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Gesetzesentwurf Rechte von Ärzten gegenüber Software-Anbietern sollen gestärkt werden

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Isabel Aulehla

Die begrenzte Operationalität einiger Praxissysteme ist für manchen Arzt ein Ärgernis. Die begrenzte Operationalität einiger Praxissysteme ist für manchen Arzt ein Ärgernis. © MicroOne – stock.adobe.com
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Der Wechsel der Praxissoftware soll bald ohne überzogene Kosten möglich sein. Zusätzlich wird die Verhandlungsmacht der Ärzteschaft gegenüber den Anbietern gestärkt. Die KBV wünscht aber noch eine Konkretisierung der gesetzlichen Pläne.

Das Bundesgesundheitsminis­terium (BMG) beobachtet im Markt der Praxisverwaltungssysteme (PVS) einigen Wildwuchs: Geltende Vorgaben würden unterlaufen, Ärzten entstünden unangemessene Kosten und die flächendeckende Nutzung der Telematikinfrastruktur werde verschleppt. Beispielsweise würden die Praxissysteme zu langsam an gesetzliche Pflichten angepasst, sodass Mediziner die Umsetzungsfristen bestimmter Anwendungen nicht einhalten könnten – und dafür sanktioniert würden. Das geplante „Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz“ enthält deshalb Regelungen, die diesem Zustand bald ein Ende bereiten sollen.  

Interoperabilität der ­Software

Im Referentenentwurf des BMG wird insbesondere kritisiert, dass einige Hersteller ihre Verwaltungssysteme geschlossen halten, indem sie nur mit ausgewählten Komponenten und Diensten kooperieren. Dies führt gesetzliche Inter­operabilitätsvorgaben ad absurdum. Möchten Bestandskunden ein anderes Produkt nutzen, verlangen die Unternehmen teils monatliche Wartungsgebühren oder einmalige Anschlusskosten. Durch dieses Marktverhalten sei es Ärzten kaum möglich, Software nach eigenem Ermessen und Bedürfnissen miteinander zu kombinieren, schreibt das BMG.

Um die Wahlfreiheit der Leis­tungserbringer zu sichern, will man die PVS-Hersteller verpflichten, Dienste und Komponenten aller Anbieter in ihr System einzubinden, ohne zusätzliche Gebühren anzusetzen. „Eine einmalige Anschluss- oder Freischaltungsgebühr (…) ist damit ebenso unzulässig wie monatliche Wartungsgebühren für anbieterfremde Komponenten und Dienste“, heißt es im Entwurf. Für die Umstellung ihrer Geschäftsmodelle wird den Unternehmen eine Übergangsfrist gesetzt.

Die KBV begrüßt diese Regelung ausdrücklich. Sie fordert zusätzlich eine sektorübergreifende Meldestelle, an die Betroffene sich im Fall von Verstößen wenden können. Zudem wünscht sie die Benennung einer Bußgeldbehörde. Dass wirklich alle Kosten wegfallen, bezweifelt die KBV. Es bestehe das Risiko, dass Hersteller, die zur Anpassung ihrer Systeme verpflichtet sind, die mit der Anbindung der Komponenten entstehenden Kosten über die Preise für andere System-Anpassungen querfinanzieren. Dies müsse gesetzlich ausgeschlossen werden. 

Wechsel des PVS

Auch ein PVS-Wechsel ist derzeit äußert umständlich. Wenn der Gesetzgeber Ärzten aber neue digitale Pflichten zuschreibt, die mit der verwendeten Software nicht zu erfüllen sind, ist ein Wechsel zwingend erforderlich. Derzeit halten die Anbieter teils trotzdem an unangemessenen Kündigungsfristen fest.  

Dieses Geschäftsgebahren resultiere aus der geringen Verhandlungsmacht einzelner Leis­tungserbringer gegenüber den Unternehmen, konstatiert das BMG. Um die Interessen der Ärzteschaft gebündelt zur Geltung zu bringen, soll die KBV künftig verbindliche Rahmenvereinbarungen mit den Herstellern schließen dürfen. Allerdings muss die Regelung nach Meinung der KBV noch konkretisiert werden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Beispielsweise sei unklar, ob auch ein Preis festgelegt werden könne.

Industrie sieht Eingriff in den freien Markt

Die Software-Anbieter im Gesundheitsbereich kritisieren zahlreiche Aspekte des Gesetzentwurfs. So befürchtet der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) Wettbewerbsverzerrungen. Man halte es für „ordnungspolitisch und verfassungsrechtlich höchst bedenklich“, dass die KBV einerseits verbindliche Rahmenvorgaben mit den Herstellern aushandeln soll und gleichzeitig an der Zertifizierung und Zulassung der Systeme mitwirkt.   

Die geplante Verpflichtung, dass PVS-Hersteller Dienste und Komponenten aller Anbieter in ihr System einbinden sollen,  ist nach Meinung des Verbands ebenfalls zweifelhaft. De facto ermögliche der entsprechende Paragraf ein Verbot der Berechnung von erbrachten Dienstleistungen. Dies sei ein Eingriff in den freien Markt und existenzgefährdend für viele Unternehmen. Die Einbindung und Wartung miteinander verknüpfter Komponenten verschiedener Anbieter verursache eben einen höheren Aufwand und damit höhere Kosten.

Anpassung an neue ­Vorgaben

Als weiteres Ärgernis benennt das BMG die langsame Anpassung von Verwaltungssystemen, Komponenten und Diensten an neue gesetzliche Vorgaben. Niedergelassene sind auf die zügige Reaktion der Unternehmen angewiesen, um ihre Digitalisierungspflichten erfüllen zu können und nicht sanktioniert zu werden. Daher soll künftig eine Vermutungsregel greifen. Sie gilt, sobald gesetzliche Regelungen die Nutzbarkeit der Programme erheblich einschränken oder ganz verbieten, weil die Anforderung seitens des Unternehmens nicht fristgerecht umgesetzt wird. In diesem Fall wird von „keiner gesetzlichen Risikozuweisung zulasten der Leistungserbringer“ ausgegangen.  

Grundsätzlich wird im Gesetzes­entwurf auch auf den Tatbestand der „schwerwiegenden Änderung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 BGB Absatz 1 erinnert. Dieser besagt, dass eine Anpassung des Vertrags eingefordert werden kann, wenn sich die Umstände, unter denen dieser geschlossen wurde, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Insbesondere wenn Software-Hersteller sich nicht auf eine Verhandlung über den Vertragsausstieg und die Wechselkosten einlassen, können Mediziner auf die Regelung verweisen. Die Partei, die sich auf den Paragrafen beruft, muss die schwerwiegende Änderung der Umstände allerdings darstellen.

Wenn der ordnungsgemäße Praxis­betrieb aufgrund der verzögerten Bereitstellung von Komponenten oder Diensten bzw. Anpassungen des PVS nicht mehr möglich ist, kommt aus Sicht des BMG nur die Kündigung des Vertrags in Betracht. Allerdings könne es in Einzelfällen auch sein, dass der ordnungsgemäße Praxisbetrieb durch eine verzögerte  Anpassung noch gelingt.

Verordnungsdaten an DiGA-Anbieter weiterleiten?

Neben den Bestimmungen für Softwarehersteller enthält der Referentenentwurf des Krankenhauspflege­-Entlastungsgesetzes noch weitere Bestimmungen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. So ist die verpflichtende Anwendung des E-Rezepts teils erst ab 2024 geplant. Zudem sollen die digitalen Verordnungsdaten über Schnittstellen an verschiedene Beteiligte übermittelt werden können – unter anderem an die Anbieter von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Die KBV rät dem Gesetzgeber von diesem Schritt ab. Es stelle sich die Frage, mit welcher versorgungspolitischen Zielsetzung die Hersteller Arzneimittelverordnungsdaten erhalten sollten. Zudem bestehe das Risiko eines Eingriffs in die Therapiefreiheit der Mediziner, wenn DiGA Versicherten mitteilen, die App sei bevorzugt mit bestimmten Medikamenten zu kombinieren. Natürlich droht auch der Verlust sensibler Gesundheitsdaten.

Medical-Tribune-Bericht

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