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TI-Anbindung: Alles auf eine (Chip-)Karte

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Erstaunlich: Die KBV glaubt, die TI-Anbindung wird bald ganz schnell gehen. Erstaunlich: Die KBV glaubt, die TI-Anbindung wird bald ganz schnell gehen. © iStock/ollo
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Die Krankenkassen übertreffen sich mit Modellen, die KBV findet das gut und Minister Spahn will alles möglichst gestern umgesetzt haben. Die Pläne zur elektronischen Patientenakte und der Versichertenkarte können einem Vertragsarzt die Haare zu Berge stehen lassen!

Losgehen soll die Entwicklung hin zur elektronischen Patientenakte mit dem Medikationsplan: Den müssen wir Ärzte künftig auf die Versichertenkarte übertragen, damit Patienten mit häufig wechselnden Arztkontakten keine Doppel- oder Dreifachmedikation erhalten. Vom Ansatz her kein schlechter Gedanke. Doch die Daten müssen mit den neuen Lesegeräten auf die Chipkarte aufgetragen werden – bisher sind aber nur knapp 30 % der Praxen mit solchen Geräten ausgestattet.

Profitieren könnten von einer solchen Praxis auch Bettlägerige bzw. ältere Patienten, die nur schwer in die Praxis kommen können. Denn sie landen wegen ihrer Multimorbidität häufiger und meist notfallmäßig im Krankenhaus. Aber auch hier scheitert es voraussichtlich bei der Umsetzung. Zum Beispiel weil die Karte nicht in der Praxis vorgelegt wird oder weil sie nicht mit dem Patienten im Krankenhaus landet. Und wenn doch, ist die Karte nach der Entlassung wahrscheinlich verschwunden und muss neu bestückt werden – eine weitere Belastung der Praxen.

Notfalldatenmanagement: der zweite Schritt vorm ersten

Und obwohl kaum eine Praxis bisher auch nur das ab 2019 vorgeschriebene Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) anwenden kann, gibt es schon eine nächste Digitalisierungsstufe: Das Notfalldatenmanagement (NFDM) ist nach der Online-Prüfung der elektronischen Versichertenkarte (eGK) und noch vor dem elektronischen Arztbrief eine weitere Anwendung, die der Gesetzgeber für die Einführung der Telematikinfrastruktur (TI) in den Praxen vorsieht.

Sind sich Arzt und Versicherter einig, dass ein NFDM angelegt werden soll, wird der Datensatz vom Arzt erstellt, elektronisch signiert und auf der eGK gespeichert. Konkret geht es um Diagnosen, Operationen, (Dauer-)Medikation, Allergien/Unverträglichkeiten und Hinweise wie Implantate, Schwangerschaft, Weglaufgefährdung, behandelnde Ärzte und Benachrichtigungskontakte im Notfall.

Ähnlich wie bei den Lesegeräten zum VSDM muss die für das NFDM notwenige Technik erst noch entwickelt werden. Trotzdem gibt es bereits eine Vereinbarung mit den Kassen über die – natürlich pauschale – Entschädigung für die Geräteanschaffung. Und es gibt sogar schon Gebührenordnungspositionen, die seit dem 1. Januar 2018 gelten!

Um das NFDM umsetzen und abrechnen zu können, benötigt die Praxis neben der Anbindung an die Telematik-Infrastruktur ein Konnektor-Modul NFDM, zusätzliche Kartenterminals im Sprechzimmer sowie ein Update im Praxisverwaltungssystem. Da bei den Zusatzterminals auch der Arztausweis mit elektronisch auslesbarer Signatur (eHBA) benötigt wird, dieser aber auch an der Anmeldung beim Einlesen der eGK vorhanden sein muss, sind weitere Exemplare erforderlich, will man nicht ständig mit der eHBA hin und her laufen.

Pauschalen und Zuschläge für Ausstattung und Betrieb

Zur Umsetzung erhalten die Praxen dann eine einmalige Pauschale für die notwendigen technischen Updates für das NFDM in Höhe von 530 Euro, 435 Euro für zusätzliche Terminals je angefangene 625 Betriebsstättenfälle sowie einen weiteren Zuschlag auf die bereits im Rahmen der TI-Erstausstattung gezahlten Betriebskosten in Höhe von 4,50 Euro je Quartal. Die übrigen Pauschalen für die technische Erstausstattung zur Anbindung an die TI und die Finanzierung des laufenden Betriebs bleiben bestehen. Eventuell höhere oder weitere Kosten gehen zulasten der Praxis. Der Aufwand selbst soll mit den neu geschaffenen Gebührenordnungspositionen (siehe Kasten) abgegolten werden.

Die für das Notfallmanagement nötige Technik ist noch nicht getestet – aber die GOP sind schon seit 1. Januar 2018 gültig.
Die neuen GOP für das Notfalldatenmanagement NFDM
EBMLeistungsbeschreibungEuro
01640

Anlage des Notfalldatensatzes

  • Kann nur berechnet werden, wenn auf der eGK noch kein Notfalldatensatz mit medizinisch relevanten Informationen vorhanden ist und notfallrelevante Informationen existieren (Diagnose, Befunde, Medikation u.ä.)
  • Einmal im Krankheitsfall
8,52
01641

Überprüfung und Aktualisierung des Notfalldatensatzes als Zuschlag zur Versichertenpauschale

  • Wird von KV automatisch hinzugefügt.
  • Einmal im Behandlungsfall
0,42
01642

Löschen des Notfalldatensatzes auf Wunsch des Patienten

  • Einmal im Behandlungsfall
0,11

Jetzt haben sich außerdem 14 Krankenkassen (DAK-Gesundheit, IKK classic, pronova BKK, IKK Südwest, IKK Nord u.a.) und einige PKV-Anbieter zusammengetan, um die TI-Anbindung der Praxen zu nutzen, und gemeinsam mit dem IT-Dienstleister Bitmarck und dem Start-up Vivy eine elektronische Gesundheitsakte entwickelt.

Zweierlei: Gesundheits- und Patientenakte

Die TÜV-geprüfte App ist für die Versicherten kostenfrei. Damit könnten künftig rund 13,5 Millionen Versicherte ihre persönlichen Gesundheitsdaten in dieser App verwalten. Integriert sind außerdem Erinnerungsfunktionen, ein Wechselwirkungs-Check und Erläuterungen zu ärztlichen Befunden. Dabei handelt es sich jedoch noch nicht um die neue elektronische Patientenakte, wie sie das E-Health-Gesetz vorsieht. Bei der App geht es um Akten, die Krankenkassen ihren Versicherten nach Paragraf 68 SGB V als Satzungsleistung zugänglich machen können. Auch die Techniker Krankenkasse und die AOKen bieten eAkten in einem Pilotstadium an.

Spahn will die Karten bald einfach wieder austauschen

Kassenunabhängige Anbieter wie die CompuGroup Medical (CGM Life) und vitabook stehen auch bereits in den Startlöchern. Unklar ist bei all dem, wie diese verschiedenen Gesundheitsakten mit der gesetzlich vorgesehenen E-Patientenakte aus dem E-Health-Gesetz zusammengeschaltet werden können. Diese soll bis 2021 vorliegen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scheint im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen einen regen Handlungsdrang zu entwickeln. Da die Nutzung über Tablets und Smartphones zukunftsweisend sei, will er die gerade angeschafften Karten austauschen und gegen Karten mit kontaktlosen Schnittstellen tauschen, die mit mobilen Endgeräten kommunizieren können. Die Pläne sehen den kompletten Austausch aller Gesundheitskarten ab dem 1. Dezember 2019 vor. Das Ministerium geht dabei von Umstellungskosten in Höhe von 50 bis 60 Millionen Euro in den ersten fünf Jahren aus. Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Reaktion der KBV. In einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme zeigt sie sich optimistisch, dass es bei der Anbindung der Praxen an die Telematikinfrastruktur bald ganz schnell gehen wird.
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