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Europäisches Diabetes-Netzwerk EUDF Europaweit vernetzen – auf nationaler Ebene handeln

Autor: Antje Thiel

Bislang hat Deutschland noch keine nationale Vertretung im European Diabetes Forum (EUDF), das u.a. von EASD und FEND gegründet wurde. Bislang hat Deutschland noch keine nationale Vertretung im European Diabetes Forum (EUDF), das u.a. von EASD und FEND gegründet wurde. © Denys Rudyi – stock.adobe.com
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Diabetes hat in ganz Europa epidemische Ausmaße angenommen. Um Forschung, Präventionsprogramme und Selbsthilfe zu stärken, haben einzelne EU-Staaten zum Teil ganz unterschiedliche Konzepte entwickelt. Was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

Eine Nationale Diabetesstrategie ist in Deutschland weiterhin nicht in Sicht. Und nur etwa knapp 40.000 Menschen mit Diabetes sind Mitglied einer Selbsthilfeorganisation. „Unsere zentralen Herausforderungen ähneln denen anderer Länder: Patient*innen haben keine starke Lobby, es gibt regionale Unterschiede im Zugang zur Diabetesversorgung, die Krankenkassen stecken mehr Geld in die stationäre Akutversorgung als in die ambulante sprechende Medizin und es gibt immer noch viel zu tun auf dem Gebiet der Verhältnisprävention“, berichtete DDG-Vorstandsmitglied und Mediensprecher Professor Dr. Baptist Gallwitz bei einem Symposium im Rahmen der letztjährigen Tagung der Europäischen Diabetes-Gesellschaft (EASD). 

Daneben sei es vorrangiges Ziel, die traditionelle Abschottung des stationären und des ambulanten Sektors voneinander zu überwinden. „Außerdem wollen wir endlich ein valides Diabetesregister auf den Weg bringen – die Digitalisierung ist hier eine große Chance“, erklärte Prof. Gallwitz. Dennoch könne die deutsche Diabetologie auf eine Reihe positiver Entwicklungen verweisen. 

Hierzu zählte er die Implementierung translationaler Forschung am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) ebenso wie die verstärkte Zusammenarbeit der Fachgesellschaften und ein allgemein geschärftes Bewusstsein für Diabetes in der Öffentlichkeit – etwa, was den Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz angeht. Auch die freiwillige Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln mit dem Nutri-Score, für die sich die Diabetesorganisationen eingesetzt hatten, wertete Prof. Gallwitz als Erfolg.

DANK als Best-Practice-Beispiel aus Deutschland

Als ein deutsches Best-Practice-Beispiel ging der Referent auf die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) ein, zu der sich 2010 rund 20 wissenschaftliche und andere Fachorganisationen zusammengeschlossen haben. „DANK erhebt vier zentrale Forderungen in Bezug auf die Diabetesprävention: täglich eine Stunde körperliche Aktivität in Kindergarten und Schule, höhere Mehrwertsteuern auf adipogene Lebensmittel und Getränke, verpflichtende Qualitätsstandards für Mahlzeiten in Kindergärten und Schulen sowie Werbeschranken für ungesunde Kinderlebensmittel und -getränke“, sagte Prof. Gallwitz.

Berichte von EUDF-Mitgliedsorganisationen

Italien
Bereits seit Ende 2012 gibt es ein Gesetz, das die Prävention und Therapie von Diabetes regelt, auch ein Nationaler Diabetesplan ist längst implementiert, wie Dr. Agostino Consoli von der Universität Chieti berichtete. Als Nächstes stehen Gesetze auf der Agenda, mit denen körperliche Aktivität als Präventions- und Therapiemaßnahme in den Nationalen Gesundheitsservice integriert wird, ebenso sollen Adipositas-Prävention und digitale Therapien gesetzlich geregelt werden. Die Gründung der italienischen EUDF-Vertretung im Mai 2023 als Denkfabrik, mit der anerkanntes Wissen in politische Maßnahmen übersetzt wird, bezeichnete Dr. Consoli als „guten ersten Schritt, der auch gute Medienresonanz erzielt hat“. Bei EUDF Italia gibt es verschiedene Arbeitsgruppen, z. B. zu Daten & Register.

Frankreich
Mit der Société Francophone du Diabète (SFD) gibt es in Frankreich seit Langem eine große Organisation, die in französischsprachigen Ländern auf fünf Kontinenten aktiv ist (Kanada, Naher Osten, Maghreb, Subsahara-Afrika, Südostasien). Ihr gehören wissenschaftliche Fachgesellschaften ebenso wie Patientenorganisationen an. Ziel der SFD ist es, die Diabetesversorgung in Frankreich und den französischsprachigen Ländern zu fördern.  
„Zweimal im Jahr finden Treffen der gesamten Diabetes-Community statt“, berichtete Professor Jean-François Gautier von der Saint-Louis-Universitätsklinik Paris. Der SFD ist es gelungen, die Kostenerstattung für telemedizinische Verlaufskontrollen durchzusetzen. Was in Frankreich fehlt, ist ein nationales Diabetesregister.

Rumänien
Das Land war 2018 einer der ersten Staaten der Europäischen Union, der ein Nationales Diabetesforum eingerichtet hat, wie Professor Cornelia Bala von der Universität für Medizin und Pharmazie in Cluj-Napoca berichtete.  „Die EUDF hat seine Implementierung sehr unterstützt.“ Dem Forum gehören zehn medizinische Fachgesellschaften, zehn Patientenorganisationen, Behörden und sieben Industrieunternehmen aus dem Diabetessektor an.  „Die Verabschiedung eines Gesetzes zur Prävention und Früherkennung von Diabetes 2020 war ein großer Erfolg.“ Aktuell setzt sich das Forum für die Entwicklung von Screening-Projekten in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Apotheken ein, um möglichst viele unentdeckte Diabetesfälle zu diagnostizieren.

Belgien
Nachdem die zwei ehrenamtlichen Patientenorganisationen an ihre Grenzen gestoßen waren, entschloss man sich Ende 2019, im Belgischen Diabetesforum (BEDF) mit einer geeinten Stimme zu sprechen, erzählte Professor Frank Nobels vom Onze-Lieve-Vrouw Hospital in Aalst. Seine Erfahrung: „Politiker*innen sind offener, wenn man das Argument vorbringt, dass Belgien bei der Diabetesprävention anderen europäischen Ländern hinterherhinkt.“ Einer der Erfolge des BEDF ist die Schaffung einer Gesundheitsdaten-Agentur, die die Nutzung vorhandener digitaler Daten erleichtern soll. Prof. Nobels erklärte außerdem:  „Als komplexe chronische Erkrankung eignet sich Diabetes gut als Matrix für andere nichtübertragbare Erkrankungen.“

Anders als eine Reihe anderer EU-Mitgliedsstaaten hat Deutschland noch keine nationale Vertretung des Europäischen Diabetes-Netzwerks (EUDF) gegründet, das die unterschiedlichen Akteur*innen in der europäischen Diabeteslandschaft vernetzen will. Die Anwesenheit von Vertreter*innen dreier Länder, in denen es bereits EUDF-Vertretungen gibt, nutzte Prof. Gallwitz für die Frage, wie man eine solche Gründung am geschicktesten initiieren kann. „Politiker*innen wissen oft nicht um die Relevanz des Problems“, war die Antwort. Daher müsse man Allianzen schmieden, um gehört zu werden, und die Politik mit Informationen versorgen. „Dabei sollte man nie vergessen, auch die Stimme der Patient*innen mit einzuschließen“, hieß es außerdem.

Kongressbericht: EASD 2023

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