Thymome und Thymuskarzinome: Zwei Erkrankungen, eine Therapie?

ELCC 2025 Lara Sommer

Fachleute geben einen Überblick zu Therapie, Bestrahlung und Chirurgie bei epithelialen Thymustumoren. Fachleute geben einen Überblick zu Therapie, Bestrahlung und Chirurgie bei epithelialen Thymustumoren. © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Der Oberbegriff „Epitheliale Thymustumoren“ umfasst u. a. Thymome und Thymuskarzinome gleichermaßen, die sich in Histologie und Prognose unterscheiden. Nun gaben Fachleute einen aktualisierten Überblick zu Systemtherapie, postoperativer Bestrahlung und der chirurgischen Versorgung. Dabei gingen sie auch auf entitätsspezifische Unterschiede ein.

Die Versorgung von epithelialen Thymustumoren erfordert ein multidisziplinäres Team, schilderte Prof. Dr. Nicolas Girard vom Institut Curie in Paris.1 Bezüglich der Systemtherapie ließen sich mehrere Situationen unterscheiden: Die primäre Chemo, die postoperative Adjuvanz, die alleinige Systemtherapie in metastasierten Stadien und die Behandlung von Rezidiven.

Das Ziel einer primären Chemotherapie bestehe nicht darin, Mikrometastasen zu eliminieren, sondern die R0-Resektion zu erleichtern. Es gibt keine Evidenz für ein Standardregime, aber in einem Register erhielten gut drei Viertel eine Kombination aus einem Platinderivat, Adriamycin und Cyclophosphamid (CAP). Diese Tumoren sind laut dem Experten hoch chemosensitiv: „In mehr als 70 % der Fälle werden Sie ein Ansprechen sehen.“ Nach einer Induktion gelinge typischerweise bei über 50 % eine R0-Resektion.  

Adjuvante Chemo für Thymome nicht Standard

Wie der Referent dem gegenüberstellte, ist eine adjuvante Chemotherapie kein Standard für Erkrankte mit epithelialen Thymustumoren und „gewiss nicht bei Thymomen.“ Eine Rolle spiele sie möglicherweise für Patient:innen mit fortgeschrittenen Thymuskarzinomen und nach einer R2-Resektion in Kombination mit Bestrahlung.

Auch bei Vorliegen einer inoperablen Erkrankung wendeten Ärzt:innen historisch vor allem das CAP-Regime sowie Carboplatin/Paclitaxel an. Im Mittel erreichen 35-40 % damit ein Ansprechen und ein weiteres Drittel eine Krankheitsstabilisierung. Tendenziell erzielen anthrazyklinhaltige Regime bei Thymomen eine höhere ORR, weshalb Prof. Girard hier das CAP-Regime bevorzugt. Bei Karzinomen scheint dies weniger eindeutig. Darüber hinaus erprobten Forschende erfolgreich antiangiogene Medikationen, u. a. Ramucirumab + Carboplatin/Paclitaxel, gefolgt von einer Erhaltung mit dem Antikörper. Diese Strategie bewirkte bei behandlungsnaiven Thymuskarzinomen oder Thymomen vom Subtyp B3 ein medianes PFS von 18,1 Monaten. In der Erstlinie ausschließlich von Thymuskarzinomen befinden sich zudem Chemoimmuntherapien in der klinischen Prüfung. So führte Atezolizumab in Kombination mit Chemotherapie bei 56,3 % zu einem klinischen Ansprechen. 

Thymome und Karzinome unterschiedlich operieren?

Im Vergleich zu Thymomen verhalten sich Thymuskarzinome aggressiver, erinnerte Prof. Dr. Enrico Ruffini, Universität Turin. Sie werden öfter in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert, haben häufiger bereits Lymphknoten befallen und eine R0-Resektion gelingt seltener.

Die Grundprinzipien der chirurgischen Versorgung unterscheiden sich laut dem Referenten nicht zwischen den beiden Entitäten. Allerdings könne bei Thymuskarzinomen eine Chemotherapie indiziert sein und Betroffene benötigen wegen des Rezidivrisikos eine engmaschigere Nachsorge. Zudem fallen die Überlebenschancen nach der Operation im Stadium IVA gegenüber Thymomen geringer aus, weshalb man Karzinomerkrankte hier besonders sorgfältig auswählen sollte.

Quelle:
Ruffini E. European Lung Cancer Congress 2025; Vortrag „Thymoma and thymic carcinoma: Different surgical management strategies?“

Auch im Rezidivfall zuerst lokale Optionen prüfen

Grundsätzlich gestalte sich das multimodale Behandlungskonzept im Rezidivfall wie bei der Ersterkrankung, erörterte Prof. Girard. Zunächst werden lokale Optionen geprüft. Er ergänzte: „Erst dann rücken wir zur Zweitlinie auf, die Chemotherapien, zum Beispiel mit Carboplatin/Paclitaxel oder Pemetrexed, umfassen kann.“ Viele Betroffene seien verhältnismäßig jung und fit und durchliefen eventuell mehrere systemische Behandlungslinien mit einem PFS von jeweils 6–7 Monaten. 

Neben zytotoxischen Chemotherapien finden auch hier antiangiogene Substanzen Anwendung, wenn der Tumor naiv gegenüber dem Wirkprinzip ist. Für Thymome bevorzugt der Kollege in der Zweitlinie Sunitinib, für Thymuskarzinome Lenvatinib. MTOR-Inhibitoren wie Everolimus eigneten sich wiederum vor allem für wenig chemosensitive Thymome, z. B. vom Subtyp A. Eine Rebiopsie könne unter Umständen auch eine Treibermutation aufdecken, laut einer Präzisionsmedizinstudie sogar in 20–25 % der Fälle. Beispielsweise findet sich bei etwa 10 % der Karzinome eine Mutation in c-KIT, gegen die wirksame Inhibitoren zur Verfügung stehen. 

Checkpointinhibitoren sieht der Referent in dieser Indikation kritisch: „Sie müssen die Immuntherapie bei Thymomen vergessen, da sie gefährlich ist und die Patient:innen umbringen könnte.“ Sie komme nur für Thymuskarzinome und eventuell ausgewählte B3-Tumoren infrage. Die Ansprechrate auf eine Monotherapie mit Pembrolizumab in späten Linien betrage nur 20-25 %, sie halte aber bei einem kleinen Teil der Behandelten lange an. Man müsse bedenken, dass die Tumormutationslast typischerweise niedrig ausfalle und gesundes Thymusgewebe PD-L1 exprimiere, was die Auswahl geeigneter Kandidat:innen erschwere. Selbst wenn man sorgfältig selektiert, erleide noch bis zu ein Fünftel schwerwiegende Toxizitäten.

Dr. Andreas Rimner, Universitätsklinikum Freiburg, diskutierte wiederum die Rolle einer postoperativen Radiotherapie.2 Er mahnte, dass moderne Bestrahlungsverfahren wie IMRT, Protonen- oder Partikeltherapie zum Einsatz kommen sollten, um gesundes Gewebe zu schonen. Einen Stellenwert für die Protonentherapie sieht er besonders für die Gruppe der jungen und fitten Erkrankten sowie bestimmte Lokalisationen des Malignoms: „Bei Tumoren, die sehr inferior liegen, auf dem Level der Koronarien, Herzklappen und des Myokards.“

Radiolog:innen bestrahlen grundsätzlich postoperativ das Tumorbett mit wenigen Millimetern Sicherheitsrand sowie das Areal befallener Lymphknoten. Die übliche Gesamtdosis beträgt 45–60 Gy im adjuvanten Setting und 60–66 Gy im Falle eines verbliebenen Tumorrests. Eine elektive Lymphknotenbestrahlung ist bei Thymusmalignomen nicht etabliert und erhöht laut Dr. Rimner nur die Toxizität. 

Da Daten gemäß der neuen TNM-Klassifikation noch fehlen, sollten Ärzt:innen aus Sicht des Experten zunächst weiter nach dem Masaoka-Koga-Stadium entscheiden. Generell sieht er bei vollständig entfernten Thymomen im MK-Stadium I bisher keinen Stellenwert für eine postoperative RT. Im Stadium II und III belegen retrospektive Analysen hingegen einen eindeutigen Überlebensvorteil für Betroffene nach R0-Resektion. Abschließend wies der Radioonkologe jedoch darauf hin, dass Stadium I der TNM-Klassifikation eine größere Gruppe von Patient:innen umfasst als das entsprechende Stadium der Masaoka-Koga-Klassifikation: „Wenn Sie nun auf dem Pathologiereport TNM Stadium I sehen, bedeutet das nicht automatisch, dass es keinen Bedarf für eine postoperative Radiotherapie gibt.“ Man müsse die Details des Falls betrachten. 

Thymuskarzinome praktisch oft postoperativ bestrahlt

Einen Vorteil bietet die Bestrahlung auch im Falle fortgeschrittener und inkomplett resezierter Thymuskarzinome, der Nutzen nach R0-Resektion und in Frühstadien ist jedoch unklar. In einem Register erhielt allerdings etwa die Hälfte der Erkrankten, unabhängig vom Stadium, eine postoperative Radiotherapie, ohne dass dies immer durch Evidenz gestützt war.

Insgesamt reduziere die postoperative RT die Rezidivrate im Tumorbett nach vollständiger oder unvollständiger Resektion. Für Thymustumoren im Stadium IVA kann die RT auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen, beispielsweise als stereotaktische Bestrahlung, als IMRT der partiellen Pleura oder intensitätsmodulierte Radiotherapie einer gesamten Pleurahemisphäre (IMPRINT). 

Quellen:
1. Girard N. European Lung Cancer Congress 2025; Vortrag „Update on systemic therapy in thymic epithelial tumors“
2. Rimner A. European Lung Cancer Congress 2025; Vortrag „Postoperative radiotherapy in thymic tumors: New indications after the TNM stage classification“

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