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Lokale Hürde für Praxisumzüge ist zulässig

Praxismanagement , Niederlassung und Kooperation Autor: Thomas Trappe

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Der Gesetzgeber ermöglicht es, Praxen innerhalb eines Planungsbereichs in schlechter versorgte Gebiete verlegen zu lassen. Die KV Berlin sieht sich hier als Pionier. Niedergelassene hingegen fühlen sich in ihrer Niederlassungsfreiheit beschränkt.

Berlin ist der größte ärztliche Bedarfsplanungsbereich, den die Bundesrepublik zu bieten hat: 3,6 Millionen Menschen leben hier, 9000 Ärzte arbeiten in 6000 Praxen.

Seit 2003 ist Berlin ein einheitlicher Planungsbezirk, und das brachte die bekannten Probleme: Am Kurfürstendamm und in den besten Gegenden von Steglitz, Zehlendorf oder Mitte lebt es sich nicht nur gut, dort können Ärzte auch mit gutverdienenden Patienten rechnen. Dem steht eine oft beklagte Unterversorgung in den östlichen wie westlichen "Problembezirken", etwa Marzahn oder Neukölln, gegenüber. Berlin ist damit ein Paradebeispiel für die Probleme jener KVen, in denen es sehr große Planungsbereiche mit starken lokalen Versorgungsunterschieden gibt.

Bedarfsplanungs-Richtlinie: Land darf davon abweichen

Vor gut drei Jahren vereinbarte die Senatsverwaltung für Gesundheit mit der KV und den Krankenkassen einen "Letter of Intent" (LOI), wonach Praxen bei einem Umzug nur in schlechter versorgte Bezirke verlegt werden dürfen.

Das Versorgungsstrukturgesetz von 2012 erlaubt es, auf Landesebene von den Vorgaben der bundesweiten Bedarfsplanungs-Richtlinie abzuweichen, wenn dies regionale Besonderheiten nötig erscheinen lassen. Berlin ist nach eigenen Angaben das einzige Bundesland, das bisher von dieser Möglichkeit Gebrauch macht.

Bei der LOI-Dreijahresbilanz im Juli zeigte sich Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) überzeugt davon, dass man eine "Negativentwicklung aufgehalten" hat. Dabei hat der LOI wohlgemerkt keine gesetzliche Wirkung; seine Schlagkraft erhält er dadurch, dass ihn KV und Kassen mittragen – also jene Selbstverwaltungspartner, die im Gemeinsamen Landesgremium Herren über die Bedarfsplanung sind.

Vor allem Psychotherapeuten und Hausärzte betroffen

Dass von der lokalen Bedarfsplanung keine Wunder zu erwarten sind, zeigen allerdings die präsentierten Zahlen: 137,5 Praxissitze wurden laut KV zwischen 2013 und 2015 "bergab" verlegt – also in einen schlechter versorgten Bezirk der jeweiligen Fachgruppe. Es gab 21,75 Hausarztsitze, die bergab zogen (und sechs bergauf). Bei den Psychotherapeuten waren es 49 Umzüge. Bei allen anderen Fachgruppen lagen die Zahlen zwischen zwei und maximal acht Umzügen.

Je nach Fachgruppe fallen die Gewinne und Verluste an Ärzten für die Bezirke sehr unterschiedlich aus. So gewann Neukölln zwischen 2013 und 2015 zwar 5,5 Hausarzt- und sechs Psychotherapeutensitze, verlor aber gleichzeitig 2,5 orthopädische Sitze. Neukölln war damit der einzige Bezirk, in dem es spürbare Bewegungen gab. Parallel gewann der angrenzende Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg drei Orthopäden, aber nur einen halben Hausarztsitz.

Umzug nur noch in einen der drei schwächsten Bezirke

Gleichwohl sprach KV-Vize Dr. Uwe Kraffel von einer "brauchbaren Lösung". Mit dem LOI habe man einen "Weg gefunden, Diskrepanzen zwischen den Bezirken abzubauen". Allerdings greift das Instrument nur in wenigen Fällen, z.B. wenn ein Arzt seine Räumlichkeiten verliert und im gleichen Bezirk keine Praxis mehr anmieten kann.

Nun haben Land, Kassen und KV vereinbart, dass Umzüge nicht mehr generell in alle Bezirke, die in der jeweiligen Fachgruppe schlechter versorgt sind, also bergab, möglich sein sollen – sondern nur noch in die drei am schlechtesten versorgten. Dies soll auch für Neuzulassungen gelten.

Dipl.-Med. Mathias Coordt, Vorsitzender des Berlin-Brandenburger NAV-Virchowbundes, findet den LOI "äußerst problematisch". KV-Vorstand Dr. Kraffel wirft er vor, „machtlos und willfährig“ dem Gesundheitssenator zu folgen "und den Ärzten damit zu schaden".

Ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts (siehe Kasten) bestätigt indes den Kurs der KV – und hat damit Signalwirkung für andere KVen, die beabsichtigen, Praxisumzüge nur noch in schlechter versorgte Gebiete zuzulassen.

NAV-Chef kritisiert "immer härtere Gangart" der KV

Für Ärzte, die in Berlin einen Praxisumzug planen, bedeute das nichts Gutes, meint NAV-Chef Coordt. "Die KV geht mit einer immer härteren Gangart gegen die eigenen Kollegen vor." Die KV Berlin indes feiert den "vollen Erfolg" und fühlt sich in ihrer Haltung zu Praxissitzverlegungen bestärkt. "Dies ist ein weiterer Schritt zu einer gerechteren Ärzteverteilung in Berlin", teilte sie auf Anfrage mit.


Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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