PA sind polyvalent einsetzbar – ihre Zukunft liegt sowohl im hausärztlichen wie im fachärztlichen Bereich.

Das Positionspapier liefert keinen Zeithorizont für eine Umsetzung. Wie lange wird’s dauern?

Prof. von Meißner: Ärztemangel und alternde Bevölkerung fordern Lösungen. PA sind Teil der Lösung. Der Zeitpunkt, zu dem es mehr PA als Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung geben wird, wird meines Erachtens vor meinem Renteneintritt liegen.

Medical-Tribune-Interview