Anzeige

Asbestrisiko in Wohnungen – viele Mieter sind nicht informiert

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Vermieter sollten die Pflicht haben, aufgrund seiner gesundheitsschädlichen Bestandteile, über Asbest in der Wohnung aufzuklären. Die Vermieter sollten die Pflicht haben, aufgrund seiner gesundheitsschädlichen Bestandteile, über Asbest in der Wohnung aufzuklären. © fotolia/Tsuboya
Anzeige

Kaum ein anderer Werkstoff wurde – vor allem in den 1960er und 1970er Jahren – so viel eingesetzt wie Asbest. Heute ist die Nutzung dieses gesundheitsschädigenden Materials verboten. Doch in vielen Wohnungen steckt es noch immer – und die Mieter hämmern, bohren, renovieren, ohne die Risiken zu kennen.

Als sie älter wurde, entschied sich Ursula Schielke zum Umzug in ein kleineres Zuhause. Ruhig und mit viel Grün sollte die Gegend sein, preisgünstig die Wohnung. 2003 zog sie in eine Einraumwohnung der Stiftung der Sparkasse Bremen. Alles war frisch renoviert. Die Seniorin war zufrieden. An eine Wand im Bad passte sogar der große Spiegel.

„2011 machte sich zunehmend ein unangenehmer Geruch in Flur und Bad bemerkbar“, berichtet die Seniorin Medical Tribune. Als sie das Lüftungsgitter über dem Spiegel reinig­te, habe sie bemerkt, dass es voll mit grauem Staub war. Sie informierte den neuen Vermieter. Ein vorbeigeschickter Architekt sagte ihr, dass die Schachtwände aus Asbest seien.

Ein Fall für Umweltschutz-, Bau- und Rechtsexperten

„Und ich habe ahnungslos auch noch in die Wand gebohrt“, sagt die Frau. Offenbar war sie damit nicht die Einzige im Haus gewesen und der Luftzug hatte von allen produzierten Asbeststaub im Schacht nach oben getragen.

Bis heute ist das Problem vom Vermieter nicht endgültig gelöst, trotz Hilfe von zwei Anwälten. Dabei mangelt es nicht an Spezialisten, die sich in Schielkes Wohnung zeitweise fast die Klinke in die Hand gaben. Mitarbeiter des Bremer Umwelt­instituts und der Baubehörde waren vor Ort, Architekten und diverse Handwerker. Einen Handwerker hat sie nach telefonischer Rücksprache mit dem Bauamt vor die Tür gesetzt, weil er – trotz hoher gesetzlicher Auflagen für Arbeiten am Asbest – begonnen hatte, ein Loch in ein Asbestlüftungsrohr zu schlagen.

„Eigentlich“, so Schielke, „müsste jeder Vermieter per Gesetz verpflichtet werden, bereits vor Unterzeichnung eines Mietvertrages über Asbest in der Wohnung zu informieren“. Aber dann, vermutet sie, würden sich vielleicht nicht mehr alle asbestbelasteten Wohnungen vermieten lassen.

Die Bremerin sieht die Politik in der Pflicht. Umziehen, wie ihr der Vermieter zwischenzeitlich nahegelegt hat, wird sie jedenfalls nicht. Ihr Fall liegt jetzt vor Gericht. Sie hofft, dass der Vermieter abgemahnt wird, weil er den Asbest in der Wohnung verschwiegen und den Mangel nicht schnell beseitigt hatte. Ist dem so, will sie ihr Urteil öffentlich machen. „Schließlich betrifft es nicht nur mich, sondern viele Mieter in der Stadt.“ Schielke gibt sich kämpferisch. Vor Jahren hat sie sich für silikongeschädigte Frauen eingesetzt und wurde dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Gefährliche Faser

  • Die GESTIS-Stoffdatenbank beschreibt Asbest als eine Gruppe anorganischer, natürlich vorkommender, kristalliner Silikate, die in Form von Fasern bzw. Faserbündeln auftreten. Die Fasern können bei mechanischer Beanspruchung längs in immer dünnere Fasern aufspleißen, welche in den krebserregenden Stäuben beim Umgang mit Asbest oder asbesthaltigen Materialien auftreten. Asbest ist beständig gegen Feuer und extreme Hitze.
  • Nach Angaben des Umweltbundesamtes wurden in den Jahren 1950 bis 1985 etwa 4,4 Mio Tonnen Asbest verarbeitet – in weit mehr als 3000 unterschiedlichen Produkten.
  • 1993 wurde vom Gesetzgeber die Herstellung und Verwendung von Asbest endgültig untersagt. Seit 2005 ist auch Wiedereinbau und das Verschenken von asbesthaltigen Gegenständen verboten. Die EU hat in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung/EU-Chemikalienverordnung) „Beschränkungen der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse“ verankert. Das Gefahrenpotenzial wird durch die Eigenschaft H7 „krebserzeugend“ (Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG) ausgedrückt.
  • Als Berufskrankheiten gelten inzwischen die Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura sowie Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs oder Eierstockkrebs nach Einwirkung von Asbestfasern, ebenso ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards.

Bremer GEWOBA stellt sich dem Problem

Das Asbest-Problem haben in Bremen auch andere erkannt. So gibt es in der Hansestadt ein Modellprojekt der GEWOBA Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen – unterstützt u.a. von der Gesundheitsbehörde. In diesem wird erprobt, wie Mieter und Neumieter geschützt werden können. „Asbest wurde bis 1995 immer wieder verbaut. Das Thema kann nahezu alle Immobilieneigentümer betreffen“, sagt Diplom-Ingenieur Lars Gomolka, technischer Prokurist der GEWOBA. „Wir haben uns deshalb entschlossen, es aktiv anzugehen.“ Zum Bestand des Unternehmens gehören 32 000 vor 1995 erbaute Wohnungen. Diese sind inzwischen in einem Kataster registriert und die Mieter wurden zum Sachverhalt informiert. Vor Mieterwechseln werden die Wohnungen geprüft und im Zweifelsfall saniert. Alle Bauleiter und Kundendienstleiter der Wohnungsgesellschaft erwarben den Sach- und Fachkundenachweis für den Umgang mit Asbest bei Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten. Hauswarte müssen eine Handlungsanweisung zum Umgang mit asbesthaltigen Bodenbelägen beachten. Nach Angaben der GEWOBA war bei den bis Ende November erfolgten Überprüfungen von 2800 eigenen Wohnungen in Bremen das Resultat in 68 % positiv, in Bremerhaven waren es 38 % von 1100 Wohnungen. Fachgerecht saniert bzw. teilsaniert wurden bisher 1600 Einheiten. Im Schnitt bedeutete das pro Wohnung Kosten in Höhe von 3370 Euro. Insgesamt rechnet die Gesellschaft mit 70 Mio. Euro, die zu investieren sind. Die Erkenntnisse aus dem Modellverfahren sollen zu einem späteren Zeitpunkt idealerweise durch die gesamte Wohnungswirtschaft einheitlich im Land Bremen Anwendung finden.
Anzeige