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Patienten schützen, Erreger in Schach halten

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Anouschka Wasner

© fotolia/Robert Kneschke
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Kennen Sie die aktuellen Empfehlungen zur Einhaltung der Hygienestandards? Die Prävention nosokomialer Infektionen bekommt mit der häufiger werdenden Behandlung immungeschwächter Patienten einen immer höheren medizinischen Stellenwert. Kommt es zu einer juristischen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit einer Infektion, sind es die Einrichtungen, die beweisen müssen, dass sie die Hygienestandards eingehalten haben.

Gefährliche Erreger in medizinischen Einrichtungen können für die Patienten dramatische Konsequenzen haben und für die Einrichtung einen beträchtlichen Imageschaden mit sich bringen. Deswegen wiesen die Experten beim 5. Hygieneforums des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) erneut auf die Wichtigkeit konsequenter Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen sowie der Meldung nosokomialer Infektionen an die Gesundheitsämter hin.

Einen Ausblick auf die für 2017 erwarteten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut (RKI) zur „Prävention der Gefäßkatheter-assoziierten Sepsis“, gab Dr. Christine Geffers, Oberärztin am Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Berliner Charité. Eine Vielzahl der Empfehlungen, gerade auch zum zentralvenösen Kathetern (ZVK) als risikoreichstem Gefäßkatheter, sei durch ausreichend Evidenz belegt. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) fordert die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft bei der Verhütung nosokomialer Infektionen. Davon werde ausgegangen, wenn die KRINKO-Empfehlungen beachtet werden.

Schulungsmaterialien

Auf einer speziellen Webseite zu Krankenhausinfektionen stellt der BVMed Informationen und Grafiken zu den Themen Gefäßkatheter-assoziierte, Wund-, Atemwegs- und Harnwegsinfektionen sowie infektiöse Darmerkrankungen (Norovirus) bereit. Die Grafiken können für Präsentationen oder Schulungen kostenlos heruntergeladen werden. www.krankenhausinfektionen.info
Zu den wichtigsten Maßnahmen bei der Prävention von ZVK-assoziierten Infektionen zähle die Einhaltung maximal steriler Bedingungen beim Legen oder Wechsel von ZVKs, so Dr. Geffers. Dies beinhalte eine großflächige Hautdesinfektion, Mund-Nasenschutz, OP-Haube, hygienische Händedesinfektion, sterile Kittel und Handschuhe sowie sterile Ganzkörper-Abdeckungen. Antimikrobiell beschichtete ZVKs werden nur empfohlen, wenn andere Maßnahmen keinen ausreichenden Effekt auf hohe Infektionsraten zeigen. Ein routinemäßiger Wechsel des Infusionssystems solle „frühestens nach vier Tagen“ erfolgen. Wichtig sei zudem die Ausbildung des Personals. Empfohlen werden regelmäßige Schulungen in kleinen Gruppen zu erforderlichen Infektionskontrollmaßnahmen. Die eigenverantwortliche Übernahme von Aufgaben wie das ZVK-Anlegen sollte erst nach Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgen. Insgesamt seien die Empfehlungen zwar nicht immer eindeutig und die Evidenz nicht immer schlüssig, sie seien aber „eine gute Grundlage für hausinterne Standards“, so die Charité-Expertin. KRINKO-Mitglied Professor Dr. Matthias Trautmann, Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene am Katharinenhospital des Klinikums Stuttgart, beleuchtete das Stäbchenbakterium „Clostridium difficile“. Der Erreger ist jahrelang umweltstabil und resistent gegen zahlreiche Desinfektionsmittel. Eine KRINKO-Arbeitsgruppe arbeitet an einer Empfehlung zu evidenzbasierten Hygiene- und Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung des C.-difficile-Erregers. In den USA gibt es durch den Erreger 14 000 Todesfälle bei 250 000 Fällen, also eine hohe Sterberate von etwa 6 %. Meldungen aus den deutschen Intensivstationen zeigen, dass C.-difficile bei den resistenten Erregern am häufigsten vorkommt. Er greift den Dickdarm an, nicht aber den Dünndarm. Die aktuelle Diagnostik zum Nachweis ist dreistufig: Zusätzlich zum Stuhltest auf Antigene und Tests auf Toxinbildung des Stamms wird ein Gentest zum Nachweis vorgenommen. Durch den besseren Nachweis kommt es in den Statistiken nun auch zu einer Fallzahlzunahme. Nach einem C.-difficile-Ausbruch (CDI) müssen strenge Hygienemaßnahmen eingehalten werden, so Prof. Trautmann. Dazu gehören die Isolierung des Patienten im Einzelzimmer und das Anlegen von Schutzkittel und Einmalhandschuhen beim Betreten des Zimmers. Nach Ablegen der Handschuhe werden zunächst eine hygienische Händedesinfektion und danach eine Händewaschung empfohlen. Das Zimmer sollte täglich mit einem Sauerstoffabspalter desinfiziert werden. Eine Entisolierung sollte erst 48 Stunden nach dem letzten Durchfall erfolgen. Nach Fallabschluss muss das Zimmer desinfiziert und Textilvorhänge gewechselt werden. Auf die Meldepflichten bei Infektionserkrankungen ging Dr. Irina Zuschneid vom Gesundheitsamt Berlin-Charlottenburg ein. Die 2016 in Kraft getretene Anpassungsverordnung zur IfSG-Meldepflicht verlangt für 51 Krankheitserreger – von „Adenoviren“ bis „Yersiniapestis“ – von Ärzten und Laboren namentliche Meldungen an die Gesundheitsämter. Meldepflichtig ist bereits ein Krankheitsverdacht, z.B. bei einer CDI mit schwerem Verlauf, sowie das gehäufte Auftreten von nosokomialen Infektionen. Wichtig sei aber auch eine unverzügliche Mitteilung an das Gesundheitsamt, wenn sich eine Verdachtsmeldung nicht bestätigt hat, so Dr. Zuschneid. Hygieneprobleme bei der Aufbereitung von flexiblen Endoskopen beleuchtete der Mainzer Gastroenterologe Professor Dr. Ottmar Leiß. 2002 zeigte eine Studie die Probleme der manuellen und die Überlegenheit einer validierten vollautomatischen Aufbereitung auf. Die Beanstandungsrate betrug bei der manuellen Aufbereitung 50 %. Ein „blinder Fleck“ seien Optikspülsysteme gewesen, die ohne Sterilwasser zu Bakterienförderern wurden. In einer 2012 aktualisierten KRINKO-Empfehlung zur qualitätsgesicherten Endoskopie-Aufbereitung liegt der Fokus auf der Effektivität der Reinigungsschritte. Prof. Leiß stellte klar, dass es einen „Sicherheitspuffer“ bei der Aufbereitung eigentlich nicht gebe. Die Komplexität der Instrumente erschwere die Reinigung. Die Zugängigkeit der Kanäle müsse gewährleistet und jeder Kanal sorgfältig mit der Bürste gereinigt werden. Denn: „Die Häufigkeit des Bürstens hat einen unmittelbaren Effekt auf den Reinigungsgrad.“

Hygienestandards: Beweislastvorteile für Patienten

Obwohl Patienten, die ein Krankenhaus verklagen, in der Regel beweisen müssen, dass der Klinik ein Fehler passiert ist, gibt es bei Hygieneverstößen für den Kläger Beweiserleichterungen. Laut Bundesgerichtshof müssen Krankenhäuser darlegen, dass sie Hygienestandards eingehalten haben, wenn der Kläger konkrete Anhaltspunkte für Verstöße vorträgt. Im konkreten Fall musste ein 36-Jähriger mehrmals am Ellenbogen operiert werden, weil sich die Wunde mit Staphylococus aureus infiziert hatte. Für die Infektionen sei die Klinik verantwortlich, so der Kläger, vor allem weil er sein Zimmer mit einem Patienten teilen musste, der unter einer stark infizierten offenen Wunde am Knie litt. Ein Sachverständiger hatte dazu erklärt, dass dies nur dann nicht gegen Sorgfaltsanforderungen verstößt, wenn die Klinik erhöhte Hygienebestimmungen eingehalten hat.

BGH-Beschluss vom 16.8.2016, Az.: VI ZR 634/15

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