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Verweilen beim Patienten erfordert Geduld – lassen Sie sich das wenigstens bezahlen

Kassenabrechnung , Abrechnung und ärztliche Vergütung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Im EBM müssen die 30 Minunten immer voll sein – in der GOÄ nur beim ersten Ansatz.
Im EBM müssen die 30 Minunten immer voll sein – in der GOÄ nur beim ersten Ansatz. © Fotolia/zephyr_p
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Verweilen, Innehalten – das klingt angenehm. Doch für Hausärzte kann es ganz schön unangenehm sein, wenn sie untätig Zeit verstreichen lassen müssen im Interesse ihrer Patienten. Wann lässt sich das Abwarten bezahlen? Und worin unterscheiden sich dabei EBM und GOÄ?

Im hausärztlichen Bereich keine Seltenheit: Man wird aus der Sprechstunde heraus zu einem Patienten mit einem akuten gesundheitlichen Problem gerufen. Gerade im Pflegeheim kann es dann passieren, dass man beim Patienten verweilen muss, entweder um das Eintreffen eines Krankentransports abzuwarten oder um den Wirkungseintritt der Medikamente zu verfolgen.

Im EBM gibt es für diese Leistung die Nr. 01440 (s. Kasten). Das Problem ist, dass in diesen 30 Minuten keine anderen berechnungsfähigen Leistungen erbracht werden dürfen. Wird es zum Beispiel bei einem Patienten notwendig, parenteral Medikamente zu applizieren, kann es zu einer aus Abrechnungssicht schwierigen Situation kommen. Eine i.v. Spritze ist kein Problem, da diese Leistung Bestandteil der Versichertenpauschale ist und deshalb mit keiner Zeitvorgabe im Tagesprofil auftaucht.

Zeit beim Patienten
EBM01440Verweilen außerhalb der Praxis ohne Erbringung weiterer berechnungsfähiger Gebührenord-nungspositionen, wegen der Erkrankung erforderlich, je vollendete 30 Minuten26,21 Euro
GOÄ56Verweilen, ohne Unterbrechung und ohne Erbringung anderer ärztlicher Leistungen – wegen Erkrankung erforderlich, je angefangene halbe Stunde18,89 Euro

Für Hausärzte eine Chance, Infusionen auszusitzen

Anders sieht es bei Infusionen aus. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die gesamte untätige Zeit während einer Infusion mit der jeweiligen Infusionsgebühr (z.B. Nr. 02100 EBM) abgegolten ist. Aber: Infusionen können im EBM von Hausärzten gar nicht berechnet werden, weil die entsprechenden Ziffern (Nrn. 02100, 02101) nicht in der Präambel zu Kapitel 3 (Hausarztkapitel) aufgeführt und damit fachfremd sind. Eine Berechnung wäre allenfalls im Rahmen eines organisierten Notfalldienstes möglich. Dann ist der Ansatz der Nr. 01440 für die Infusionsdauer nicht ausgeschlossen. Muss der Patienten eingewiesen werden und es ist eine Begleitung erforderlich, kommt Ziffer 01416 (9,59 Euro) zum Ansatz. Die Nr. 01440 kann nicht berechnet werden, auch nicht für die Zeit des Rücktransportes des Arztes! Das ist unbefriedigend und verdeutlicht die erheblichen Schwächen des EBM, was eine angemessene Vergütung hausärztlicher Leistungen betrifft. Streng genommen kann sich ein Hausarzt – da kann man abrechnungstechnisch „drehen“, wie man will – eine solche Leistung betriebswirtschaftlich nicht leisten. Die Neigung, dann einen medizinisch vertretbaren Notarzteinsatz zu veranlassen, dürfte so wohl eher gefördert werden. Hausärzte in ländlichen Regionen sind bei einem „dünneren“ Netz an derartigen Einrichtungen wiederum benachteiligt – was die Diskussion um eine angemessene und vor allem regressfreie Vergütung von Hausbesuchen erneut in den Vordergrund rückt. Das Versprechen der KBV mit den Kassen für 2019 eine akzeptable Regelung hierzu zu finden, zeigt bisher noch nicht einmal eine Tendenz. In der GOÄ ist der Einsatz der entsprechenden Position deutlich besser geregelt. Hier kann die Nr. 56 (s. Kasten) berechnet werden. Die Leistung kann im Schwellensatz bis 1,8-fach und damit mit 18,89 Euro in Rechnung gestellt werden. Die erste halbe Stunde muss allerdings tatsächlich vollständig verweilt werden, danach genügt die angefangene halbe Stunde. Ein Verweilen von 31 Minuten berechtigt somit bereits zum zweifachen Ansatz der Leistung. Weitere Besonderheit der Nr. 56 ist, dass die Leistung auch bei Verweilen in der Praxis berechnet werden kann. Und dass zu Unzeiten die Zuschläge nach E bis H und der Kinderzuschlag K2 hinzukommen. Dabei sollte man beachten, dass die neben den Nrn. 1, 3, 4, 5, 6, 7 oder 8 ebenfalls möglichen Unzeitzuschläge A bis D und K1 geringer bewertet sind als die neben den Nrn. 45 bis 62 (und damit auch neben Nr. 56) möglichen o.g. Zuschläge.

In der GOÄ geht nur entweder Infusion oder Verweilen

Da in der GOÄ im Gegensatz zum EBM parenterale Leistungen wie Injektionen oder Infusionen zusätzlich berechnet werden können, kommt hier die Komponente „ohne Erbringung anderer ärztlicher Leistungen“ allerdings zum Tragen. Ein Verweilen kann also während einer Infusion nicht berechnet werden. Bei einer Transportbegleitung durch den Arzt kann die Nr. 55 dagegen zum Ansatz kommen, und zwar im Schwellensatz mit 67,02 Euro. Alternativ ist der Ansatz der Nr. 56 nicht ausgeschlossen. Dauert ein Transport länger als 1,5 Stunden, wäre also der höher bewertete vierfache Ansatz der Nr. 56 möglich. Und ein Tipp zum Dauerbrenner Leichenschau: Ein Rückgriff auf die Verweilziffer Nr. 56 ist auch möglich, wenn der Arzt nach Beendigung seiner ärztlichen Maßnahmen noch bei dem Toten warten muss, z.B. zur (nicht-medizinischen) Beratung der Angehörigen oder auf die herbeigerufene Polizei.
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