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Desconectar – sollte ich öfter machen

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

Wir spielten Gesellschaftsspiele und das Handy blieb ganz ohne schlechtes Gewissen aus. Wir spielten Gesellschaftsspiele und das Handy blieb ganz ohne schlechtes Gewissen aus. © Fotolia/danrentea
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: „Internet-Ferien" und „Urlaub von der Elektronik" – mein persönliches Ostergeschenk.

Der Ostersonntag in diesem Jahr war genau wie die vorangegangenen. Nach der Feier der Osternacht versammelte sich die Großfamilie zum Osterfrühstück um den reich gedeckten bunten Tisch, etwas übernächtigt, hungrig und in freudiger Erwartung eines gemütlichen und reichlichen Frühstücks.

Gerade als sich alle setzten, läutete das Telefon. Ja, ich muss zugeben, ich lasse oft am Wochenende das Handy an, da viele Patienten seit der Reform des Bereitschaftsdienstes vergeblich auf einen Besuch des Fahrdienstes warten – was absolut verständlich ist. Der Riesenbezirk ist einfach nicht zu schaffen! Und ich kenne ja „meine“ Patienten, sodass viele Anliegen oft mit einem Telefonat erledigt sind. Und so kommt es auch an den meisten Ostersonntagen vor, dass ein Patient anruft.

„Medikamente sind ja soooo gefährlich!“

Nun, diesmal war eine ältere Patientin am Telefon und klagte über Übelkeit und einen massiv erhöhten Blutdruck. Glücklicherweise hatte ich ihr am Gründonnerstag das Notfallmedikament verordnet und ich konnte sie überzeugen, es nun auch einzunehmen. „Medikamente sind ja soooo gefährlich!“ war die Aussage der Patientin. Dass zu hoher Blutdruck auch mal soooo gefährlich sein kann, war ihr nicht beizubringen. Mit der Bitte, sich wieder zu melden, wenn es ihr nicht besser gehe, beendete ich das Telefonat und ging frühstücken. Aber irgendwie blieb eine gewisse Besorgnis, eine innere Unruhe. Um dieses unangenehme Gefühl loszuwerden, rief ich gegen Mittag die Patientin an. Der Blutdruck war in Ordnung, deshalb hatte sie nicht mehr angerufen, aber die Übelkeit war geblieben.

Schleunigst machte ich mich also auf den Weg. Und traf eine motorisch unruhige, ängstliche Patientin an mit allen klassischen Zeichen eines Ileus: aufgetriebenes Abdomen, fehlender Windabgang, fehlende Darmgeräusche. Die Blutdruckwerte waren mittlerweile hypoton. Ich vertraute die Patientin rasch den Kollegen im Krankenhaus an und fuhr beruhigt nach Hause. Es wurde noch ein schöner Nachmittag mit fast klassischem Osterspaziergang, guten Gesprächen, Spaß, politischen Diskussionen und Erzählungen.

Den Nachbarn konnte ich nur an seiner glimmenden Zigarettenspitze erkennen

Dann kam die Überraschung: Gerade hatte ich den traditionellen Braten für das Abendessen in den Backofen geschoben, da wurde es plötzlich dunkel. So richtig schwarz. Kein Licht, kein Ofen, kein leuchtendes Display. Der Strom war weg. Im Sicherungskasten standen die Schalter brav in Reih und Glied, so wie es sein soll. Auf der Straße war alles dunkel und unser Nachbar, den ich nur an seiner glimmenden Zigarettenspitze erkennen konnte, unterhielt sich mit einem anderen Nachbarn über einen Stromausfall in der ganzen Stadt. Was für eine böse Überraschung!

Zunächst waren wir ein bisschen ratlos. Informationen aus dem Internet konnten wir nicht bekommen, da wir auch kein Netz hatten. Eine Bekannte aus dem Nachbarort stand plötzlich auf unserer Terrasse, weil sie kein heißes Wasser für ihre Kleinkinder zubereiten konnte. Also auch dort. Ich gab ihr unseren Camping-Gaskocher mit.

Und was soll ich sagen? Es wurde noch ein wunderbarer Abend. Wir brutzelten den Osterbraten über Holzfeuer, aßen bei romantischem Kerzenschein vor dem Kamin, da auch die Heizung langsam schwächelte. Und spielten Gesellschaftsspiele, die wir schon seit Jahren nicht mehr benutzt hatten. Das Handy blieb ganz ohne schlechtes Gewissen aus. Selten habe ich mich so gut an Ostern entspannt. Für mich war der Stromausfall ein persönliches Ostergeschenk.

„Desconectar“ nennen die Spanier diese Art des Sich-Entspannens, zu übersetzen mit „Internet-Ferien“ oder „Urlaub von der Elektronik“. Sollte ich öfter machen.

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