Kündigungsdrohung „Ich will mehr Geld, sonst kündige ich!“

Praxismanagement , Team Autor: Isabel Aulehla

Immer weniger Netto vom Brutto bei gleichzeitig steigenden Lebenshaltungskosten – für viele MFA eine enorme Belastung. Immer weniger Netto vom Brutto bei gleichzeitig steigenden Lebenshaltungskosten – für viele MFA eine enorme Belastung. © VRD – stock.adobe.com

Kündigungsdrohungen sind in jeder Gehaltsverhandlung gefürchtet. Obwohl sich Chefinnen und Chefs davon provoziert fühlen, ist Hartherzigkeit in dieser Situation eine schlechte Idee, erklärt Praxisberater Wolfgang Apel.

Wenn es um Kündigungsdrohungen geht, herrscht in Arbeitgeberforen ein eisiger Zeitgeist: Die betreffende Person bluffe bestimmt nur, eine Kündigung sei ein großer Schritt, man lasse sich grundsätzlich nicht erpressen, und überhaupt, wer unzufrieden ist, solle eben gehen. Doch solch eine Strategie komme für Arztpraxen nicht infrage, argumentiert Wolfgang Apel, Praxisberater und Gründer der Medikom Consulting GmbH in Nürnberg. Letztlich sei sie immer teurer als eine Gehaltsanpassung.

Einarbeitung neuen Personals dauert locker drei Monate

Er wiegt die Gegenkosten auf: Neue Angestellte finde man nur für ein marktübliches Gehalt. Da das Lohnniveau der Praxis offensichtlich darunter liege, bringe die neue Person das finanzielle Gefüge durcheinander. Zudem müsse sie eingearbeitet werden, was je nach Praxisschwerpunkten mindestens drei bis sechs Monate dauere. Der Berater empfiehlt daher andere Schritte – auch, wenn sie für Arbeitgeber erstmal drastisch klingen mögen: Verständnis zeigen, sich entschuldigen, das Gehalt der betreffenden Person erhöhen und anschließend das Gehalt aller Teammitglieder anpassen, die ähnlich lange keine Erhöhung erhalten haben.

Eine Entschuldigung hält Apel für angemessen, weil für eine so gravierende Gehaltsunzufriedenheit immer ein Fehler der Praxisinhaberinnen und -inhaber ausschlaggebend sei: „Sie zahlen ein nicht vergleichsfähiges Gehalt.“ Typischerweise finde man sich in dieser Situation wieder, wenn man keine Gehaltsgespräche führe, sondern still hoffe, dass niemand das Thema anspricht.

Um das Verhalten der betreffenden Mitarbeitenden besser verstehen zu können, appelliert der Praxisberater, sich die finanzielle Situation Medizinischer Fachangestellter vor Augen zu führen: Selbst ein tarifliches Gehalt reiche in Städten wie München beim Berufseinstieg kaum, um von zu Hause auszuziehen. Die Inflation löse bei vielen MFA zudem das Gefühl aus, die Lebenshaltungskosten nicht mehr stemmen zu können. Wer seine Situation verbessern möchte, finde mit MVZ oder Krankenkassen leicht Arbeitgeber, die mehr zahlen als Arztpraxen.

Aus all diesen Gründen, müsse es bei einer Kündigungsdrohung darum gehen, „Herzen zu gewinnen“, so Apel. Dies fange damit an, verständnisvoll zu sein. Ein Beispiel: „Ich verstehe Ihre Forderung, ich merke selbst, dass alles teurer geworden ist. Wir haben offensichtlich zu lange nicht mehr über Ihr Gehalt geredet.“ Er rät, offen nachzufragen, ob sich die Mitarbeiterin schon bei anderen Praxen umgehört habe – und welches Gehalt sie dort bekommen würde. Dann heiße es, Wertschätzung zu zeigen: „Ich lasse Sie hier nicht mit 3 % davonkommen. Es ist zwar alles andere als leicht für mich, aber ich lege noch einige Prozente drauf.“ Mit so einer Aussage binde man MFA quasi für immer an die Praxis, meint Apel augenzwinkernd.

Entscheidung hat Signalwirkung

Aber warum gleich dem ganzen Team eine Erhöhung zahlen? Weil es naiv sei zu glauben, dass niemand von der Gehaltsverhandlung wisse, erklärt Apel. Viel wahrscheinlicher sei, dass die Mitarbeitenden seit Wochen über nichts anderes reden. Entsprechend genau beobachteten sie die Situation. Wenn eine Kollegin gehe, weil sie in einer Praxis im Nachbarort 300 Euro im Monat mehr bekommt, dann sei sie nur die Erste.

So bleiben alle zufrieden

Wenn jemand mit der Kündigung droht, ist im Voraus schon Vieles schiefgelaufen. Damit es nicht so weit kommt, empfiehlt Praxisberater Apel Arbeitgebern, sich einmal im Jahr zu einem Beurteilungsgespräch mit allen Mitarbeitenden „zu zwingen“. Es sei die einzige Möglichkeit, in einen ehrlichen Austausch über die täglichen Aufgaben des Personals einerseits und die Erwartungen der Arbeitgeberseite an die Leistung andererseits zu kommen. Am besten funktioniere dies, wenn beide Parteien einen Beurteilungsbogen über die jeweilige Person ausfüllen, auf dem relevante Aufgaben und Kompetenzen gelistet sind. Anschließend besprechen beide Seiten ihre Beurteilung. Die Beschäftigte kann dabei offenlegen, wie viel sie im Tagesgeschäft leistet. Umgekehrt können Vorgesetzte benennen, ob dies genügt oder ob sie weitere Erwartungen haben. Beispiel: „Ja, ich sehe, Sie machen X und Y hervorragend, ich würde mir aber wünschen, dass sie auch Z machen.“ So entstehe eine transparente Grundlage, um über Gehaltsforderungen verhandeln zu können. 

Für die Höhe der Steigerung betrachtet Apel die Inflation als einen guten Indikator. Dem Berater ist bewusst, dass viele Praxen unter den steigenden Kosten ächzen. Er wisse jedoch aus seiner Erfahrung, dass die meisten von ihnen relativ unkompliziert wesentlich höhere Einnahmen erzielen könnten. Zu diesem Thema berät er in seinem Podcast „Unternehmen Arztpraxis“ und bei Medical Tribune.

Übrigens: Selbst wenn eine MFA von ihrer Leistung her nicht überzeugt und eine Kündigung willkommen ist, rät Apel dazu, die Gehaltssituation mit dem Rest des Teams zu besprechen.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht