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Jetzt kommt die Zwangsdigitalisierung!

e-Health , Telemedizin Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Verlieren wir Vertragsärzte ab Mitte 2018 einen Teil unseres Honorars als Strafe? Verlieren wir Vertragsärzte ab Mitte 2018 einen Teil unseres Honorars als Strafe? © fotolia/Robert Kneschke
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Gemäß E-Health-Gesetz werden Praxen, Kliniken, Apotheken etc. per Telematikinfrastruktur (TI) für Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und der Telemedizin miteinander vernetzt. Wer ab Juli 2018 bei dem "Big Brother-System" nicht mitmacht, verliert ein Prozent seines Honorars als Bußgeld.

Seit 2011 sind alle Praxen mit eGK-fähigen Kartenterminals ausgestattet. Solche Lesegeräte ermöglichen auch einen Datenabgleich. Das haben wir hingenommen, denn die Geräte wurden von den Kassen bezahlt. Sie stellen nun aber gewissermaßen den "schlummernden Trojaner" in unseren Praxen dar, denn sie können durch Updates um zusätzliche Funktionen erweitert werden.

Das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) ist die erste Online-Anwendung, die auf dieser Grundlage Mitte 2018 eingeführt werden soll. Bei der Aktualisierung der Daten wird online zwischen Praxis und Krankenkasse des Patienten geprüft, ob die eGK gültig ist und Name, Adresse, Versichertenstatus usw. aktuell sind. Wir werden also mit einer Aufgabe belastet, die eigentlich von den Kassen erledigt werden müsste.

Die Überprüfung der Stammdaten auf der eGK soll beim ersten Patientenbesuch im Quartal erfolgen. Die Aktualisierung erfolgt automatisch, wenn die Karte eingelesen wird. Das kann jedoch erst passieren, wenn die Praxen an die TI angebunden sind. Damit wird in diesem Jahr begonnen.

Blockiert der Datenabgleich zu Quartalsbeginn die MFA?

Ab dem 1. Juli 2018 sind alle Ärzte und Psychotherapeuten gesetzlich verpflichtet, die Versichertendaten auf der eGK online zu prüfen und zu aktualisieren. Dieser Vorgang wird vermutlich Leerlauf in den Praxen erzeugen. Wer seine Rechnungen im Restaurant oder am Parkautomaten per Kreditkarte bezahlt, kann abschätzen, welches Zeitvolumen ein solcher Datenabgleich am Quartal- oder Wochenanfang in Anspruch nimmt, wenn zehn oder 20 Patienten an der Anmeldung stehen und nur ein Wiederholungsrezept oder eine Überweisung haben wollen. Wer eine Praxis auf dem Land führt, sollte bedenken, dass die Abgleichzeit auch von der regionalen Geschwindigkeit des Datennetzes abhängt.

Erstattung für Konnektor und Terminal

Bis Mitte Mai wollen KBV und GKV-Spitzenverband ihre Eckpunkte zur Anbindung der Praxen an die sektorenübergreifende Telematikinfrastruktur ausformulieren. Mit Gültigkeit ab dem 1. Juli 2017 wurde zur Finanzierung der Kosten für die Erstausstattung und den laufenden Betrieb Folgendes vereinbart:
  • Erstattungsbetrag für die einmalige Anschaffung eines Konnektors (mit Funktion für qualifizierte elektronische Signatur): 2620 Euro. Dieser Betrag gilt nur für das dritte Quartal 2017. In den drei Folgequartalen (IV/17 bis II/18) sinkt er um jeweils 10 %. Ausschlaggebend ist der Zeitpunkt der Installation in der Arztpraxis.
  • Erstattungsbetrag stationäres Kartenterminal: 435 Euro
  • Erstattungsbetrag mobiles Kartenterminal: 350 Euro
  • Einmalige Startpauschale: 900 Euro
  • (noch zu definierende) Beträge für den laufenden Betrieb
Je nach Preisentwicklung der Komponenten wollen KBV und GKV-Verband über Anpassungen verhandeln. Für hastige Bestellungen sieht KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel keinen Anlass. Allerdings sollten die Praxisinhaber beachten, dass bis Ende des zweiten Quartals 2018 rund 150 000 Arzt- und Zahnarztpraxen ausgerüstet sein müssen. Die Gematik hat eine österreichische Firma beauftragt, einen weiteren Konnektor zu entwickeln. Der soll ab dem ersten Quartal 2018 verfügbar sein und zur "Marktvielfalt" beitragen.

Quelle: Michael Reischmann

Für die Online-Anbindung braucht die Praxis einen sog. Konnektor. Solche Geräte werden nach erfolgreicher Erprobung wahrscheinlich Mitte 2017 verfügbar und dann – wie bei neuen elektronischen Geräten üblich – ziemlich teuer sein. Damit alles funktioniert, braucht man zusätzlich eine Praxiskarte (SMC-B), die man bei einem sog. Trustcenter erhält, sobald ein Anschluss an die TI möglich ist.

Das alles muss in etwas mehr als einem Jahr stehen. Wenn ein Praxisinhaber der Verpflichtung zum VSDM nicht nachkommt, droht ihm ab Juli 2018 eine Kürzung der Vergütung um ein Prozent und zwar so lange, bis das VSDM in der Praxis läuft.

Auch die Praxissoftware muss angepasst werden, was zusätzlich Geld kostet. Wir alle wissen, was uns die Einführung des Medikationsplanes gekostet hat, für den wir mit einem Honorar von einem Euro bei chronisch Kranken abgespeist werden.

Weitere Pflichttermine zum Medikationsplan

Übrigens: Nach den gesetzlichen Vorgaben soll dieser Medikationsplan ab Januar 2018 auf der eGK gespeichert werden können. Die Anfertigung und Abgabe des Plans ist zwar weiterhin nur auf Verlangen des Patienten notwendig. Ab Januar 2019 müssen aber alle Vertragsärzte und Apotheker in der Lage sein, einen mittels eGK gespeicherten Medikationsplan zu aktualisieren.

Digitale Vordrucke, Notfalldaten, Patientenfach

An dem ganzen Projekt hängt ein Rattenschwanz an Neuerungen. Zum Teil sind diese bereits eingeführt, aber nicht mit kostendeckendem Honorar bedacht worden, etwa die Video­sprechstunde und der elektronische Arztbrief. Geprüft wird noch die Einführung digitalisierter Vordrucke und deren Onlineübermittlung, die Anlage und Pflege eines Notfalldatensatzes auf der eGK sowie eine elektronische Patientenakte und ein elektronisches Patientenfach, wo Versicherte z.B. selbst gemessene Blutzucker- oder Blutdruckwerte speichern und Daten außerhalb der Arztpraxis online einsehen können.

Man muss kein Prophet sein, um zu mutmaßen, ab wann es online möglich sein wird, die Abrechnungsdaten der Praxen, etwa nach Zeitprofilen, zu überprüfen. Wer als Hausärztin oder Hausarzt die Altersgrenze erreicht oder überschritten hat, überlegt vielleicht schon, ob er sich das noch antun will oder ob es die Möglichkeit gibt, die Praxis bis Mitte 2018 abzugeben.

Und dann sind da noch die Kassen im Spiel: Sie sind zwar gesetzlich verpflichtet, die Kosten für die Erstausstattung der Praxen und den laufenden Betrieb der TI-Anbindung voll zu übernehmen. Sie wollen aber nicht durchgehend die voraussichtlichen Kosten für einen Konnektor übernehmen, wie er schon 2017 verfügbar sein soll; sie spekulieren auf den möglichen Preis eines Modells, das frühestens 2018 zur Verfügung stehen könnte (zu den Erstattungs-Eckpunkten von KBV und GKV-Spitzenverband sie­he Kasten). Was jedenfalls nicht passieren darf, ist, dass wir Ärzte uns in Zeitnot bringen lassen und dann ggf. bei der Umrüs­tung draufzahlen, um das Strafgeld ab Mitte 2018 zu vermeiden. Quelle: Medical-Tribune-Bericht 
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