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Zulassung entzogen Hausarzt berechnete im Bereitschaftsdienst eine Million

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Die KV beendet Abrechnungsakrobatik nach massiven Verstößen. Die KV beendet Abrechnungsakrobatik nach massiven Verstößen. © Hurca!, J O K E R – stock.adobe.com
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Ein hessischer Mediziner verlor nach massiven Abrechnungsverstößen die Zulassung. Das sei nicht in Ordnung, widersprach der Arzt. Er verhalte sich schon lange regelkonform.

Keine ärztlichen Pflichten zu verletzen, ist eine Selbstverständlichkeit und kein juristisch relevantes „Wohlverhalten“. Das stellte das Sozialgericht Marburg klar und wies die Klage eines Allgemeinmediziners ab, der 2018 seine Zulassung verloren hatte.

Das Urteil ist der vorläufige Schlusspunkt einer mehrjährigen Auseinandersetzung der Prüfgremien mit dem Vertragsarzt. Letzterer hatte im Bereitschaftsdienst über eine Million Euro implausibel abgerechnet. Unter anderem berechnete er Leistungen in ÄBD-Zentralen, in denen er am fraglichen Tag keinen Dienst hatte. Als sich 2009 die Abrechnungsnummer einer Zentrale änderte, rechnete er kurzerhand rund 390 Fälle kumulativ über beide Nummern ab. 2010 legte er für einige Patienten zwei Abrechnungen für den jeweiligen Tag an und machte dabei unterschiedliche Angaben zu den Praxisgebührbefreiungskennziffern.

Plausizeiten lagen bei 16 bis 18 Stunden pro Tag

In einigen Quartalen erbrachte der Arzt auf dem Papier so viele Leistungen, dass er dafür laut Plausibilitätsprüfungen zwischen 16 und 18 Stunden pro Tag hätte arbeiten müssen. Die KV Hessen forderte für zahlreiche Quartale Honorar zurück, woraufhin der Arzt sich regelmäßig an das Sozialgericht Marburg wandte. Es lehnte seine Klagen meist ab.

2018 wurde ihm schließlich die Zulassung entzogen. Vertragsärzte seien zur peinlich genauen Abrechnung verpflichtet. Aus dem fahrlässigen, wenn nicht gar vorsätzlichen Verhalten des Mediziners resultiere „eine tiefgreifende Störung des Vertrauensverhältnisses“, die die „dauerhafte Entfernung aus dem vertragsärztlichen System zwingend erforderlich“ mache.

Auch hiergegen klagte der Arzt vor dem Sozialgericht. Seine Fehler seien entstanden, weil er bis an die Grenze seine Belastbarkeit gearbeitet habe. Er habe nicht vorgehabt, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Außerdem habe er die geforderte Schadenswiedergutmachung geleistet und sich von 2011 bis 2018 nichts zu Schulden kommen lassen. Diese Phase des Wohlverhaltens müsse berücksichtigt werden.

Das Gericht wies die Klage ab. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts von 2012 werde ein mögliches Wohlverhalten bei Zulassungsentziehung nicht mehr geprüft. Es könne höchstens in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden. Allerdings erschöpfe sich Wohlverhalten nicht darin, keine neuen Pflichtverstöße zu begehen. Dies sei lediglich die allgemeine Anforderung an Vertragsärzte. Wohlverhalten setze vielmehr voraus, dass Mediziner aktiv an der Aufklärung der Verfehlungen, der Schadensbegrenzung und Schadensregulierung mitwirken.

Die Richter meinten zudem, der Kläger versuche, die massiven Abrechnungsverstöße zu bagatellisieren. So habe man in vorigen Verhandlungen Hinweise auf „ein planvolles und zielgerichtetes Vorgehen zur Erlangung eines rechtswidrigen Honorarzuwachses“ gesehen. Es sei jedoch ohnehin nicht erforderlich, dass den Arzt ein Verschulden treffe. Auch unverschuldete Pflichtverletzungen könnten zur Zulassungsentziehung führen.

Quelle: Urteil des Sozialgerichts Marburg, Az.: S 12 KA 116/19

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