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Den Schritt zurück in den Arztberuf wagen

Niederlassung und Kooperation Autor: Petra Spielberg

Fast alle können heute wieder beruflich Fuß fassen. Fast alle können heute wieder beruflich Fuß fassen. © deagreez, shockfactor.de – stock.adobe.com
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Wenn Ärztinnen und Ärzte nach einer längeren Auszeit wieder praktisch tätig werden wollen, ist die Unsicherheit oft groß, wie dies gelingen kann. Refresherkurse und Mentoring-Programme sowie flexiblere Weiterbildungsmöglichkeiten erleichtern die Rückkehr.

Die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist noch immer einer der Hauptgründe, warum vor allem Frauen eine berufliche Auszeit nehmen“, erklärt Dr. Nicola ­Buhlinger-Göpfarth, Vorsitzende des Ausschusses Ärztinnen der Bezirksärztekammer Nordbaden. Aber auch Umzüge oder Auslandsaufenthalte bedingten mitunter eine Auszeit. Für diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die irgendwann gerne wieder in ihrem Beruf arbeiten möchten, bietet die Landesärztekammer Baden-Württemberg unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Buhlinger-Göpfarth daher ein Fortbildungsseminar „Wiedereinstieg in den Arztberuf“ an.

Zu den Teilnehmerinnen eines solchen Kurses gehört auch ­Miriam Merkle. Die 38-Jährige wollte ursprünglich Orthopädin und Unfallchirurgin werden. Vier Jahre Weiterbildung hatte sie hierfür schon absolviert. Doch dann bekam sie zwei Kinder. Nach einer vierjährigen Auszeit wollte sie zwar gerne wieder zurück in den Beruf, aber nicht mehr unbedingt zurück ins Krankenhaus.

„Mich reizte ein Wechsel in die Allgemeinmedizin und so habe ich mich um eine Stelle beworben“, sagt Merkle. Parallel zu ihren eigenen Bemühungen, wieder beruflich Fuß zu fassen, erfuhr sie vom Fortbildungsseminar der Kammer. „Das kam mir sehr gelegen, um im Vorfeld meiner Anfang April beginnenden Weiterbildung meine Kenntnisse in Allgemeinmedizin und anderen Basisfächern aufzufrischen“, so Merkle.

Wieder medizinische Verantwortung übernehmen

Ziel des Kurses ist aber nicht nur, Ärzte bei ihrer Rückkehr in den Beruf fachlich zu unterstützen, sondern auch, sie zu ermutigen, ihr erworbenes Know-how und ihre praktischen Erfahrungen wieder im medizinischen Alltag einzubringen. Denn viele trauten sich nach einer längeren Pause nicht mehr ohne Weiteres zu, Verantwortung in der Medizin zu übernehmen, so Dr. Buhlinger-Göpfarth. „Um Wissenslücken zu schließen, vermitteln unsere Fachreferentinnen und -referenten sowohl die medizinischen Neuerungen der letzten zehn Jahre als auch Themen mit ganz aktuellem Bezug.“

Dabei werde vorrangig allgemeinmedizinisches und internistisches Wissen rekapituliert. Aber auch Fächer wie die Pädiatrie, Dermatologie, Allgemeinchirurgie oder Gynäkologie ständen auf dem Stundenplan. Merkle empfand es zum Beispiel als extrem hilfreich, ihr Wissen im Hinblick auf ihre künftige allgemeinmedizinische Tätigkeit in Fächern wie der Dermatologie und der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde auffrischen zu können.

Von den insgesamt rund 30 Teilnehmerinnen war sie gleichwohl die jüngste und auch diejenige mit der kürzesten Auszeit. „Viele waren bereits 20 bis 25 Jahre aus dem Job raus“, berichtet die 38-Jährige.

Erstattung und finanzielle Unterstützung oft möglich

Der Altersdurchschnitt bei den Refresherkursen liegt Dr. Buhlinger-Göpfarth zufolge bei 40 bis 50 Jahren. Oft sind es zudem alleinerziehende Mütter mit zwei bis drei Kindern. An den Veranstaltungen können Ärztinnen und Ärzte aus dem gesamten Bundesgebiet teilnehmen. Neben der fachlichen Wissensvermittlung bieten die Veranstaltungen eine gute Gelegenheit zur Vernetzung und zum kollegialen Austausch. Dr. Buhlinger-Göpfert empfiehlt zudem, eine Hospitation in Klinik oder Praxis zu machen.

„Auch schadet es nicht, während des berufsfreien Intervalls, sofern möglich, an ärztlichen Kongressen teilzunehmen, um den Anschluss an den medizinischen Fortschritt zu behalten“, so die Allgemeinärztin. Ähnlich aufgebaute, zertifizierte Kurse mit der Möglichkeit, CME-Punkte zu sammeln, gibt es auch in anderen Kammerbezirken, wie Rheinland-Pfalz, Westfalen-Lippe, Bayern und Berlin. Teilnehmern, die nach Abschluss der Seminare innerhalb einer bestimmten Frist in der vertragsärztlichen Versorgung tätig werden, erstatten die KVen in der Regel auf Antrag die Seminarkosten. Finanzielle Unterstützung leistet z.B. auch die Hartmannbund-Stiftung „Ärzte helfen Ärzten“ für Teilnehmer der Wiedereinstiegskurse der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin.

Ferner gibt es Mentoring-Programme, bei denen berufserfahrene Kollegen wiedereinstiegswillige Ärzte über einen längeren Zeitraum fachlich und beratend begleiten, wie das der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Auch der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) bietet über sein Mentorinnen-Netzwerk Unterstützung bei der Rückkehr in den Job an.

Anders als früher werde es Ärzten inzwischen leichter gemacht, wieder in den Beruf einzusteigen, nicht zuletzt aufgrund Veränderungen in der Musterweiterbildungsordnung (MWBO), meint Dr. Christiane Groß, Präsidentin des DÄB. „Die Möglichkeit, eine Weiterbildung auch in Teilzeit zu absolvieren, eröffnet auf jeden Fall bessere Chancen für einen beruflichen Wiedereinstieg.“

Höhere Erfolgsquoten als früher

Vor dem Hintergrund des Ärztemangels, vor allem in Fachgebieten wie der Allgemein- und der Inneren Medizin, aber auch der Chirurgie, Psych­iatrie und Psychosomatik, hält Dr. Groß dies auch für dringend geboten. „Viele Krankenhäuser müssen hier allerdings noch umdenken und Arbeitsabläufe und Arbeitszeiten deutlich flexibler gestalten und zum Beispiel auch Möglichkeiten zur Kinderbetreuung zu unüblichen Zeiten, beispielsweise während der Nachtdienste, anbieten“, mahnt die Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie.

Auch Dr. Buhlinger-Göpfarth begrüßt die größere Flexibilität, die die neue MWBO Wiedereinsteigern durch Teilzeitstellen und die Weiterbildungsmöglichkeiten im ambulanten Bereich böte. Dies sowie die intensive Unterstützung bei der Rückkehr in den Beruf führten inzwischen zu deutlich höheren Erfolgsquoten beim Wiedereinstieg als früher. „Während beispielsweise 1993 nur rund 30 % aller Teilnehmer unserer Kurse wieder beruflich Fuß fassen konnten, sind es heute in der Regel 100 %“, so die Allgemeinärztin.

Medical-Tribune-Bericht

Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vorsitzende des Ausschusses Ärztinnen der Bezirksärztekammer Nordbaden Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Vorsitzende des Ausschusses Ärztinnen der Bezirksärztekammer Nordbaden © Landesärztekammer Baden-Württemberg
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