
DRU soll aus dem neuen Prostatakarzinomscreening verschwinden

Ziel der Prostatakarzinomfrüherkennung ist die Reduktion der prostataspezifischen Todesfälle und der metastasierten Prostatakarzinomerkrankungen. Seit es das opportunistische PSA-Screening in Deutschland gibt, ist die krankheitsbedingte Mortalität um etwa 37 % zurückgegangen, berichtete Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Mannheim. Die Rotterdam-Studie belegte auch, dass das Risiko für ein metastasiertes Prostatakarzinom in der Screeningpopulation gegenüber nicht gescreenten Männern deutlich abnimmt, sagte er. In den USA wird seit 2012 das PSA-Screening nicht mehr empfohlen und in der Folge ist die Zahl der Hochrisikokarzinome wieder angestiegen, führte er als weiteres Argument für das PSA-Screening an. Er war aber auch kritisch: Ziel des zukünftigen Prostatakarzinomscreenings muss es auch sein, Überdiagnostik (PSA-Tests, Biopsien) und Übertherapie zu reduzieren.
Da in der deutschen Prostatakarzinom-Screening-Studie PROBASE die digitale rektale Untersuchung (DRU) viel zu häufig zu falsch positiven Befunden und unnötigen Biopsien führte, wird die DRU in der neuen S3-Leitlinie Prostatakarzinom nicht mehr für das Prostatakarzinomscreening empfohlen. Die PSA-Messung ist der primäre Screeningtest, soll aber risikoadaptiert eingesetzt werden. Ist der initiale PSA-Wert im Alter von etwa 45 Jahren sehr niedrig, z. B. 0,49 ng/ml, ist das Risiko für die Entwicklung eines Prostatakarzinoms in den nächsten Jahren sehr gering. Es genügt eine Wiederholung des PSA-Tests alle fünf Jahre. Bei einem Wert von über 3 ng/ml wird die Testung nach vier bis sechs Wochen wiederholt. Bestätigt sich dann der erhöhte Wert, soll zunächst das Risiko für ein Prostatakarzinom abgeschätzt werden. Risikofaktoren sind eine familiäre Belastung und früher bereits erfolgte Biopsien. Wichtig ist auch die PSA-Dichte. Eine vergrößerte Prostata resultiere in einem höheren PSA-Wert, ohne dass ein Prostatakarzinom angenommen werden muss, betonte Prof. Michel und erläuterte: „Bei einem PSA von 4 und einem Prostatavolumen von 120 ml sind wir noch sehr entspannt“. Etwa 65 % aller Männer mit anhaltend erhöhtem PSA-Wert haben allerdings ein erhöhtes Risiko für ein Prostatakarzinom. Sie sollten zunächst eine MRT-Bildgebung erhalten, bevor eine Biopsie empfohlen wird.
Eingesetzt werden soll die multiparametrische Magnetresonanztomografie. Sie steht jedoch nicht immer zur Verfügung, aber das muss sich ändern, fand Prof. Michel. Die Untersuchung liefere in erfahrenen Händen sehr gut standardisierte Ergebnisse. Die Einteilung nach PI-RADS (Abk. für engl. Prostate Imaging Reporting and Data System) helfe, nicht signifikante Prostatakarzinome unberücksichtigt zu lassen. Relevant ist ein PI-RADS von 3 (Wahrscheinlichkeit für ein Prostatakarzinom bei 15 %), von 4 (Wahrscheinlichkeit bei 39 %) und von 5 (Wahrscheinlichkeit bei 72 %). Die multiparametrische MRT eigne sich auch zur aktiven Überwachung, ergänzte Michel. In den USA ist es hierfür bereits Standard, weil wiederholte Biopsien bei der Active Surveillance zu belastend sind.
Als die MRT noch nicht verfügbar war, wurde im Verdachtsfall früh eine systematische „ungezielte“ Prostatabiopsie durchgeführt. Sie liefert bei etwa einem Drittel der Betroffenen falsch-negative Ergebnisse, berichtete Prof. Michel. Zukünftig soll die Biopsie zur Abklärung im Rahmen der Früherkennung bildgestützt erfolgen. Als einen neuen Standard nannte er die MRT-Ultraschall-fusionierte Prostatabiopsie.
Prof. Michel, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie ist, befürwortete ein Prostatakarzinomscreening angelehnt an das schwedische Modell. Danach würden alle Anspruchsberechtigten eine Einladung zur Beratung erhalten. Stimmen sie danach einem PSA-Test zu, wird je nach dem ersten PSA-Wert weiter kontrolliert. Solch ein populationsbasiertes Screeningangebot wird auch bei begrenzter Teilnahme am PSA-Test zunächst zu vielen abklärungsbedürftigen Befunden führen. Der Experte rechnete im ersten Jahr des Screenings bei einer Inanspruchnahme durch 31 % der Versicherten im Alter zwischen 50 und 65 Jahren mit etwa 326.000 Personen mit erhöhten PSA-Werten, davon 212.000 mit hohem Risiko und 55.000 Prostatakarzinom-Neudiagnosen. Im weiteren Verlauf des Screeningprogramms sollte der Untersuchungsbedarf nachlassen, meinte er.
Kosten, Kapazitäten und Effekt in der Diskussion
Das in der Konsultationsfassung der neuen S3-Leitlinie vorgesehene kombinierte, risikoadaptierte PSA- und MRT-Screening wird von Experten unterschiedlich bewertet. Prof. Dr. Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren am IQWiG in Köln, begrüßt zwar, dass die „historische“ digitale rektale Untersuchung zukünftig kein Bestandteil der Prostatakarzinom-Früherkennung mehr sein wird. Aus IQWiG-Sicht sei jedoch unklar, ob die zweischrittige Screeningstrategie die Krebssterblichkeit genauso gut senken kann wie die alleinige PSA-Testung und ob sie besser sei als kein Screening.
Er rät gegenwärtig davon ab, allen Männern bereits mit 45 Jahren eine Früherkennung gemäß Leitlinie anzubieten. Prostatakrebs sei in diesem Alter sehr selten und die meisten Studien hätten Männer erst ab 50 oder 55 Jahren untersucht. Zudem bemängelt er das Fehlen der oberen Altersgrenze in der Leitlinie: Mit steigendem Alter werde der Krebs zwar häufiger, gleichzeitig nehme aber der Nutzen der Früherkennung ab. Weiterhin gibt er den hohen wirtschaftlichen Aufwand der neuen Screeningstrategie zu bedenken. Dabei sei fraglich, ob die Früherkennung langfristig die Behandlungskosten senke. Ferner bezweifelt er, dass die MRT-Kapazitäten in Deutschland für ein solches Screeningprogramm ausreichen – schätzungsweise werden 600.000 zusätzliche MRT-Untersuchungen pro Jahr anfallen, meint er.
Insgesamt geht Prof. Sauerland von einer baldigen Neubewertung der Prostatakrebsfrüherkennung in Deutschland aus. Da hierbei allerdings komplexe wissenschaftliche und organisatorische Fragen zu klären seien, rechnet er nicht damit, dass die PSA- und MRT-basierte Früherkennung vor 2028 als allgemeine Krankenkassenleistung angeboten werden kann.
Dr. Judith Lorenz
Quelle: Pressemeldung Science Media Center
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