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Guter Rat muss (nicht) teuer sein

Autor: Dr. Jörg Vogel

Nicht zuletzt in der Hausarztpraxis lassen sich Patienten über die Maßnahmen während der Coronapandemie aus. (Agenturfoto) Nicht zuletzt in der Hausarztpraxis lassen sich Patienten über die Maßnahmen während der Coronapandemie aus. (Agenturfoto) © iStock/Inside Creative House; MT
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Unser Kolumnist ärgert sich: Hausärzte sollen krude Theorien der Patienten wieder geraderücken und die Leute motivieren. Heraus kommen weniger Geld, aber genau so viel Arbeit wie vor der Pandemie.

Als Hausarzt gibt es viel zu reden. Wir sind die Berater der Patienten in allen Gesundheitsfragen, bei sozialen Problemen und Schwierigkeiten im Arbeitsumfeld. Letztere betreffen zum Beispiel Mobbing, aber natürlich auch die „Ergophobie“ bei manchen unserer Besucher (die ich dann nicht Patienten nennen möchte). Für unsere Beratertätigkeit bekommen wir gemäß der Abrechnungsziffer 03230 von der gesetzlichen Krankenkasse 14,24 Euro. So weit, so schlecht.

Seit Beginn der Coronapandemie zeichnet sich nun ein neuer Trend ab. Da die jährliche Erkältungswelle ausblieb, nutzen viele Patienten die „Eintrittskarte“ Blutdruckkontrolle, um gleich nach der Messung auf die brennende Frage zu kommen: „Und, Herr Doktor, wie stehen sie zum Impfen? Oder zum Thema Corona?“ Danach folgt ein mindestens zehnminütiger Austausch von Argumenten und Gegenargumenten, aufgeschnappten Meinungen oder in der Verwandtschaft gehörten Dingen. Und schwups, ist eine Viertelstunde um, und ich habe Kopfschmerzen und das Bedürfnis nach Kaffee.

Dann frage ich mich oft: Wie komme ich eigentlich dazu, den Leuten die verkorkste Corona-Politik zu erklären? Oder den Fernsehsendern die Arbeit abzunehmen, weil die sich ausschließlich um die Verbreitung neuer Schreckenszahlen kümmern? Und das alles für 14,24 Euro pro Beratung ...

Ein weiteres riesiges Problem der Menschen, die zu mir kommen, ist ihre Gewichtszunahme. Man will es gar nicht glauben, wie unfit ein Großteil meiner Patienten geworden ist (Leider einschließlich ihres Hausarztes!). Das ist auf jeden Fall einer der größten, von der Regierung in Kauf genommenen „Kollateralschäden“ dieser Pandemie. Neben der Zunahme von Depressionen, Suchterkrankungen und Gewaltexzessen in der Familie.

Und wie zum Hohn spricht man dann in der Mittagspause im Radio schon wieder von höheren Zahlen. Trotz Dauerlockdown, Impfbeginn und kostenlosen Testmöglichkeiten. Vielleicht werden diese Zahlen schlicht überinterpretiert? Weil in ihnen gesunde positiv Getestete und tatsächlich Erkrankte verschwimmen. Ich selbst habe in dem einen Jahr der Pandemie höchstens zwanzig an COVID-19 erkrankte Patienten in meinem Umfeld gesehen.

Auf jeden Fall reicht es den Menschen jetzt. Sie wollen irgendwo Dampf ablassen. Sie glauben den Politikern nicht mehr. Und dafür haben sie als Prellbock und Berater ihren Hausarzt erwählt. Wen auch sonst? Der soll dann krude Theorien wieder geraderücken und die Leute motivieren, auf ihre Impfungen zu warten, bis sie dran sind. Denn geimpft werden wollen die meisten. Weniger aus Angst vor COVID-19, eher aus dem Bangen heraus, ansonsten nie wieder ein freies Leben führen zu dürfen.

So berate ich also den ganzen Tag Menschen für ein kümmerliches Salär, arbeite genauso viel wie vor der Pandemie und sehe am Schluss trotzdem immer weniger Verdienst auf meinem Honorarbescheid. Weil insgesamt weniger Patienten zu mir kommen, die aber deutlich mehr Zeit brauchen. Und die Helferinnen sitzen vorne und üben sich derweil in Bürokratie.

Unsere Gesundheitsministerin hier in Brandenburg hat offenbar auch einen hohen Beratungsbedarf in Coronafragen, obwohl sie ausgebildete Internistin ist. Nur, dass ihre „externen Berater“ von der Beratungsgesellschaft Kienbaum gleich mal 20.000 Euro pro Beratungstag bekommen. So sind laut Lausitzer Rundschau vom 11.03.2021 inzwischen mehr als 543.000 Euro Beraterkosten aufgelaufen. Mit dem Ergebnis, dass Brandenburg Deutschlands Schlusslicht in Impffragen ist.

Nun frage ich mich manchmal in den stillen Stunden nach den Sprechstunden: „Vogel, warum hast du nichts Richtiges gelernt? Warum nicht externer Berater? Für 20.000 Euro pro Tag! Dann bräuchtest Du nur noch mittwochs arbeiten! Aber dann hoffentlich nicht jeden Mittwoch!“

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