
Hypoglykämie: Sport nach der Arbeit gefährdet Typ-1-Diabetiker im Schlaf

Wer nach Feierabendsport die Glukose-Gewebskonzentration mit einem CGM-System kontrolliert, wird überrascht sein, welche Absenkungen in der Nacht vorkommen können. Insbesondere nach sportlichen Aktivitäten am Abend steigt das Risiko einer schweren Hypoglykämie im Schlaf. Um dies zu vermeiden, gibt es u.a. vier Möglichkeiten:
- Die Einnahme einer „Überdosis Kohlenhydrate“ vor dem Schlafengehen nach dem Motto: Unterzuckerung ist schlimmer als Überzuckerung. Empfehlenswert ist dies aber nicht!
- Eine auf eigene Faust durchgeführte Insulin-Dosisreduktion. Dies ist für die Nacht jedoch als problematisch anzusehen.
- Der Einsatz eines kontinuierlichen Glukose-Messsystems (CGM) mit Weckfunktion. Die Methode ist sehr zu empfehlen, erfordert aber gerade für das Sporttreiben eine gründliche Beratung über die Einstellung und weitere Handhabung des Geräts.
- Eine einfache Möglichkeit ist es, nach dem Feierabendsport für 2:00 Uhr nachts den Wecker zu stellen und den Blutzucker zur Absicherung zu kontrollieren.
Gerade CGM-Neueinsteiger sollten wegen möglicher methodischer Probleme ihre nächtlichen Blutzuckerwerte analysieren, wenn sie nach Feierabend mit sportlichen Aktivitäten beginnen, diese unregelmäßig betreiben oder umstellen. Gleiches gilt für Diabetespatienten mit labiler Blutzuckereinstellung.
Eine Umfrage aus dem Jahre 2013 ergab erhebliche Informationslücken zu diesem Thema.1 Etliche Diabetesberaterinnen entwickelten damals sogar eigene Schulungsunterlagen mit entsprechenden Hinweisen, da sie die vorgedruckten Unterlagen in dem Punkt für unzureichend hielten. Neuere Schulungsmaterialien berücksichtigen dies. Es dürfte aber noch viele Typ-1-Diabetespatienten geben, deren Schulung länger zurückliegt und die auf dieses spezielle Hypoglykämie-Risiko während des Schlafens noch nicht deutlich genug hingewiesen wurden. Hinzu kommt, dass man keinen expliziten Hinweis in den aktuellen Praxisempfehlungen der DDG (Stand 2017) findet.
Dort steht lediglich: „Körperliche Aktivitäten, besonders unregelmäßige, erschweren die Blutzucker-Einstellung“.2 Verstärkte Glukoseschwankungen während und nach körperlicher Belastung sind die Regel. Grundsätzlich stört jede Muskelarbeit die Regulation des Blutzuckers. In den Praxisempfehlungen heißt es weiter: „Ein körperliches Training kann dann uneingeschränkt empfohlen werden, wenn Insulininjektion, Glukoseaufnahme über die Nahrung und Energieumsatz durch körperliche Aktivität präzise aufeinander abgestimmt werden.“ Diesen Hinweis sollten Ärzte, Diabetesberaterinnen und die Typ-1-Patienten selbst unbedingt beherzigen. Für zusätzliche körperliche Aktivitäten muss nämlich für die Blutzuckereinstellung neben der Kohlenhydrat- und Insulinzufuhr auch der gesteigerte Muskelstoffwechsel bilanziert werden. Dabei spielen Sportart, Intensität und Dauer der Betätigung sowie die individuelle Reaktionsweise des Sportlers eine wichtige Rolle.
Immer wieder liest und hört man als Pauschalempfehlung: Bewegung ist die beste Medizin. Sporttreibende Typ-1-Diabetespatienten sollten dies als Anfänger, Wiedereinsteiger oder unregelmäßig Sporttreibende jedoch nicht unkritisch übernehmen. Dies gilt auch für deren Berater.
Eine nächtliche Hypoglykämie kann ggf. dramatisch ausgehen: Zum Tod-im-Bett-Syndrom schrieb noch 2012 die Ärzte-Zeitung: „Bei jungen Diabetikern, die nachts im Bett sterben (Tod-im-Bett-Syndrom) wurde oft bei der Autopsie eine Hypoglykämie bestätigt. Bisher vermutete man dies als Folge einer genetischen Veranlagung, einer hypoglykämisch ausgelösten Arrhythmie, ggf. einer subklinisch-autonomen Neuropathie oder eines vorangegangenen Genusses größerer Alkoholmengen.“3
Damals war das spezielle Risiko der nächtlichen Hypoglykämie nach dem Sport nur wenig bekannt. Wenn bei der Anamnese nicht danach gefragt wurde, konnte auch nicht daran als mögliche Ursache gedacht werden. Heute gibt es CGM-Systeme, die bei korrekter Anwendung helfen, dieses Risiko zu vermindern. Bei einem Umstieg auf die Systeme ist eine gründliche begleitende Beratung aber absolut notwendig.
Zudem sollte der Hinweis „[...] ein körperliches Training kann dann uneingeschränkt empfohlen werden“ aus den DDG-Praxisempfehlungen hinsichtlich des Wortes „uneingeschränkt“ nicht missverstanden werden. Schließlich geben auch die Praxisempfehlungen viele Hinweise zu weniger empfehlenswerten Sportarten, sportinduzierten Komplikationen und speziellen Maßnahmen, die berücksichtigt werden sollten. Dies gilt auch für Typ-1-Diabetespatienten mit bestehenden Folge- oder Begleitkrankheiten, z.B. kardialen Problemen, Durchblutungsstörungen in den Füßen oder Arthrose.
Unser Fazit: Sporttreibende Typ-1-Diabetespatienten benötigen eine gründliche sportmedizinische Beratung. Wenn dies berücksichtigt wird, bestehen gute Chancen für eine ungetrübte Freude am Sport.
Quellen:
1. bit.ly/2Qcqc9I
2. Esefeld K et al. Diabetologie 2017; 12: S212-S217
3. bit.ly/2RWoGcd
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).