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TSVG: Fachärzte profitieren von Neupatienten und offenen Sprechstunden

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Michael Reischmann

Die KV RLP rechnet mit klaren Honorarvorteilen durch Neupatienten und offene Sprechstunden. Die KV RLP rechnet mit klaren Honorarvorteilen durch Neupatienten und offene Sprechstunden. © photocrew – stock.adobe.com
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Mit Gesetzesvorstößen wie der Grippeimpfung beim Apotheker oder dem Teilen des Sicherstellungsauftrags reizt das Bundesgesundheitsministerium die Ärzte zum Widerspruch. Beim TSVG könnte der Ärger über offene Sprechstunden und Terminmeldungen allerdings bald verrauchen.

Der Honorarabschluss ist absolut unbefriedigend“, klagt der KV-Chef in Rheinland-Pfalz, Dr. Peter Heinz. Auf eine Anhebung des Orientierungspunktwerts um 1,52 % im nächsten Jahr haben sich KBV und GKV-Spitzenverband geeinigt. Hoffnung, dass die KV nun auf regionaler Ebene bei den Kassen mehr als die Bundesvorgaben herausholen kann, macht Dr. Heinz nicht: „Der gesetzliche Rahmen ist eng. Wir erfüllen die Rolle von Statisten.“

Auch die Möglichkeit, Honorarverbesserungen durch eine bessere Diagnose-Kodierung zu erreichen, sei ausgereizt. „Die Morbidität hat uns nicht weitergeholfen“, sagte Dr. Heinz mit Bedauern über die Abkoppelung der Gesamtvergütung von der Entwicklung der Grundlohnsumme.

Allerdings: Die Fachärzte im Land sollten sich nicht über die mageren 1,5 % grämen, meint KV-Vize Dr. Andreas Bartels. Denn ihnen winkt eine Honorarverbesserung von teilweise über 10 % – dem Terminservice- und Versorgungsgesetz sei dank. Dr. Bartels verweist auf die Auszahlungsquoten 2018: Augenärzte, Dermatologen, fachärztliche Internisten, Gynäkologen, HNO-Ärzte, Orthopäden, Nervenärzte, Urologen u.a. bekamen ihre Leistungen nur mit 90 % des Orientierungswerts bezahlt. Mit den extrabudgetären Vergütungen bzw. Zuschlägen für neue oder schnell vermittelte Patienten sowie Patienten in der offenen Sprechstunde bewegten sie sich jetzt tatsächlich in Richtung der geforderten Entbudgetierung.

Die Hausärzte profitierten dagegen nur von den zehn Euro Honorar für eine flotte Vermittlung zum Facharzt, da ihr Auszahlungspunktwert bereits über dem Orientierungswert liegt.

Kontrollmaßnahmen auf niedrigem Niveau

Dr. Bartels wies darauf hin, dass sich die Fachärzte – unter Abwägung des Honorars – überlegen können, wie sie einen Fall auf dem Abrechnungsschein kennzeichnen: Viele Patienten in der offenen Sprechstunde werden neue Patienten sein. Bei der offenen Sprechstunde gibt es allerdings ein Limit: Die extrabugdetäre Vergütung endet bei 17,5 % der Arztgruppenfälle* einer Praxis, während es bei Neupatienten keine Grenze gibt.

Dabei können die Anteile von Neupatienten (neu = Rückkehr nach über zwei Jahren) zum Teil recht hoch sein. Nach einer Modellrechnung auf Basis des vierten Quartals 2018 ergeben sich z.B. 48 % bei HNO-Ärzten, 43 % bei Orthopäden und fachärztlichen Internisten. 42 % bei Augen­ärzten und Dermatologen sowie 32 % bei Urologen.

Vieles im Bundesmantelvertrag ist laut Dr. Bartels „weich“ formuliert. Bei der Organisation der offenen Sprechstunde seien die Ärzte sehr flexibel. „Sie können auch jede Stunde zehn Minuten offene Sprechstunde machen“, so der KV-Vize. Wichtig sei nur, dass diese Sprechzeiten (z.B. im Online-Arztfinder der KV) veröffentlicht werden. Er versprach: „Wir werden alle Kontrollmaßnahmen auf niedrigem Niveau lassen.“

Das gelte auch für den „Hausarzt-Vermittlungsfall“: Eine Praxis wird „auffällig“, wenn der Anteil der im Quartal dringend zu Fachärzten vermittelten Fälle bei über 15 % liegt

Die Alternative zum Vermitteln für zehn Euro Honorar ist der Verweis des Patienten an die Terminservicestelle (TSS) der KV. Die erhält bislang monatlich 10 000 bis 14 000 Anrufe. Im zweiten Quartal 2019 vermittelte sie 3027 Fälle zu niedergelassenen Psychotherapeuten (40 %), fachärztlichen Internisten (21 %), Neurologen und Psychiatern (24 %) etc. 45 Patienten mussten an ein Krankenhaus verwiesen werden. Gegenüber ihres Mainzer Verwaltungsgebäudes hat die KV bereits Räume angemietet und Rechner installiert, um die TSS ab Januar als „Dispositionszentrale“ zu betreiben. Diese kümmert sich dann rund um die Uhr auch um „Notfall“-Anrufe (Tel. 116 117). Personal wird eingestellt, berichtet Dr. Heinz.

MFA arbeitet lieber für die KV als in der Praxis

Sofern dies Medizinische Fachangestellte (MFA) sind, trage die KV damit zur Verschärfung des Fachkräftemangels bei, kritisierte eine Abgeordnete der Vertreteterversammlung, die selbst erst eine Bewerberin an die KV verloren hat. Dr. Heinz gab zu, dass die KV etliche ehemalige MFA beschäftigt; der Vorstand möchte allerdings bei den Gehältern keinen Anreiz für Praxisabwanderungen bieten.

TI: Wer sanktioniert wird

Vertragsärzte und -psychotherapeuten in Rheinland-Pfalz, die im dritten Quartal 2019 am Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) teilgenommen haben, müssen keine Honorarkürzung für die Quartale 1 bis 3/19 befürchten, teilt KV-Vorstandmitglied Peter Andreas Staub mit. Ab dem vierten Quartal ist bei jeder erstmaligen Inanspruchnahme die eGK online zu prüfen; auf jeden Fall ist eine VDSM-Mindestquote von 50 % einzuhalten. Von den 4595 Praxen mit Anbindungspflicht an die Telematik-Infrastruktur (TI) waren bis Ende des zweiten Quartals gut 70 % angeschlossen. 644 Praxen – vor allem von Psychotherapeuten – haben keine TI-Komponenten bestellt. Sie trifft die einprozentige Honorarkürzung ab dem Quartal 1/19. 170 Praxen haben dagegen Widerspruch eingelegt. Staub verwies auf ein Urteil des Sozialgerichts München vom 22. März 2019. Das habe keine rechtlichen Bedenken, etwa beim Datenschutz, gegen die verpflichtende TI-Anbindung geäußert. Und eine Vollkostenerstattung sei nicht garantiert.

Kritik übte der KV-Vorstand an einigen Gesetzesideen des Bundesgesundheitsministeriums. Es werde viel Energie für Dinge verbraucht, die dann doch nicht kommen, klagte Dr. Heinz. Ein Beispiel: die Übertragung des Sicherstellungsauftrags für die sprechstundenfreien Zeiten auf die Bundesländer. Die wollen das gar nicht, erklärte Dr. Heinz. Die politische Absicht, Integrierte Notfallzentren zu errichten, würde in Rheinland-Pfalz auf sieben bis acht Zentren an Krankenhäusern der Maximalversorgung hinauslaufen – „die eigentlich nicht wirtschaftlich zu führen sind“, wie der KV-Chef meint. Als Beleg dient ihm die Allgemeinärztliche Praxis am Campus des Uniklinikums Mainz. Dort betreibt die KV von morgens bis abends mit angestellten Hausärzten und MFA ein Modellprojekt. Behandelt werden rund 17 Patienten am Tag – so viele wie ein Allgemeinarzt in zwei Stunden schafft, sagte Dr. Heinz. Dennoch spreche die Uniklinik von einer „Riesen-Entlastung“. Erklären kann sich der KV-Vorsitzende das nur damit, dass die Kliniken ansonsten „für jeden Patienten zwei Stunden brauchen, bis er durch alles durchgenudelt ist, was sie haben“.

* Arztgruppenfall = die ambulante Behandlung eines bei ein und derselben Krankenkasse versicherten Patienten in einer Praxis durch dieselbe Arztgruppe im Quartal

Vertreterversammlung der KV RLP

Dr. Peter Heinz, Vorsitzender der 
KV Rheinland-Pfalz
Dr. Peter Heinz, Vorsitzender der KV Rheinland-Pfalz © KV RLP
Dr. Andreas Bartels, Stellv. Vorsitzender der 
KV Rheinland-Pfalz Dr. Andreas Bartels, Stellv. Vorsitzender der KV Rheinland-Pfalz © KV RLP
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