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Chronisch krank im Sinne der Leistungslegende

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Die KBV plant neue Chronikerpauschalen. Rechts: Hausarzt Dr. Gerd W. Zimmermann.
Die KBV plant neue Chronikerpauschalen. Rechts: Hausarzt Dr. Gerd W. Zimmermann. © Fotolia/vectorfusionart; privat
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Das Problem ist hausgemacht: 2013 akzeptierte die KBV den von den Kassen gewünschten Leistungsinhalt der Chronikerziffern. Seitdem sorgt das für Ärger.

Seit Oktober 2013 gilt die Anforderung, dass es beim Ansetzen der Chronikerziffern 03220 und 03221 sowie 04220 und 04221 EBM in mindestens drei von vier direkt vorangehenden Quartalen zu Arzt-Patienten-Kontakten gekommen sein muss, von denen mindestens zwei unmittelbar erfolgen müssen. Aufgrund dieser Regelung haben die Kassen einige Rückforderungen wegen eines aus ihrer Sicht nicht korrekten Ansatzes der Leistungen geltend gemacht.

Statt vergangener Quartale sollen Diagnosen entscheiden

Bereits Ende 2015 hatte die Vertreterversammlung der KBV den Vorstand beauftragt, sich für die Streichung dieses Vorquartalsbezugs einzusetzen. Stattdessen wurde ein Diagnosebezug vorgeschlagen. Zwölf Monate später wurde die Forderung erneuert und der KBV-Vorstand ermahnt, endlich aktiv zu werden.

Jetzt endlich hat man in Berlin eingesehen, dass die Abrechnungsbedingungen, und an erster Stelle die Vier-Quartals-Regelung, ernsthaft Probleme verursachen: Es seien aufwendige Prüfungen der einzelnen Quartale auf Arzt-Patienten-Kontakte und Praxis-Patienten-Kontakte notwendig und es sei auch zu nicht sachgerechten Ausschlüssen gekommen, weil es zahlreiche Gründe gibt, warum ein chronisch kranker Patient nicht in drei von vier Quartalen in die Arztpraxis kommt – z.B. bei einem längeren Krankenhausaufenthalt, bei guter Einstellung oder bei Vertretung durch eine andere Praxis. So heißt es in einem internen Papier der KBV.

Auszug aus der KBV-Liste der ICD-3-Steller-Kodes, die für GOP 03220 bzw. 0322X geeignet scheinen
ICD-3-Steller-KodesIntensive Behandlung und Betreuung
I10Essenzielle (primäre) Hypertonie
E11Diabetes mellitus, Typ 2
I10Essenzielle (primäre) Hypertonie
E11Diabetes mellitus, Typ 2
I25Chronische ischämische HerzkrankheitJa
J45Asthma bronchiale
J44Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit
I48Vorhofflimmern und VorhofflatternJa
I50HerzinsuffizienzJa
N18Chronische NierenkrankheitJa
E14Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitusJa
I70Atherosklerose
.........
Quelle: KBV
Bei solchen Diagnosen soll es nach dem Willen der KBV künftig einen „Chroniker-Sonderzuschlag“ für die intensive Behandlung und Betreuung von Patienten geben.

Es handele sich bei solchen Patienten aus medizinischer Sicht eindeutig um chronisch Kranke mit erhöhtem Betreuungsaufwand – eine Berechnung der Chronikerpauschalen ist aber eben aufgrund bestehender formaler Bestimmungen nicht möglich. Außerdem sei der Betreuungsaufwand für „Neu-Chroniker“ gerade in den ersten Quartalen am größten, wenn die Pauschale noch nicht ansetzbar ist. Und die Berechnung beim Hausarztwechsel und deren Dokumentation (Zusatzkennzeichen „H“) sei zwar möglich, verursache aber mit den anschließenden Prüfanträgen durch die Kassen einen völlig unnötigen bürokratischen Aufwand.

Auch Zweitkontaktziffer soll endlich vom Tisch

Jetzt scheint es also im Zuge der Honorarverhandlungen für das Jahr 2018 soweit zu sein. Der GKV-Spitzenverband lehnt zwar inhaltliche Beratungen ab, wenn damit die Forderung nach zusätzlichen Finanzmitteln verbunden sei. Mit dem Hinweis auf Beibehaltung der Vier-Quartals-Regelung wurde jedoch grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft angedeutet. Die KBV-Führung will neben der Abschaffung der 4-Quartals-Regelung eine Bindung der Nrn. 03220/04220 an eine Diagnosen-Liste auf Basis von ICD-3-Stellern diskutieren sowie das Ende der Zweitkontaktziffern 03221/04221, die durch einen Zuschlag für die intensive Betreuung und Behandlung von Patienten mit besonderer oder schwerwiegender Erkrankung ersetzt werden sollen. Nach einer Simulationsberechnung – bezogen auf das 3. Quartal 2016 – wäre eine solche eher medizinisch nachvollziehbare und nach dem Willen der Kassen auch kostenneutrale Regelung möglich. In dem betreffenden Quartal gab es insgesamt 42,6 Mio. Behandlungsfälle, in denen eine Versichertenpauschale und keine Ausschlussnummer (gemäß aktueller Nr. 03220 EBM) abgerechnet wurden. Mit der vorgeschlagenen Liste der besonderen und schwerwiegenden Erkrankungen wären aktuell etwa 25 Mio. Behandlungsfälle mit der Nr. 03220 EBM und 10,2 Mio. nach der neuen Leistung zuschlagsberechtigt. Bei einer Punktsummen-neutralen Umsetzung wäre dann unter Beibehalten der Bewertung für die Nr. 03220 (130 Punkte) für die neue EBM-Nr. 0322X eine Bewertung mit 75 Punkten und damit im Vergleich zur bisherigen Nr. 03221 (40 Punkte) sogar eine deutlich höhere möglich. Angesichts dieser Datenlage können sich die Kassen, wenn sie es mit der Förderung der hausärztlichen Versorgung ehrlich meinen, eigentlich nicht entziehen. Sicherheitshalber plant die KBV aber schon den Weg vor‘s Schiedsamt. Nach den Verhandlungen im Bewertungsausschuss im Mai und Anfang Juni soll es ggf. eine Beschlussfassung am 28. Juni im Erweiterten Bewertungsausschuss (Schiedsamt) geben. Ein Inkrafttreten wäre somit zum 1. Oktober möglich. Mal sehen, ob die Kassen das noch verhindern können.
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