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126. Deutscher Ärztetag Gendersensible Sprache, Kaffee und Tee gewünscht: Worüber der Ärztetag abstimmte

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Beim diesjährigen Deutschen Ärztetag ging es unter anderem um Kaffee, Tee und Dolmetschen. Beim diesjährigen Deutschen Ärztetag ging es unter anderem um Kaffee, Tee und Dolmetschen. © Sonja – stock.adobe.com
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257 Anträge reichten die Delegierten des 126. Deutschen Ärztetages zur Abstimmung ein, die Ergebnisse finden sich im Beschlussprotokoll. Ob und wann sich der Bundesgesundheitsminister die Posten auf der großen Wunschliste zu eigen macht, bleibt abzuwarten.

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach ist seit Dezember im Amt. Überzeugt hat er bisher eher nicht. Vorgänger Jens Spahn war forscher hinsichtlich schneller Regelungen. Nur zwei Gesetze im Gesundheitsbereich sind unter Prof. Lauterbachs Führung auf den Weg gebracht und letztlich beschlossen worden: das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und ein Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes.  

Dabei bedarf es diverser Regulierungen, wie der 126. Deutsche Ärztetag in Bremen nochmals eindringlich verdeutlichte. Dazu gehört die laut Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt seit Jahrzehnten verschleppte Reform der Gebührenordnung für Ärzte: „Wir empfinden dies inzwischen als Affront!“ Mit den Worten „damit Sie den Ärztetag nicht ohne Gastgeschenk verlassen“, übergab Dr. Reinhardt das erste gedruckte Exemplar der neuen, zwischen Ärzteschaft, PKV und Beihilfe abgestimmten GOÄ an den Minister. „Ich werde es vorurteilsfrei prüfen“, versprach Prof. Lauterbach.

Fallpauschalen über Sektorengrenzen und Mitsprache bei politischen Entscheidungen

Der Ärztetag diskutierte zahlreiche weitere Themen, die seit Jahren auf konsequente Umsetzung warten. Zu nennen ist hier die Reform von Notfallversorgung und Krankenhausstruktur, die Novellierung der Approbationsordnung zum Medizinstudium, eine ganzheitliche und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung. Ebenso dringend anzugehen sind aus Sicht der Delegierten brisante Themen wie die Entwicklung von Fallpauschalen über Sektorengrenzen hinweg, sog. Hybrid-DRG, klare ethische Regeln für den Fall einer Triageentscheidung und mehr Fördern statt Fordern bei der Umsetzung der Digitalisierung.

Die Delegierten fordern zudem, dass die praktische Expertise der Kolleginnen und Kollegen von der Politik gehört wird. Ein Ärgernis ist die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“, besetzt vor allem aus Wissenschaftlern. Die Forderung des Ärztetages lautet deshalb: Die Kommission ist um Personen der ärztlichen Selbstverwaltung, der im Krankenhaus vertretenen Gewerkschaften und nicht universitärer Krankenhäuser zu ergänzen. Oder wie es in einem anderen Beschluss heißt: „Vertreter der ,Fläche‘ beteiligen!“

MFA wertschätzen und Private-Equity-MVZ vermeiden

In sieben Beschlüssen steht die Leistung der Medizinischen Fachangestellten im Fokus und die Forderung nach einem staatlichen Coronabonus für diese Fachgruppe bzw. für ambulant tätige Assistenzberufe überhaupt. Gedrängt wird die Bundesregierung auch, per Sofortprogramm eine Weiterbeschäftigung (ggf. in Teilzeit) für interessierte, berentete MFA attraktiv zu machen. Die Delegierten meinen, die Hinzuverdienstgrenze für MFA könne mit Rentenbezug angepasst und ein motivierender Steuerfreibetrag eingesetzt werden.

Sorgenvoll diskutiert wird in der Ärzteschaft das Vordringen privater Geldgeber in der Versorgung. Der Ärztetag drängt deshalb auf eine gesetzliche Regelung, „die nur noch in Ausnahmefällen die Umwandlung von in Niederlassung befindlichen Praxen in durch Investoren geführte medizinische Versorgungszentren im Eigentum von Private-Equity-Gesellschaften ermöglicht“.

Entschädigung bei unbegründeten Wirtschaftslichkeitsprüfungen und gendersensible Sprache

Interessant ist beim Thema Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Niedergelassenen der Blick über die Sektorengrenze. Laut der Delegierten sollen – analog zur Regelung bei Kliniken – die Krankenkassen bei unbegründeten Wirtschaftlichkeits- oder Abrechnungsprüfungen, die zu keiner Minderung der strittigen Summe führen, Betroffenen eine pauschale Entschädigung von 300 Euro je Fall zahlen müssen.

Unter den Beschlüssen befanden sich weiterhin zahlreiche, die nicht direkt die tägliche ärztliche Arbeit betrafen. So soll die Bundesärztekammer für die Verwendung von gendersensibler Sprache sorgen, auch Bezeichnungen der berufspolitischen Organisationen (Ärztekammern) sowie ihrer Hauptversammlung (Ärztetag) betreffend. Dies ermögliche die wertschätzende Ansprache aller, heißt es.

Kaffee, Tee und Dolmetschen

Die Geschäftsführung und der Vorstand der BÄK werden zudem aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass während der Plenarsitzungen der Ärztetage für die Abgeordneten neben Wasser in ausreichender Menge auch Kaffee und Tee zur Verfügung stehen. Die entstehenden Kosten hierfür sollen gemeinschaftlich von den Landesärztekammern übernommen werden.

Angemahnt wird ein Meldesystem für Angriffe auf Einsatzkräfte und medizinisches Personal, sofern noch nicht vorhanden, sowie eine konsequentere Ahndung entsprechender Delikte mit Einverständnis der Betroffenen und unter Freistellung von der Schweigepflicht. Zu oft würden entsprechende Verfahren, z.B. wegen Geringfügigkeit, eingestellt.

Das im Koalitionsvertrag genannte Dolmetschen mithilfe digitaler Anwendungen soll als Bestandteil des SGB V schnell umgesetzt werden, so ein weiterer Auftrag der Delegierten an den Bundestag. Ohne dies sei insbesondere bei der Behandlung von Patienten mit Migrationshintergrund keine ausreichende Information und Aufklärung möglich.

Deutlich positionierten sich die Abgeordneten auch zuden negativen Auswirkungen des rasant steigenden Medienkonsums bei Kindern und Jugendlichen. Mehr Forschung für deutlich mehr Gesundheitsförderung sowie primäre und sekundäre Prävention seien nötig.
Der Ärztetag fordert ferner vom BÄK-Vorstand, sich bei der Politik dafür einzusetzen, dass Zwangsprostitution besser kontrolliert, vermehrt unter Strafe gestellt und damit der Menschenhandel wirksamer bekämpft wird.

Zum Thema Corona und Impfen gegen COVID gibt es ebenfalls Beschlüsse. So wird u.a. die Länderkammer aufgefordert, „das Impfgeschehen zum Wohle der Patientinnen und Patienten in ärztlicher Hand zu belassen“. Das Impfen in Apotheken überzeugt die Mediziner nicht.

Ärztlicher Personalbedarf als das A und O in der Gesundheitsversorgung

Für den Bundesgesundheitsminis­ter dürfte die Auflistung der gesundheitspolitischen Notwendigkeiten vielfach nichts Neues sein. Die Frage ist, wie er sie für seine Aktivitäten einordnet und wann er beginnt, öfter über den Corona-Tellerrand hinauszublicken. Ein Thema stellt BÄK-Präsident Dr. Reinhardt jedoch als besonders dringend heraus: die Sicherung des ärztlichen Personalbedarfs im Gesundheitswesen. Man stehe vor einer enormen Ruhestandswelle.

Eine Analyse seitens der Bundes­ärztekammer, wie viele Beschlüsse früherer Ärztetage sich in politischen Regulierungen wiederfanden, gibt es bedauerlicherweise laut einer BÄK-Sprecherin nicht.

Medical-Tribune-Bericht

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