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Hausarzthonorar nach EBM BMG spendiert Kinderbonus und extrabudgetäre Vergütung

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Nach dem Begründungstext des BMG soll die Ausübung der ambulanten Kinderheilkunde dauerhaft finanziell attraktiv ausgestaltet werden. Nach dem Begründungstext des BMG soll die Ausübung der ambulanten Kinderheilkunde dauerhaft finanziell attraktiv ausgestaltet werden. © Rawf8 – stock.adobe.com
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Wegen der vielen Atemwegsinfektionen bei Kindern erhalten Praxen vorübergehend zusätzliches Honorar. Im nächsten Schritt soll eine Entbudgetierung bei den Pädiatern und später auch bei den Hausärzten folgen. Wer davon profitieren will, muss bei der Abrechnung umdenken.

Kinder- und Jugendärzte, Allgemeinmediziner, hausärztlich tätige Internisten, HNO-Ärzte, Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen sowie Pneumologen erhalten vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2023 für die Behandlung von Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr mit Atemwegsinfektionen einen Zuschlag (GOP 01110, 65 Punkte) zur Versicherten- bzw. Grundpauschale. Damit soll der Mehraufwand für die besondere Inanspruchnahme in den beiden Quartalen mit 7,32 Euro bzw. 7,47 Euro vergütet werden. 

Zuschlag gibt es nur bei definierten ICD-10-Diagnosen

Die Leistung wird jeweils durch die KV einmal im Behandlungsfall zur altersklassenspezifischen haus­ärztlichen Versichertenpauschale (GOP 03000, 03030, 04000 und 04030) oder zur Grundpauschale des Kapitels 9 (HNO-Heilkunde), des Kapitels 20 (GOP der Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen) und des Abschnitts 13.3.7 (pneumologische GOP) zugesetzt. Die Zahlung ist abhängig von der Angabe bestimmter ICD-10-kodierter Diagnosen.

Nur bei diesen ICD-10-Codes in der Abrechnung wird die GOP 01110 von der KV zugesetzt

ICD 10

Legende

J00-J06

Akute Infektionen der oberen Atemwege

J09-J18

Grippe und Pneumonie

J20-J22

Sonstige akute Infektionen der unteren Atemwege (außer J18.2 Hypostatische Pneumonie, nicht näher bezeichnet)

Quelle: KBV

Der Bewertung liegt zugrunde, wie viele Patienten 4/2021 und 1/2022 mit einer der in der GOP 01110 angeführten Diagnosen behandelt wurden. Eingerechnet wurde ein zu erwartender Anstieg der Patientenzahl in den Quartalen 4/2022 und 1/2023. Das Finanzvolumen bildet also nur einen geschätzten zusätzlichen Behandlungsbedarf ab. Das ungenaue Verfahren wurde gewählt, um das Geld sofort bereitstellen zu können. Außerdem erfolgt bei einem Unterschreiten des tatsächlichen Leistungsbedarfsanstiegs keine Verrechnung mit der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV). Im Gegenzug hat die KBV für 2022 und 2023 auf das Bestimmen des „nicht vorhersehbaren Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs“ (NVA) aufgrund eines überproportionalen Anstiegs von Akuterkrankungen verzichtet.

Das bedeutet: Das „Sonderhonorar“ wird nicht extrabudgetär, sondern als NVA innerhalb der MGV gezahlt. Diese wird einmalig und nicht basiswirksam um 49 Millionen Euro erhöht. Wenn das Geld nicht reicht, wird die Höhe des Zuschlags budgetiert. Die konsequente Diagnosekodierung ist deshalb für die Hausärzte wichtig. Fürs 4. Quartal 2022 ist das nicht mehr möglich. Doch im 1. Quartal 2023 wird es ein „Windhundrennen“ zwischen Haus- und Fachärzten um den Zuschlag geben, wovon nur die Praxen profitieren können, die konsequent und korrekt kodieren.

Das Begrenzen des Zuschusses auf die beiden Quartale begründet das BMG damit, dass im zweiten Schritt eine Entbudgetierung der Honorare im hausärztlichen Bereich erfolgen soll. Für den pädiatrischen Sektor liegt ein Referentenentwurf zur Änderung des SGB V vor, die zum 1. April 2023 in Kraft treten könnte.

KVen sollen die Kassen auf dem Laufenden halten

Der Referentenentwurf sieht vor, dass bei Kinder- und Jugendärzten künftig Mehrleis­tungen, die aufgrund des Verbots der Begrenzung oder Minderung des Honorars nach § 87b Absatz 1 Satz 3, 2. Halbsatz entstehen, von den Krankenkassen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung und damit extrabudgetär zu vergüten sind. Die Vertragsparteien sollen sich auf ein Verfahren verständigen, mit dem die KV die Entwicklung dieser Leistungen und Vergütungen gegenüber den Kassen transparent nachweist.

Nach dem Begründungstext des BMG soll die Ausübung der ambulanten Kinderheilkunde dauerhaft finanziell attraktiv ausgestaltet werden. Deshalb werden die Leistungen der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin von Mengenbegrenzungen in der Honorarverteilung ausgenommen sowie Budgets ausgesetzt. Damit das Verbot der Honorarbegrenzung und -minderung nicht zulasten von anderen Arztgruppen geht, wird in § 87a SGB V ein neuer Absatz 3b eingefügt, der die Krankenkassen verpflichtet, Mehrleis­tungen, die in voller Höhe zu vergüten sind, zu übernehmen. 

Da die genaue Höhe des notwendigen Honorars erst nach dem Abrechnungszeitraum bekannt ist, haben die Kassen eine fehlende Vergütung nachzuzahlen. Eine zu hohe Zahlung für einen nicht abgerufenen Leistungsbedarf können sie von der KV zurückfordern. So sollen nur die tatsächlich erbrachten Leistungen der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin in voller Höhe mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. 

Das heißt: Die Gesetzesänderung sieht vor, dass zunächst alle Leistungen des EBM-Abschnitts IIIa 4.2 (GOP der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin) in Euro, so wie abgerechnet bezahlt werden. Tatsächlich findet dabei aber keine echte Entbudgetierung statt. Denn auch diese Leistungen müssen weiterhin dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V entsprechen. Das bedeutet: Solange es von den KVen gemeinsam mit den Kassen betriebene Prüfgremien gibt, die bei statistischen Abweichungen des einzelnen Arztes von der Fachgruppe Honorarkürzungen vornehmen, kommt das Honorar nicht voll zur Auszahlung.

Hinzu kommt, dass eine Umsetzung auf Basis der momentanen Grundsätze der Honorarverteilung und angesichts der hohen Pauschalierung im EBM kaum zu Honorargewinnen führen kann. Schon jetzt gelingt es den Pädiatern in nahezu allen KVen nur mit Mühe, mit GOP wie der Versicherten- (04000) oder Hausarztpauschale (04040) ihr Regelleistungsvolumen auszuschöpfen. 

Augenmerk richten auf nicht pauschalierte EBM-Leistungen

Ähnlich sieht es bei Leistungen aus, die durch ein qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen budgetiert sind oder die als sog. „freie Leistungen“ vergütet werden. Nur im Zusammenspiel dieser einzelnen Budgets erreicht ein Pädiater heute eine 100-prozentige Auszahlungsquote, ohne dass an dem Anteil, der im Honorarverteilungsmaßstab den Pädiatern zugeteilt ist, ein Defizit entsteht. Nach einer Entbudgetierung muss eine Praxis deshalb – unter Beachtung der Zeitvorgaben – ein besonderes Augenmerk auf die Abrechnung von nicht im EBM pauschalierten Leistungen legen. 

Ausblick: Eine Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich muss zeitgleich mit einer EBM-Reform einhergehen, soll sie ihr Ziel erreichen. Arztnahe Leistungen wie Gespräche unterhalb der 10-Minuten-Grenze, telefonische Beratungen, körperliche Untersuchungen, aber auch das Ruhe-EKG müssen aus der Versichertenpauschale herausgelöst und alle Leistungen neu bewertet werden.

Die Pädiater haben hier den Absprung schon verpasst, da der Referentenentwurf keine EBM-Reform abwarten wird. Die Hausärzte haben diese Chance noch, wenn der Haus­ärzteverband rechtzeitig eine Entbudgetierung von einer EBM-Reform abhängig macht. Das wird beim Verband allerdings einen Spagat erfordern. Denn gleichzeitig wird die Frage auftauchen, was nach einer solchen „entbudgetierenden EBM-Reform“ aus der HzV wird. 

Medical-Tribune-Bericht

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