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Recht der Personengesellschaften Einer für alle, alle für einen

Interview Autor: Anouschka Wasner

Das neue Gesetz zur Modernisierung von Personengesellschaften hat unter Umständen auch Bedeutung für bestehende ärztliche Gesellschafterverträge. Das neue Gesetz zur Modernisierung von Personengesellschaften hat unter Umständen auch Bedeutung für bestehende ärztliche Gesellschafterverträge. © Tech Hendra – stock.adobe.com
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Zum 1. Januar 2024 tritt ein Gesetz in Kraft, das das Recht der Personengesellschaften reformiert. Wir sprechen mit dem Rechtsanwalt Dirk R. Hartmann aus Frankfurt: Was bringen die Änderungen für ärztliche Trägergesellschaften mit sich? 

Herr Hartmann, wie wirkt sich das neue Gesetz zur Modernisierung von Personengesellschaften – kurz: MoPeG – auf bestehende ärztliche Gesellschafterverträge aus?

Rechtsanwalt Dirk R. Hartmann: Viele Ärztinnen und Ärzte, die in einer Berufsausübungsgemeinschaft oder einem MVZ niedergelassen sind, sind in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, also einer GBR, oder in einer Partnerschaftsgesellschaft organisiert. Sie sind dann von der Neuregelung betroffen. Aber, um das vorweg zu nehmen: Das bedeutet nicht, dass bestehende Gesellschaftsverträge unwirksam werden – es muss niemand Sorge haben, dass seine Gesellschaft demnächst im rechtsfreien Raum steht. Trotzdem müssen sich die Ärztinnen und Ärzte informieren und es gibt Punkte, an denen Handlungsbedarf bestehen kann.

Was sind die Kernpunkte der gesetzlichen Neuerungen?

Hartmann: Der Gesetzgeber hat mit den Änderungen vieles von dem aufgegriffen, was der GbR in der Praxis von der Rechtsprechung bereits zugestanden wird. Zum Beispiel ist jetzt explizit vorgesehen, dass die GbR im Außenverhältnis rechtsfähig sein kann. Das wurde ihr bisher nur von der Rechtsprechung zugesprochen. Es wird außerdem ein Unternehmensregister eingeführt, wie es für Partnerschaftsgesellschaften, GmbH, Genossenschaften und eingetragene Vereine ohnehin schon existiert. Dann lässt sich gegenüber Außenstehenden besser klären, welchen Namen die Gesellschaft hat und ob und in welchem Umfang einem Gesellschafter Vertretungsmacht erteilt ist. Der Eintrag in das Register ist zwar nicht verpflichtend. Möglicherweise verlangen die Zulassungsausschüsse aber den Registereintrag für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und MVZ. Und auch die Gesellschafter dürften ein Interesse daran haben.  

Was Ärztinnen und Ärzte besonders interessiert: Ändern sich denn die Regelungen zur Haftung?

Hartmann: Nein, grundsätzlich nicht. Es gilt nach wie vor das Musketier-Prinzip, das heißt „Einer für alle, alle für einen!“. Innerhalb der GbR sieht der Gesetzgeber im Außenverhältnis nach wie vor keine Begrenzung der Haftung in Bezug auf das Privatvermögen eines Gesellschafters vor. 

Der Gesetzgeber hat jetzt aber auch für den Eintritt eines Gesellschafters die bisherige Rechtsprechung bestätigt und sieht vor, dass dieser auch für Altverbindlichkeiten haftet. Und einen ausscheidenden Gesellschafter trifft auch die Nachhaftung: Er hat unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber den Gläubigern nach Außen für Verbindlichkeiten einzustehen. Das gilt für die Dauer von fünf Jahren, wenn die Gesellschaft und die anderen Gesellschafter nicht zahlen können, wollen oder sonst nicht in der Lage sind, den ausscheidenden Gesellschafter freizustellen. 

Interessant ist dabei die Neuregelung des § 728b Abs. 1 S. 2 BGB, wonach die Nach-Haftung des ausscheidenden Gesellschafters für Schadensersatz-Verbindlichkeiten nur greift, wenn die Verletzung der Pflichten vor dem Ausscheiden des Gesellschafters eingetreten ist.

Können Sie diese Verbindlichkeitsregelung an einem Beispiel erklären?

Hartmann: Scheidet ein Arzt oder eine Ärztin etwa mit dem 31.12. eines Jahres aus der GbR einer BAG aus und ein Patient macht dann Ansprüche auf Schadensersatz aus einem mutmaßlichen Behandlungsfehler geltend, ist entscheidend, ob der Behandlungsfehler vor oder nach dem Ausscheiden des Gesellschafters begangen wurde. Wurde er erst danach begangen, besteht keine Nachhaftung für den ausscheidenden Gesellschafter. Das ist besonders dann wichtig, wenn die Berufshaftpflichtversicherung nicht oder nicht in vollem Umfang eintreten will.

Ein Thema, das zwischen ärztlichen Gesellschaftern immer wieder zu Konflikten führt, ist die Abfindung. Gibt es jetzt gesetzliche Regelungen zur Bemessung der Abfindung, wenn jemand aus einer BAG ausscheidet?

Hartmann: Nein, der Gesetzgeber lässt nach wie vor offen, wie die Abfindung zu bemessen ist. Nach § 728 Abs. 2 BGB ist der Wert des Gesellschaftsanteils im Wege der Schätzung zu ermitteln. Der Gesetzgeber macht keine Vorgaben, welche Bewertungsmethode für die Schätzung zugrunde zu legen ist. Bei BAG hält die Rechtsprechung die modifizierte Ertragswertmethode für geeignet. Auch die Hinweise der BÄK zur Bewertung von Arztpraxen beziehen sich auf eine Ertragswertmethode. Es gibt allerdings nicht „die eine“ modifizierte Ertragswertmethode, sondern viele Varianten. Es wird an keiner Stelle eine bestimmte Methode oder Formel vorgegeben.

Die Rechtsprechung und die Hinweise der BÄK zur Schätzung wurden schon vor Jahrzehnten veröffentlicht. Sind sie noch aktuell?

Hartmann: Alleine die Zeit führt nicht dazu, dass die Rechtsprechung oder die Hinweise der Bundesärztekammer überholt sind. Das heißt: Ist im Gesellschaftsvertrag eine modifizierte Ertragswertmethode für die Bemessung der Abfindung genannt oder wird auf die Hinweise der BÄK verwiesen, bleibt diese gesellschaftsvertragliche Regelung auch mit der Einführung des MoPeG wirksam. 

Aber unter einem anderen Gesichtspunkt ist die Frage berechtigt: Die Situation im ambulanten Bereich war in den 2000er-Jahren nämlich eine ganz andere. Damals gab es mehr in eigenen Praxen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und weniger MVZ. Heute geht die Generation der Baby-Boomer in den Ruhestand und die jungen Ärztinnen und Ärzte geben einer Anstellung den Vorzug gegenüber einer Niederlassung in eigener Praxis. Und besonders haus­ärztliche Praxen finden vor diesem Hintergrund oft keine Nachfolger. 

Für manche Praxen führen die Hinweise der BÄK deswegen möglicherweise zu einem Wert, der sich am Markt schon deshalb nicht realisieren lässt, weil sich gar kein Nachfolger finden lässt. Was hilft es, auf dem Papier einen Wert zu ermitteln, den keiner bereit ist zu zahlen? Problematisch wird es, wenn die Hinweise der BÄK in einem Gesellschaftsvertrag einer Hausarztpraxis vereinbart sind, und das aber dazu führt, dass die verbleibenden Gesellschafter wegen des fehlenden Nachfolgers nicht bereit oder in der Lage sind, dem ausscheidenden Gesellschafter einen solchen Wert auch zu zahlen.

Bei anderen Fachrichtungen, beispielsweise bei der Augenheilkunde oder der Strahlentherapie, können die Hinweise der Bundesärztekammer dagegen zu einem, was den Marktwert angeht, zu niedrigen Wert führen. Nämlich dann, wenn es Investoren gibt, die bereit und in der Lage sind, Gelder zu zahlen, die beträchtlich über dem liegen, was nach den Hinweisen der BÄK in Betracht käme. 

Bei einem Gesellschafterkreis mit unterschiedlichem Lebensalter kann es dann zu Konflikten führen, wenn ein älterer Gesellschafter wegen des – scheinbar – hohen Kaufpreises unbedingt verkaufen will, die jüngeren Gesellschafter aber nicht dazu bereit sind, weil sie nicht als Angestellte eines investorgetragenen MVZ arbeiten wollen.

Welche gesetzlichen Regelungen des MoPeG bleiben denn unverändert?

Hartmann: Die GbR ist nach wie vor der Grundtypus der Personengesellschaften und es gilt ein hohes Maß an  Formfreiheit. Man muss also nicht zum Notar gehen, um eine GbR zu gründen und einen Gesellschaftsvertrag abzuschließen oder einen Gesellschafterbeschluss zu fassen. Es würde sogar ein Handschlag reichen. Dennoch empfiehlt sich natürlich aus Gründen der Beweissicherug immer die Schriftform, zumal Banken und Zulassungsausschüsse die Vorlage schriftlicher Gesellschaftsverträge verlangen können. Es gilt außerdem auch nach wie vor der Grundsatz der Vertragsfreiheit, das heißt, die Beteiligten können auch künftig von gesetzlichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag abweichen – wenn die Abweichung nicht ausdrücklich verboten ist.

Welche Abweichung ist denn beispielsweise verboten?

Hartmann: Ärzten und Ärztinnen ist es sowohl berufsrechtlich wie vertragsärztlich z.B. nicht erlaubt, für die Zuweisung von Patienten oder Material ein Entgelt oder einen sonstigen Vorteil zu erhalten. Würde etwa ein Gesellschaftsvertrag einer überörtlichen BAG zwischen einem konservativ tätigen und einem operativ tätigen Augenarzt bei der Gewinnverteilung eine Regelung enthalten, nach der ein Kollege vom anderen einen von Zuweisung abhängigen Gewinnanteil erhält, wäre das ein Verstoß gegen diese Normen. Die Regelung zur Gewinnverteilung wäre damit nichtig. Abgesehen davon können sich die Beteiligten sogar strafbar machen. 

Ist es denn aktuell notwendig, den Gesellschaftsvertrag einer BAG oder eines MVZ zu überarbeiten?

Hartmann: Alleine wegen der gesetzlichen Neuregelung nicht. Der Gesellschaftsvertrag einer BAG oder eines MVZ wird damit ja nicht unwirksam. Es ist jedoch auch ohne die gesetzliche Änderung des MoPeG sinnvoll, einmal geschlossene Gesellschaftsverträge zu prüfen. Nicht alleine wegen einer Anpassung an die neue Gesetzeslage, sondern um zu klären, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse, die dem einmal geschlossenen Gesellschaftsvertrag zugrunde lagen, geändert haben. In meiner Anwalts­praxis habe ich häufig beobachtet, dass solche Themen von den Gesellschaftern trotz aller gut gemeinter Ratschläge von Steuerberatern und Anwälten gerne aufgeschoben werden, weil andere Themen des Alltags dringlicher sind. 

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