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Gesundheitskioske Doppelter Nutzen oder neue Doppelstruktur?

Niederlassung und Kooperation Autor: Angela Monecke

In den Kiosken sollen Pflegefachkräfte Routineaufgaben übernehmen, die von Ärzt:innen veranlasst wurden. In den Kiosken sollen Pflegefachkräfte Routineaufgaben übernehmen, die von Ärzt:innen veranlasst wurden. © Racle Fotodesign – stock.adobe.com
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Sie schaffen niederschwellige Beratungsangebote in sozial benachteiligten Gebieten, sagen Befürworter. Sie bauen neue Parallelstrukturen auf, statt die Gesundheitsversorgung zu stärken, sagen Kritiker. Bei den Gesundheitskiosken klaffen die Meinungen weit auseinander.

Bei Ärzten lösen die 1000 geplanten Gesundheitskioske weiter Skepsis aus: Läuten diese einen schleichenden Systemwechsel ein, der ärztliche Leistungen substituiert und den Sicherstellungsauftrag aushöhlt? Auch die Apotheker tun sich mit den Kiosken schwer und befürchten, dass dabei Geld verbrannt wird, das bestehende Strukturen benötigen.

„Niemand muss Sorge um den Aufbau einer Parallelstruktur zum bestehenden Versorgungssystem haben“, erwidert die Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Sabine Dittmar (SPD). Die neuen Einrichtungen sollten Ärzteschaft und Apotheken „entlas­ten, ihre Arbeit aber nicht ersetzen.“ Doppelstrukturen in der Primärversorgung seien „nicht vorgesehen“. Die Zielsetzung bei den Gesundheitskiosken wird im Allgemeinen durchaus begrüßt, erforderlich ist allerdings eine Kooperation der Player. Es geht um niederschwellige Beratung in sozial benachteiligten Regionen und Stadtteilen für Menschen, die gesundheitliche und soziale Unterstützung brauchen – dies in vielen Fällen mehrsprachig. In den Kiosken sollen Pflegefachkräfte Routineaufgaben übernehmen, die von Ärzten veranlasst wurden, z.B. Blutdruck  oder Blutzucker messen, Verbände wechseln oder Spritzen geben.  

Wo soll das Personal für die 1000 Kioske herkommen?

Die Kioske sollen eng mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst zusammenarbeiten und ihre Angebote mit bestehenden Beratungsleistungen, etwa im Pflegebereich, verknüpfen. „Die Bildung eines sektorenübergreifenden Netzwerks ist Bestandteil der Kioske“, sagt Dittmar. Einzelheiten zu deren Ausgestaltung sei Sache der Akteure vor Ort. Sie wüssten am besten, welche konkreten Aufgaben für den jeweiligen Kiosk anfielen. So richte sich z.B. der Einsatz von Dolmetschern nach dem regionalen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Bundesregierung sieht einen bundesweiten Bedarf für 1000 Kioske, die in den kommenden Jahren aufzubauen sind. Seit August 2022 liegen Eckpunkte zur Einführung vor. Der Entwurf für ein Versorgungsgesetz, das die Rahmenbedingungen regelt, steht noch aus. 

Das Gesundheitssystem dürfe nicht noch „um eine weitere Säule“ erweitert werden, warnt der Bundesvorsitzende des Haus­ärzteverbandes, Dr. Markus Beier. Das größte Problem im Gesundheitssektor sei doch derzeit, Fachpersonal zu finden. „Wo soll für 1000 Gesundheitskioske das Personal herkommen, ohne dass man sich wechselseitig kannibalisiert?“

Die Kassen wiederum kritisieren die geplante Finanzierung. Die Kos­ten sollen zu 74,5 % von der GKV getragen werden, zu 5,5 % von der PKV und zu 20 % von den Kommunen. Pro Kiosk ist mit knapp 500.000 Euro jährlich zu rechnen. Im Rahmen der öffentlichen Daseinsfürsorge müssten die Kosten auch durch die Haushalte der Länder und Kommunen bestritten werden, führen die Krankenkassen an. Neben der Zersplitterung der Versorgungslandschaft befürchten auch sie, dass sich der Wettbewerb um ausgebildete Fachkräfte durch die Kioske weiter zuspitzt. 

Das erste deutsche Modellprojekt entstand 2017 in Hamburg-Billstedt und dient dem Bundesgesundheitsminister als bundesweites Muster. Dessen Finanzierung scheint inzwischen gesichert, ein zweiter Kiosk ist in der Hansestadt bereits geplant. Weitere Gesundheitskioske wurden inzwischen in Essen, Aachen und im thüringischen Urleben eröffnet.

Kongressbericht: 27. Plattform Gesundheit des IKK

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