Anzeige

Hessen: Abrechnung nur noch übers KV-SafeNet

Autor: Michael Reischmann, Foto: thinkstock

Anzeige

Die Abrechnungsdaten für das 3. Quartal 2015 müssen die Ärzte in Hessen über das „KV-SafeNet“ an die KV schicken. Die Übertragung via „eToken“ ist nicht länger zulässig. Die Pflicht zum Umstieg sorgt allerdings für Verärgerung.

Seit einem Jahr informiert die KV ihre Mitglieder über die „verpflichtende Einführung von KV-Safe­Net* zum 1.7.2015“. Der bisher verwendete „eToken“ ist passé, die Abgabe von Datenträgern die Ausnahme. Als Anreiz spendiert die KV pro KV-Safe­Net-Anschluss einmalig 450 Euro.

Richtig gefruchtet hat das bislang nicht. Im Juli rechneten erst knapp 5000 bzw. 45 % der KV-Mitglieder übers SafeNet ab. Die KV erwartet dennoch, dass jetzt „alle“ der Verpflichtung nachkommen. Ausnahmen sollen nur bei Praxisabgaben innerhalb der nächsten zwei Quartale gemacht werden oder bei nachgewiesenermaßen nicht ausreichenden Leitungskapazitäten. „In solchen Fällen ist es möglich, Abrechnungen per Datenträger gegen Zahlung einer erhöhten Verwaltungsgebühr von 100 Euro/Quartal einzureichen“, teilt die KV mit.

Ärzte wundern sich, dass die KV solch einen Druck macht

Widerworte kommen insbesondere vonseiten der Ärztenetze bzw. ihrer Dachorganisation „Hessenmed“. „Uns wird etwas aufgedrängt, ohne dass ein Mehrwert zu erzielen ist“, kritisiert Dr. Stefan Pollmächer im Gespräch mit Medical Tribune. Der Hausarzt aus Kassel ist Sprecher der Ärztegenossenschaft Doxs und Vorstandsmitglied bei Hessenmed. Die fünf Kilobyte Datenumfang, die eine Quartalsabrechnung seiner Praxis betrage, könne er auch per E-Mail an die KV schicken, schließlich seien die Abrechnungsdaten ja bereits verschlüsselt – was auch der hessische Datenschutzbeauftragte prinzipiell bestätigt.

Allerdings verweist dieser auch auf die Regelungskompetenz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Und deren Vorstand hat in einem Beschluss zur KBV-Richtlinie für IT-Systeme zur ärztlichen Abrechnung, der am 1. Mai 2015 in Kraft getreten ist, festgeschrieben, dass die Daten­übermittlung „leitungsgebunden elektronisch ... mit KV-Connect** im sicheren Netz der KVen durchgeführt werden“ soll. Mit diesen Bundesvorgaben begründet die KV Hessen ihr Vorgehen.

Anderswo zieht man die Schrauben nicht so stark an. Beispielsweise im benachbarten Rheinland-Pfalz. Hier gibt es keine Pflicht, übers KV-SafeNet abzurechnen. Zwar wurde ebenfalls mit dem zweiten Quartal 2015 der unsichere Datenübermittlungsweg „Smartcard“ beendet. Doch das KV-SafeNet nutzen bislang nur rund 3100 Praxen. 1700 Betriebsstätten haben keinen Online-Zugang und liefern bei der KV Datenträger ab. 2100 Praxen, die bislang die Smartcard benutzten, müssen sich nun zwischen KV-SafeNet und Datenträger entscheiden. Eine Extraförderung für SafeNet-Einsteiger gibt es nicht.

Solch eine freiwillige Einführung und die Möglichkeit, Datenträger abzuliefern, würde auch Hessenmed begrüßen. Zudem verweist Dr. Poll­mächer auf die Zentralen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Dort nutzten mehrere Ärzte einen Anschluss für die Kommunikation mit der KV. Solche Lösungen könnten sich die Netze auch für ihre Mitglieder vorstellen.

Über ein Gesundheitsnetz einen KV-SafeNet-"Sammelanschluss" zur Übermittlung von Abrechnungsdaten zu betreiben, "wird vom Hessischen Datenschutzbeauftragten als rechtswidrig eingestuft", schrieb die KV Hessen ihren Mitgliedern. Doch der Datenschützer distanziert sich von den AussagenMehr...

Tabu: Abrechnungsparty und Sammelanschluss

Die KV rügt jedoch „Sammelanschlüsse, Abrechnungspartys etc.“ als rechtswidrige „Umgehungsstrategien“. Der Datenschutz sei hierbei nicht gewährleistet. Die Rechner der Bereitschaftsdienstzentralen seien mit dem internen KV-Netz verbunden, teilen die Vorstände von KV und Vertreterversammlung in einem Rundschreiben mit. Die gemeinsame Nutzung eines KV-SafeNet-Anschlusses sei nur in Berufsausübungsgemeinschaften und nach vorheriger Genehmigung in Praxisgemeinschaften möglich.

KVen bereiten sich auf das E-Health-Gesetz vor

Die KV-Führung erklärt auch, war­um sie sich für das sichere Netz der KVen starkmacht: Es soll den Ärzten die Unabhängigkeit von Netzen der Industrie oder der Krankenkassen bewahren. Wer sich gegen die digitale Vernetzung im Gesundheitswesen stelle, sei „nicht nur rückwärtsgewandt unterwegs, sondern verliert auch die großen Trends aus dem Blick“, schreiben die Frankfurter KV-Verantwortlichen. Als einen kommenden Mehrwert stellen sie den elektronischen Arztbrief per SafeNet in Aussicht. Dessen Versenden und Empfangen soll laut E-Health-Gesetz ab 2016 bezuschusst werden.

Dass es „brutaler Gewalt“ bedarf, Ärzte und Psychotherapeuten aufs KV-SafeNet zu verpflichten, bestätigt der Vorsitzende der KV Saarland, Dr. Gunter Hauptmann. Im Saarland nutzen seit letztem Jahr nahezu alle Mitglieder das SafeNet. Die wenigen Ausnahmen, die es noch gibt, z.B. Ärzte kurz vorm Ruhestand, müssen ihre Daten direkt bei der KV einspielen.

Vorteilhaft für Ärzte und KV: die Online-Testabrechnung

Ein entscheidender Mehrwert, der die Ärzte letztlich überzeugte, ist die Online-Testabrechnung, berichtet Dr. Hauptmann. D.h.: Die Praxen können jederzeit über KV-Connect eine Testabrechnung an die KV schicken und bekommen sofort eine Rückmeldung mit Hinweisen zu Fehlern. Das betrifft beispielsweise auch die ggf. heikle Abrechnung der Chronikerziffer. Die Folge: Die Praxen schicken am Ende korrigierte, fehlerfreie Abrechnungen zur KV, was Honorarkürzungen und Widersprüche gegen die Bescheide vermeidet.

Auch Dr. Hauptmann betont die strategische Wichtigkeit des sicheren KV-Netzes. Dass die Bundesvorgaben regional unterschiedlich beherzigt werden und er hier keine großen Würfe erwartet, erklärt er mit den nahenden KV-Wahlen 2016.

Sein grundsätzlicher Rat lautet: KV-SafeNet auf freiwilliger Basis anbieten und finanziell fördern. Vorteile wie die Online-Testabrechnung erläutern und die Förderung von Mehrwertdiensten wie dem eArztbrief (E-Health-Gesetz) nutzen. Die Anwendung von KV-SafeNet und KV-Connect in Praxisnetzen zu einer Voraussetzung bei der Netz-Förderung machen.

* KV-SafeNet: Mithilfe eines Routers wird ein geschützter, vom Internet getrennter „Tunnel“ (virtuelles privates Netzwerk = VPN) zwischen den Praxiscomputern und dem Rechenzentrum der KV aufgebaut. KBV und KVen informieren über die zertifizierten Provider, Kosten und Förderprogramme.
 
** KV-Connect ist eine Ergänzung zur Praxissoftware und dient der Kommunikation zwischen Ärzten/Psychotherapeuten, Kliniken, KV etc. Aus dem Praxisverwaltungssystem heraus können KV-Abrechnungen (sog. 1-Click-Abrechnung) und Dokumentationen übermittelt werden. Der elektronische Arztbrief ist gerade im Feldtest. Die Spezifikationen werden von der KBV-Tochter „KV Telematik GmbH“ erstellt.

Anzeige