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Praxisverwaltungssystem Bald leichter umsteigen

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Isabel Aulehla

Eine echte Interoperabilität wird erst in einigen Jahren erreicht sein. Eine echte Interoperabilität wird erst in einigen Jahren erreicht sein. © iStock/FG Trade
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Eine neue standardisierte Archiv- und Wechselschnittstelle soll Niedergelassenen den Umstieg auf ein anderes Praxisverwaltungssystem leichter machen. Vollständig umgesetzt ist sie noch nicht. Ein Wechsel kann in bestimmten Fällen durchaus auch jetzt sinnvoll sein.

Auf ein anderes Praxisverwaltungssystem (PVS) umzusteigen, ist bislang eine eher mutige Entscheidung. Es fallen Kosten an, die technische Umsetzung strapaziert die Nerven und am Ende funktioniert vielleicht trotzdem nicht alles so, wie es soll. Schuld ist ein grundlegendes Problem: Das neue System muss die Daten aus dem zuvor verwendeten PVS importieren können – und das geht mangels Interoperabilität nur unter sehr großem Aufwand. Selbst ein Umstieg auf ein System des gleichen Herstellers kann teuer und zeitintensiv sein. Ärzte sind somit indirekt gezwungen, bei ihrem jeweiligen Programm zu bleiben.

Vorerst können nur wenige Daten übertragen werden

Um diesen Missstand zu beheben, hat die KBV Vorgaben für eine „Archiv- und Wechselschnittstelle“ definiert, welche die Softwarehäuser seit Juni in ihre PVS implementieren müssen. Das soll den Wechsel erheblich erleichtern. ­

Nicole ­Elias, IT-Beraterin bei der KV Nordrhein, erklärt zu der neuen Schnittstelle: „Aktuell bietet sie leider noch keine Erleichterung.“ Ziel sei es gewesen, einen einheitlichen Standard für die Übertragung der Patientendaten zu ermöglichen. „Die Idee dahinter ist auch der richtige Ansatz, um den Umstieg zu erleichtern“, so Elias. „Die Schnittstelle ist jedoch – wie viele technische Neuerungen – erst mal mit einem geringen Funktionsumfang gestartet, der nur einen Teil der Daten abdeckt, die für einen PVS-Wechsel erforderlich sind.“ Die Expertin schätzt, dass noch einige Jahre vergehen werden, bis die Interoperabilität nicht nur reine Theorie ist, sondern auch technisch zwischen allen PVS gegeben.

Kritik von IT-Anbietern im ­Gesundheitswesen

Der Bundesverband der Gesundheits-IT (bvitg) ist mit der neuen Archiv- und Wechselschnittstelle nicht glücklich. „Faktisch bringt die Wechselstelle aus unserer Sicht keine konkreten Mehrwerte bei der Versorgung, sondern behindert sogar durch den Architekturansatz einen schnellen und wirtschaftlichen Wechsel“, meint Sebastian Zilch, Geschäftsführer des Verbands. Man habe von Beginn an mit der KBV zusammengearbeitet und in einigen Bereichen mehr als 100 Kommentare eingebracht. Daraufhin habe es zwar einige kleine Verbesserungen gegeben, aber die Hauptdefizite im Architekturansatz der Schnittstelle seien nicht angegangen worden. „Mit dem Resultat, dass die nun nach Spezifikation der KBV umzusetzende Schnittstelle nicht in der realen Welt für einen Systemwechsel eingesetzt werden kann.“ Durch die hohe Zahl von Daten sowie durch deren feine Struktur überschreite die nötige Speicherkapazität selbst bei einfachen hausärztlichen Einzelpraxen leicht die Terabyte-Grenzen. Die KBV entgegnet, die Schnittstelle werde in den kommenden Jahren weiter ausgebaut und den Wechsel der Systeme erheblich erleichtern. „Wir freuen uns, dass uns viele andere Stimmen erreichen, die die interoperablen Schnittstellen der KBV lobend erwähnen und deren Umsetzung positiv gegenüberstehen“, heißt es in einer Reaktion auf die Vorwürfe des bvitg. Die KBV habe alle Kommentare, die auf einer eigens eingerichteten Onlineplattform zur Entwicklung gemacht werden konnten, bewertet und berücksichtigt.

Aktuell wechseln nach Angaben des Bundesverbandes der IT-Anbieter im Gesundheitswesen jährlich rund 5.000 Mediziner ihr PVS. Ein Wechsel sollte jedoch immer „die letzte Option“ sein, sagt die IT-Beraterin.

Wann wechseln?

Wann ein Umstieg sinnvoll sei, könne man nicht pauschal sagen, da es vielfältige Beweggründe gibt, erklärt Elias. Ein Wechsel könne etwa eine Chance sein, sich anlässlich einer Praxisübernahme neu aufzustellen. Hat der vorherige Praxisinhaber überwiegend mit Papierakten gearbeitet, können mit einem neuen PVS viele Prozesse in der Praxis digitalisiert und neu gestaltet werden (Stichwort: papierarme Praxis). Funktionen im PVS wie die Blankoformularbedruckung, Terminplanung, Videosprechstunde, Sprachdokumentation, Favoritenliste und Aktionsketten können den Praxisalltag erleichtern. Ansonsten komme ein Wechsel auch infrage, wenn der Alltag durch technische Probleme oder schlechten Support massiv gestört werde. Unvermeidbar sei der Umstieg gar, wenn das verwendete PVS seine KBV-Zertifizierung verliere.

Auswahl einer neuen Software

Derzeit sind über 100 PVS am Markt, die Auswahl eines neuen Systems ist daher nicht leicht. „Einer der wichtigsten Punkte ist, dass das PVS für die Fachgruppe geeignet ist, damit alle in der Praxis benötigten Dokumentationen und fachbezogenen Module integriert sind“, so Elias. Darüber hinaus rät sie, zu definieren, welche Funktionalitäten benötigt werden, um den Praxisalltag zu erleichtern bzw. zu optimieren und direkt die Aspekte mit zu berücksichtigen, die beim alten PVS bemängelt wurden. Um sich einen Überblick über das Angebot zu verschaffen, könnten Online-Präsentationen der Hersteller oder Testversionen genutzt werden. Empfehlenswert sei es zudem, das komplette Praxisteam mit einzubeziehen. Auch die Erfahrungen von Kollegen, die das zukünftige System bereits im Einsatz haben, sollten eingeholt werden. Um Ärzten den Überblick zu erleichtern, hat die KBV Lis­ten der 20 meistgenutzten, zertifizierten PVS je Fachgruppe erstellt.

Kosten

„Eine konkrete Benennung der Kosten eines Wechsels ist nicht möglich, da hier viele Faktoren berücksichtigt werden müssen“, resümiert Elias. Etwa folgende Fragen:
  • Wie hoch sind die Anschaffungskosten für die neue Software?
  • Wie ist das Preismodell des neuen PVS-Anbieters?
  • Muss die Hardware erneuert werden?
  • Kann der TI-Konnektor weiterverwendet werden?
  • Wie lang sind die Praxisausfallzeiten?
  • Wie hoch ist der Schulungsaufwand?
  • Ist eine Vor-Ort-Betreuung für die ersten Tage geplant?
  • Gibt es einen Festpreis für den Datenexport?
Es sei empfehlenswert, mindestens zwei bis drei Angebote einzuholen, um die Preise vergleichen zu können.

Zurück ins alte System

Stelle sich heraus, dass das neue PVS keine Verbesserung bietet oder die individuellen Anforderungen nicht erfüllt, bestehe immer die Alternative, zum alten System zurück zu wechseln, sagt Elias. „Dies ist jedoch wieder mit weiteren Kosten verbunden.“

Medical-Tribune-Bericht

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