Rechtliche Stolperfallen bei Zuwendungen  Geschenke in der Praxis: Was ist erlaubt?

Praxismanagement , Geld und Steuern Interview Autor: Jan Helfrich

Pralinen fallen nicht in die Kategorie von Geschenken, die den Anschein der Käuflichkeit erwecken. Pralinen fallen nicht in die Kategorie von Geschenken, die den Anschein der Käuflichkeit erwecken. © limpido/gettyimages

Champagner zu Weihnachten, Kaffeemaschine zum Praxisjubiläum – klingt harmlos, ist aber oft heikel. Warum Ärztinnen und Ärzte bei Geschenken genau hinsehen müssen, zeigt ein Blick ins Berufs- und Strafrecht.

Zur Weihnachtszeit, zu Praxisjubiläen oder aus Dankbarkeit: Präsente an Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Teams sind keine Seltenheit. Doch deren Annahme ist ein juristisches Minenfeld. Rechtsanwalt Dirk R. Hartmann erklärt, welche Spielregeln man im Praxisalltag kennen sollte.

Die dankbare Patientin bringt eine Flasche teuren Champagner mit. Dürfen Ärztinnen und Ärzte das annehmen?

Dirk R. Hartmann: Hier ist das Berufsrecht, konkret § 32 der (Muster-)Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä), entscheidend. Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, Geschenke anzunehmen, wenn dadurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit ihrer ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.

Der Knackpunkt ist also nicht die gute Absicht der Patientin oder des Patienten, sondern die Außenwirkung. Eine Kiste Pralinen oder ein Buchgeschenk als Dank für eine erfolgreiche Behandlung sind unproblematisch. Bei teurem Schmuck, Bargeld oder gar der Einladung zu einer Reise ist die Grenze jedoch klar überschritten. Solche Zuwendungen sind generell abzulehnen, da sie den Anschein der Käuflichkeit erwecken, selbst wenn sich die Ärztin oder der Arzt davon in keiner Weise beeinflussen lässt.

Ein Geschäftspartner möchte der Praxis einen neuen High-End-Kaffeevollautomaten für das Wartezimmer stiften. Was gilt bei Geschenken von der Industrie?

Dirk R. Hartmann: Hier gelten die mit Abstand strengsten Regeln. Wir verlassen das reine Berufsrecht und betreten das Strafrecht. Seit 2016 gibt es die Straftatbestände der Bestechlichkeit (§ 299a StGB) und Bestechung (§ 299b StGB) im Gesundheitswesen. Strafbar machen sich Ärztinnen und Ärzte, die einen Vorteil, z. B. Geld, teure Geschenke oder Einladungen, als Gegenleistung dafür annehmen, dass sie bei der Verordnung oder dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln einen Anbieter unlauter bevorzugen.

Der High-End-Kaffeevollautomat wäre ein solcher Vorteil. Würde im Gegenzug erwartet, dass die Ärztin oder der Arzt bevorzugt das Präparat dieses Herstellers verordnet, läge der Fall klar im strafbaren Bereich. Durch diese Paragrafen und die strengen Regeln der Branchenkodizes wie z. B. des FSA-Kodex Fachkreise ist die Pharmaindustrie selbst vorsichtig geworden. Die „groben“ Geschenke, wie man sie von früher kennt, sind weitgehend verschwunden.

Gibt es einen konkreten Grenzwert, bis zu dem Geschenke unbedenklich sind – immer wieder hört man von einer 50-Euro-Grenze?
Einen starren, gesetzlichen Grenzwert gibt es nicht. Die viel zitierte 50-Euro-Grenze stammt aus einer Empfehlung der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2004 und dient als Auslegungshilfe für § 33 MBO-Ä zur Annahme von Werbegaben. Sie ist ein guter Anhaltspunkt dafür, was als „geringfügiger“ Vorteil gelten kann.

Aber Vorsicht: Diese Grenze ist kein Freibrief. Sie gilt nicht kumulativ. Wenn ein Pharmaunternehmen Ihnen jeden Monat ein Geschenk im Wert von 49 Euro zukommen lässt, ist dies in der Gesamtbetrachtung definitiv nicht mehr „geringfügig“ und daher unzulässig. Anders sieht es bei sozialadäquaten Geschenken zu besonderen Anlässen aus, beispielsweise bei Praxiseröffnung oder Jubiläum. Dabei darf der Wert auch über 50 Euro liegen, solange es sich im gesellschaftlich üblichen Rahmen hält.

Was gilt für MFA und andere Angestellte in der Praxis – haften Ärztinnen und Ärzte für ihr Team?

Dirk R. Hartmann: Als Praxisinhaber ist die Ärztin oder der Arzt für das Team nach der sogenannten Organisationshaftung verantwortlich und muss sicherstellen, dass auch die Angestellten die Compliance-Regeln einhalten. Die Paragrafen 299a/b StGB zielen zwar primär auf die Heilberufsangehörigen mit Approbation, also Ärztinnen und Ärzte, doch eine MFA, die beispielsweise von einer Apotheke einen Vorteil annimmt, damit sie Patientinnen und Patienten gezielt dorthin schickt, kann sich der Beihilfe strafbar machen. Unabhängig davon riskiert die Ärztin oder der Arzt als Chefin oder Chef aufsichtsrechtliche Konsequenzen. Kleine Aufmerksamkeiten für das gesamte Team, z. B. der Kuchen für die Kaffeepause, sind unbedenklich. Vorteile, die an einzelne Mitarbeitende gehen, sollten Ärztinnen und Ärzte aber klar regeln.

Gelten für Klinikärztinnen und -ärzte andere Regeln als für Niedergelassene?

Dirk R. Hartmann: Ja, und zwar deutlich strengere. Niedergelassene sind Freiberufler und haben deutlich mehr Spielraum. Klinikärztinnen und -ärzte sind i. d. R. Angestellte, bei kommunalen oder universitären Trägern oft Angestellte im öffentlichen Dienst oder seltener Beamte. Für diese Gruppe ist die Annahme von Geschenken ohne Zustimmung des Arbeitgebers grundsätzlich untersagt. Viele Krankenhausträger haben interne Compliance-Richtlinien mit einer De-minimis-Grenze von oft nur 10 bis 15 Euro oder sogar einer Null-Toleranz-Politik. Die 50-Euro-Grenze aus dem Berufsrecht ist für angestellte Klinikärztinnen und -ärzte irrelevant; es gilt die Dienstanweisung.

Interview: Jan Helfrich

Dirk R. Hartmann, Fachanwalt für Medizinrecht, 
HFBP Frankfurt am Main
Dirk R. Hartmann, Fachanwalt für Medizinrecht, HFBP Frankfurt am Main © Anne Großmann