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Gesellschaft ist auf Konsequenzen des Alzheimer-Tests noch nicht gut vorbereitet

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Eine Demenzdiagnose wirkt sich nicht selten auf die Psyche der Betroffenen aus. Eine Demenzdiagnose wirkt sich nicht selten auf die Psyche der Betroffenen aus. © didesign – stock.adobe.com
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Wollen Sie wissen, ob Sie an Alzheimer erkranken werden? Manche Menschen möchten Klarheit, andere bevorzugen Nichtwissen. Bald werden Tests Vorhersagen möglich machen. Darauf sollte die Gesellschaft vorbereitet sein, sagen Experten.

Folgen einer Prädiktion von Demenzerkrankungen sind in ihrer gesellschaftlichen und individuellen Tragweite möglicherweise gravierend“, geben die Autoren einer Stellungnahme zu Chancen und Risiken der Demenzvorhersage zu bedenken. Potenzieller Schaden entstehe u.a. in Form von psychischer Destabilisierung und Stigmatisierung: „Demenz gilt weithin als menschliche Katastrophe, weil Menschen die Vorstellung haben, sie seien nicht mehr sie selbst.“

Die 24 Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten, Verbänden und Organisationen verweisen auf häufig negative, emotional aufgeladene Deutungsmuster und Bewertungen von Demenz sowie die Stigmatisierung der Betroffenen in der Gesellschaft. Ein solches Klima könne Ängste schüren und die Furcht vor dem Risiko einer Demenzerkrankung verstärken.

Fachgesellschaften sollten auf eine angemessene öffentliche Darstellung hinwirken, wobei Demenz „weder dämonisiert noch verharmlost werden sollte“, meinen die Wissenschaftler. Die Auseinandersetzung mit Demenz lasse sich als Querschnittsthema schon im Deutsch-, Sozialkunde-, Biologie-, Religions- oder Ethikunterricht initiieren und so auch in die Familien tragen.

Demenzerkrankung schon im Schulunterricht thematisieren

Ferner sehen die Experten einen erheblichen Forschungsbedarf, etwa zu einem besseren Leben mit Demenz.

Professor Dr. Stefan Teipel, dessen Schwerpunkt an der Klinik für psychosomatische Medizin der Universität Rostock die klinische Demenzforschung ist, nannte als Vorteile einer frühen Diagnostik eine erhöhte fachärztliche Betreuung, eine kürzere Verweildauer im Krankenhaus sowie die verminderte Einnahme von potenziell ungeeigneten Arzneien. Bislang würden manifeste Demenzerkrankungen in über 50 % der Fälle spät oder gar nicht erkannt. Doch die prognostische Aussagekraft von biologischen Markern für die spätere Entwicklung einer Demenz sei derzeit nicht ausreichend, um ein individuelles Screening von kognitiv unbeeinträchtigten Personen zu rechtfertigen.

Jeder Zweite würde sich testen lassen

Jeder Zweite in Deutschland kann sich vorstellen, einen Test auf eine künftige Altersdemenz zu machen. Auf die Frage nach den persönlichen Folgen eines positiven Ergebnisses erklärten die Menschen, vorsorgen zu wollen für eine bessere Planung im Bereich der Pflege (72 %), der Familie und für das Lebensende (jeweils 62 %). Befürchtet wird eine Ausgrenzung im Beruf (42 %), im Freundes- und Bekanntenkreis (29 %) sowie in der Familie (16 %).

Quelle: AbbVie Healthcare Monitor, März 2018, 1022 Befragte in Deutschland

Die Stellungnahme ist das Ergebnis eines von dem Berliner Institut für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft und dem Göttinger Institut für Ethik und Geschichte der Medizin angeregten und vom Bundesforschungsministeriums geförderten Diskursverfahrens. Die Autoren sprechen sich für eine grundlegende ethisch-rechtliche Auseinandersetzung mit Biomarkern zur Demenzvorhersage ein. Betroffene und ihre Angehörigen müssten auch über die Wahrscheinlichkeit falsch positiver und falsch negativer Befunde, die Prognose und die psychosozialen Folgen für die künftige Lebensgestaltung umfassend informiert werden.

Es darf keinen Druck zur Testung geben

Dies bekräftigte Sabine Jansen, Deutsche Alzheimergesellschaft. Es dürfe keinen Druck zur Testung geben und es sei eine gute Pflichtberatung vor der Entscheidung über einen solchen Test sowie eine Begleitung nach einem positiven Test notwendig. Das Angebot solcher Demenztests im Internet müsse mit Warnhinweisen versehen werden. In der Stellungnahme heißt es: Auch wenn Dritte von den Folgen einer Demenz betroffen sein könnten, rechtfertige dies nicht, „Druck auf Personen auszuüben, sich testen zu lassen“. Alle kontraproduktiven Anreiz- bzw. Sanktionspraktiken seien vom Gesetzgeber strafbewehrt auszuschließen.

Quelle: Pressekonferenz von IEGUS

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