
Nierenkranke herausfiltern – bei welchen Patienten lohnt sich ein Screening?

Physiologische Alterungsprozesse und Grundleiden wie Diabetes oder Bluthochdruck führen im Laufe des Lebens zu einer Abnahme der renalen Funktion. Schätzungsweise hat jeder zehnte Erwachsene eine GFR unter 60 ml/min/1,73 m2 und damit eine chronische Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD) im Stadium G3 oder schlechter. Angesichts dieser Prävalenz darf man das Fortschreiten zur terminalen Insuffizienz durchaus als häufiges Ereignis bezeichnen – zumindest absolut gesehen. Auf das betroffene Individuum bezogen ist das Progressionsrisiko gering, heißt es in der aktuellen S3-Leitlinie der DEGAM.
Keine Untersuchung ohne Risikofaktoren und Symptome
Das hält die meisten Kollegen nicht davon ab, das Kreatinin im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung zulasten des Laborbudgets mit zubestimmen. Dabei sollten asymptomatische Erwachsene ohne Risikofaktoren für ein chronisches Nierenleiden am besten gar nicht gescreent werden. Ein Nutzen ist den Leitlinienautoren zufolge unwahrscheinlich, u.a. wegen der geringen therapeutischen Konsequenz und der niedrigen Inzidenz höhergradiger Funktionsstörungen.
Vielmehr eignet sich ein anlassbezogenes Vorgehen, z.B. bei neu aufgetretenen Ödemen oder bei gewissen Vorerkrankungen. Als gefährdet gelten insbesondere Patienten mit
- Diabetes mellitus
- arterieller Hypertonie
- nephrotoxischer Medikation
So haben bereits zum Diagnosezeitpunkt 5 % der Diabetiker eine CKD, 20–50 % werden sie entwickeln. Mindestens leichtgradige Einschränkungen (GFR < 90 ml/min/1,73m2) betreffen einer deutschen Studie zufolge sogar 89 % der Stoffwechselkranken. Die DEGAM rät deshalb zur jährlichen eGFR-Bestimmung. Diese ist auch im Rahmen des Disease-Management-Programms (DMP) für Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes vorgesehen.
Herzinsuffiziente brauchen unabhängig von der Teilnahme am Zusatzmodul des DMP KHK alle sechs Monate ein Labor mit Serumkreatinin, eGFR, Natrium und Kalium – allein schon wegen ihrer Pharmakotherapie, schreiben die Experten. Dagegen erscheint ein routinemäßiges Screening für Hypertoniker nicht sinnvoll. Lediglich bei Erstdiagnose eines Bluthochdrucks bietet sich die Urinanalyse (Eiweiß, Albumin) sowie die Serumkreatininmessung inklusive eGFR an.
Bei Dauereinnahme kritischer Mittel jährlich kontrollieren
Ob ein potenziell nephrotoxisches Medikament die renale Funktion beeinträchtigt, entscheidet die Gesamtkonstellation. An den Risikofaktoren Alter und Grunderkrankungen (Diabetes, PAVK etc.) lässt sich wenig rütteln. Bei anderen Einflussgrößen wie Volumenmangel oder Arzneimittelinteraktionen kann man gezielt intervenieren. Zum Beispiel, indem der Patient vor und während der Therapie ausreichend trinkt oder indem möglichst niedrige Dosierungen zum Einsatz kommen.
Neben Arzneien können auch Nahrungsergänzungs- und Naturheilmittel die Nieren in Mitleidenschaft ziehen (s. Kasten). Grundsätzlich gilt: Entscheiden Sie bei einer zeitlich begrenzten Behandlung von Fall zu Fall, ob Sie die eGFR vor dem An- und nach dem Absetzen ermitteln. Erwachsene, die kritische Präparate dauerhaft nehmen, sollten laut DEGAM jedoch mindestens einmal jährlich zur Kontrolle.
Potenziell nephrotoxische Nahrungsergänzungs- und Naturheilmittel
- Kreatin
- Hydrazin
- L-Lysin
- Vitamin C
- Wermutkraut (Bitterer Beifuß, Artemisia absinthium)
- Glycyrrhiza glabra (Süßholz, Lakritze)
- Ephedra (Meerträubel)
- Frauenminze (Hedoma pulegioides)
- Cranberry (Vaccinium macro carpon)
- Kreosotbusch (Chaparral, Larrea tridentata)
- Reifweide (Salix daphnoides)
- Schellenbaum (tropischer Oleander, Thevetia peruviana)
- Tripterygium wilfordii (Celastra ceae, „thunder god vine“)
- „Liebesbaum“ (Yohimbe, Pausinys talia yohimbe)
- Chromium
- Germanium
Vor jeder Kontrastmittelgabe die GFR schätzen
Darüber hinaus macht die Fachgesellschaft auf zwei weitere Patientengruppen aufmerksam. Zum einen soll vor jeder Kontrastmittelgabe (iodhaltig, Gadolinium) die GFR geschätzt werden – auch wenn eine relevante Nierenschädigung durch Röntgenkontrastmittel bei normaler Organfunktion extrem selten auftritt. Zum anderen empfiehlt es sich, Personen mit erblichen renalen Leiden in der Familienanamnese auf die Option der nephrologischen oder humangenetischen Beratung hinzuweisen.Quelle: S3-Leitlinie Versorgung von Patienten mit chronischer nicht-dialysepflichtiger Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis, AWMF-Register-Nr. 053-048, www.awmf.org
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