Jeder fünfte Deutsche riecht schlecht

Dr. Angelika Bischoff

Kommen die Nuancen nicht mehr zur Geltung, steckt meistens eine Entzündung dahinter. Kommen die Nuancen nicht mehr zur Geltung, steckt meistens eine Entzündung dahinter. © thinkstock; wikipedia.org/Patrick J. Lynch

Ob Rhinosinusitis, Trauma oder Diabetes: Die Gründe, warum z.B. das Fruchtaroma im Wein nicht mehr wahrgenommen wird, sind vielseitig. Eine neue Leitlinie soll  nun bei der Diagnostik und Therapie von Riechstörungen helfen.

Ein Verlust (Anosmie) oder eine Verschlechterung (Hyposmie) des Riechvermögens wird meist durch Entzündungen der Nase oder Nasennebenhöhlen sowie durch respiratorische Erkrankungen ausgelöst. Fast immer sind beide Nasen­seiten betroffen. Eine Anosmie findet sich bei 3,6 % der Bevölkerung in Deutschland, eine Hyposmie bei 18 %, schreiben die Autoren der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in der aktuellen Leitlinie „Riech- und Schmeckstörungen“.

Dufttraining für die Neurone

Ein Riechtraining mit verschiedenen Düften kann das Riechvermögen verbessern. Eventuell regenerieren sich hierdurch olfaktorische Rezeptorneurone, wie eine Studie vermuten lässt. Das Training sollte innerhalb des ersten Jahres nach Auftreten der Dysosmie begonnen werden. Ein Konsenz über Dauer, Frequenz und Anzahl der Düfte besteht aktuell nicht.

Doch auch nicht-sinu­nasale Erkrankungen oder Medikamente wie Antibiotika, Antirheumatika und Antidepressiva sowie Zigarettenrauch können das Riechvermögen dauerhaft beeinträchtigen. Weitere potenzielle Ursachen sind Virusinfektionen oder Schädel-Hirn-Traumata. Psychiatrische, internistische oder neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Diabetes mellitus Typ 2 und Nieren- sowie Lebererkrankungen können ebenfalls eine Dysosmie auslösen. So treten bei 90 % der Patienten mit Morbus Parkinson Riechstörungen als Begleitsymptom auf. Meist geht der Riechverlust den motorischen Symptomen sogar um vier bis sechs Jahre voraus.

Olfaktorische Störung geht motorischer um Jahre voraus

Zur Anamnese gehören u.a. Fragen über das auslösende Ereignis, die zeitliche Entwicklung, Begleitsymptome sowie -erkrankungen, die Einnahme von Medikamenten und ggf. eine kürzlich zurückliegende Operation. Liegt der Dysosmie eine Erkrankung zugrunde, ist zusätzlich eine fachärztliche Diagnose und Behandlung notwendig. Bei allen Betroffenen muss der HNO-Status geprüft und eine Endoskopie von Nasen und Nasenrachen inklusive Begutachten der Riechspalte durchgeführt werden. Als Riechtest ist der Sniffin‘ Sticks-Test mit 16 Stiften, an denen der Patient riecht, weit verbreitet. Der Test ist wiederholt anwendbar, aber nur bis zu sechs Monate haltbar. Ein Screening des Geschmack-empfindens gehört ebenfalls zur Basisdiagnostik. Das retronasale Riechvermögen kann mit Schmeck­pulvern überprüft werden. Hierbei nimmt der Patient das duftende Pulver in den Mund und beurteilt Geschmack und Geruch. Wenn mit dieser Methode nicht zu klären ist, ob eine Riechstörung vorliegt, können olfaktorische ereigniskorrelierte Potenziale abgeleitet werden. Das Verfahren bieten jedoch nur spezielle Zentren an. Laut ICD fällt die endgültige Diagnose unter eine der folgenden drei Subkategorien: Anosmie, Parosmie (qualitative Riechstörung) oder sonstige, nicht näher bezeichnete Einschränkung des Geruchssinns.

Gefahren durch eingeschränktes Riechen

Weisen Sie den Patienten im Rahmen des Beratungsgesprächs auch immer auf Sicherheitsaspekte hin. Dazu gehört, dass er ausgetretenes Gas oder Brandgeruch bzw. den Geschmack verdorbener Speisen nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen kann. Auch hygienische und soziale Aspekte sollten Thema sein.

Besteht eine aktue Rhinitis oder Rhinosinusitis, ist keine gesonderte Therapie der Riechstörung notwendig. Dauert die Dysosmie jedoch nach der Erkrankung weiterhin an, sollte differenzialdiagnostisch eine postinfektiöse Riechstörung überprüft werden. Liegt diese vor, können ein Riechtraining (s. Kasten) oder topische/orale Steroide zum Einsatz kommen. Generell bessern sich postinfektiöse Riechstörungen bei etwa 30 % der Betroffenen innerhalb von zwölf Monaten spontan.

Therapie sollte innerhalb des ersten Jahres beginnen

Hat eine chronische Rhinosinusitis mit/ohne Polypen oder eine allergische Rhinitis die Riechstörung ausgelöst, kann ebenfalls mit Steroiden therapiert werden. Bei toxisch-irritativer Rhinitis helfen Karenzmaßnahmen, damit die Noxe nicht weiter schädigen kann. Bei traumatischer Dysosmie sollte die Therapie innerhalb des ersten Jahres starten, um die Prognose zu verbessern. Mit Zinkglukonat und/oder systemischen Steroiden und durch ein Riechtraining konnten in klinischen Studien Effekte erzielt werden.

S2k-Leitlinie AWMF-Register Nr. 017/050: Riech- und Schmeckstörungen

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Kommen die Nuancen nicht mehr zur Geltung, steckt meistens eine Entzündung dahinter. Kommen die Nuancen nicht mehr zur Geltung, steckt meistens eine Entzündung dahinter. © thinkstock; wikipedia.org/Patrick J. Lynch