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Ärztliche Weiterbildung „Die heutige Generation ist cleverer als wir“

Niederlassung und Kooperation Autor: Cornelia Kolbeck

Eine Zunahme der Teilzeittätigkeit und die vermehrte Ambulantisierung in der Medizin machen eine angepasste Weiterbildung erforderlich. Eine Zunahme der Teilzeittätigkeit und die vermehrte Ambulantisierung in der Medizin machen eine angepasste Weiterbildung erforderlich. © Coloures-Pic – stock.adobe.com
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Weiterbildungsstellen zu finden, ist schon seit Jahren für viele junge Mediziner ein Kraftakt. Es dürfte noch schwieriger werden, wenn Krankenhäuser sich weiter in Richtung ambulante Versorgung öffnen. Der Marburger Bund schlägt deshalb u.a. den Einsatz von unabhängigen Weiterbildungsbeauftragten vor und eine Moderation der gesamten Weiterbildungszeit „aus einem Guss“.

Der Marburger Bund (MB) hat nach 2017 ein zweites Mal in einem Positionspapier notwendige Veränderungen in der ärztlichen Weiterbildung beschrieben. Prof. Dr. Henrik Herrmann, Mitglied des MB-Bundesvorstandes und Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, begründet das mit veränderten politischen Rahmenbedingungen und der Unzufriedenheit junger Ärzte, wie sie sich u.a. im MB-Monitor zur Weiterbildung 2021 widerspiegelt. Wegen Personalmangels in den Einrichtungen fehle oftmals Zeit und Raum für die Weiterbildung. Auch Regelungen in Rotationsplänen, unzureichende Verbindlichkeit in der Weiterbildung sowie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf frustrierten derzeit die Weiterbildungswilligen. 

Zunahme an Teilzeit und vermehrte Ambulantisierung

Auch die Zunahme der Teilzeittätigkeit und die vermehrte Ambulantisierung in der Medizin erfordern eine angepasste Weiterbildung. Die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich habe in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen, sagt Prof. Herrmann. Es sei die am größten wachsende ärztliche Berufsgruppe mit einer Verdopplung der Zahlen von 23.000 auf über 46.000 in den letzten zehn Jahren. MB-Vorstandsmitglied Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, verweist auf die gleichzeitige Zunahme der Teilzeitarbeit. Mittlerweile arbeiteten 30 % der sich in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte im Land in Teilzeit. Und das wären nicht allein die Ärztinnen, die sich allein um Familienplanung kümmerten, es seien auch Single-Ärzte. „Ja, vielleicht ist die Generation auch, was das angeht, ich will das mal so sagen, nicht anspruchsvoller, sondern cleverer als wir. Sie fordern einfach ein, was sie brauchen, während wir es  einfach ausgehalten haben.“

Auch Veränderungen im Krankenhausbereich hinterlassen Spuren. Der MB rechnet damit, dass perspektivisch mehr Zeiten in der Weiterbildung im ambulanten Bereich abzuleisten sein werden, weil sie stationär einfach nicht mehr erbracht werden können, auch nicht von Maximal- oder auch gerade nicht von Maximalversorgungskrankenhäusern. „Und wir sehen klar diesen Trend und befürworten ihn“, betont Prof. Herrmann. „Die Weiterbildungsordnung hat das ja auch schon geöffnet, indem jetzt nicht mehr Maximalzeiten für die ambulante Weiterbildung festgelegt sind, sondern allenthalben Minimalzeiten für die stationäre Weiterbildung.“ Es gebe auch viele Facharzt-Weiterbildungen, wo das überhaupt nicht definiert worden sei, wo man auch nur im ambulanten Bereich Kompetenzen erwerben könne. 

Es ist aus Sicht des MB dringend erforderlich, die Weiterbildung im stationären und ambulanten Bereich gleich zu behandeln. Das betrifft auch die Vergütung der ärztlichen Tätigkeit. Im Krankenhaus regelt das der Tarifvertrag bzw. ein tarifliches Gehalt. Im niedergelassenen Bereich sei das ein bisschen schwieriger, aber „gebraucht werden tarifliche Mindestbedingungen auch im ambulanten Sektor“, sagt Dr. Gehle. Doch es gehe auch um Freistellung zur Fortbildung, die Möglichkeiten der Rotationen zwischen Praxen und Kliniken oder zwischen Praxen und Praxen. „All das braucht ja einen rechtlichen Rahmen, der muss absolut klar sein.“ 

Das Förderprogramm für Allgemeinmedizin und auch einiger grundständiger Fachärzte habe die halbe Milliarde überstiegen 2023, hälftig von der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kostenträgern getragen, erklärt Prof. Herrmann zu den zu erwartenden Kosten. „Wenn man das jetzt auf weitere Facharzt­entitäten in der ambulanten Weiterbildung erweitern würde, käme man wahrscheinlich so auf insgesamt 1,5 bis 2 Milliarden – nur für die ärztliche Tätigkeit.“ Die „Train-the-Trainer“-Seminare seien schon mit enthalten. Was dagegen die Finanzierung des Aufwands für die ärztliche Weiterbildung betreffe, sei es schwierig, diese anzugeben. In der Schweiz werde jeder Weiterzubildende pro Jahr mit 15.000 Franken unterstützt. Jede Woche fänden Feedbackgespräche statt und es gebe ein Stundenkontingent, damit die Weiterbildung reflektiert und begleitet werden könne von den Weiterbildungsbefugten oder von Fachärztinnen und Fachärzten. 

„Wenn man das auf Deutschland mit ungefähr 85.000 Weiterzubildenden hochrechnen würde, dann käme man auch auf ungefähr 1 bis 1,5 Milliarden Euro“, rechnet Prof. Herrmann vor. „Wir wollen nicht damit sagen, dass wir das hier genauso haben wollen“, es zeige aber eine gewisse Größenordnung, was in anderen Ländern in die Unterstützung der Weiterbildung hineinfließe. Der MB fordert zur Finanzierung:

  • Zusätzliche Kosten der ärztlichen Weiterbildung, wie sie im Aufwand der Weiterbildung als solcher durch z.B. Simulationstrainings und Skills Labs sowie des Weiterbildungsbefugten zum Ausdruck kommen, und Aufwände durch Hospitationen und Rotationen müssen durch eine separate, extrabudgetäre Finanzierung aus Steuermitteln ausgeglichen werden. 
  • Zur Verbesserung der Qualität der Versorgung bedarf es einer Strukturierung der Weiterbildung mit Zeitkontingenten zur Anleitung durch die Weiterbildungsbefugten im ärztlichen Alltag.

Zukünftig sollte es laut MB auch Weiterbildungsverbünde geben, um Weiterbildung in vielen einzelnen Häusern „aus einem Guss“ anbieten zu können. Laut Prof. Herrmann wäre auch ein Gesamtkonzept über eine Weiterbildungszeit von vier, fünf und jetzt auch noch sechs Jahren gut, bei dem „man sagt, du bist mal ein halbes Jahr in einer Praxis, um da was zu lernen, du bist ein Jahr in dem Krankenhaus, eventuell noch zwei, drei Jahre in einem anderen Krankenhaus“. 

Laut Dr. Gehle könnte ein Weiterbildungsbeauftragter als eine Art Mentor für Feedbackgespräche und für organisatorische Dinge zur Verfügung stehen. Gebraucht werde einer, der eingreife, der die Weiterbildung innerhalb einer Einrichtung moderiere, der Kliniken ggf. auch an ihre Pflichten erinnere: „Wichtig für uns wäre, dass das nicht der Untergebene der Klinik ist, da darf keine Weisungsbefugnis vorliegen.“ Die einzige Befugnis sei die von der Kammer übertragene. Weiterbildungsbeauftragte ersetzten nicht die Weiterbildungsbefugten mit ihren hoheitlichen Aufgaben der Kammern. Sie hätten eine Mittlerrolle zwischen den Weiterzubildenden und den Weiterbildungsbefugten

Quelle: Pressegespräch MB-Bundesvorstand

MB-Erhebungen zeigen, dass Personalmangel in den Einrichtungen junge Kollegen in der Weiterbildung behindert. MB-Erhebungen zeigen, dass Personalmangel in den Einrichtungen junge Kollegen in der Weiterbildung behindert. © MB-Monitor 2022; MT-Grafik
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