O-Ton Innere Medizin „Ich bin froh, dass die Zeit der Götter in Weiß vorbei ist“

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Wo früher klare Hierarchien und ein autoritärer Führungsstil dominierten, braucht es heute eine neue Führungskultur. Wo früher klare Hierarchien und ein autoritärer Führungsstil dominierten, braucht es heute eine neue Führungskultur. © SneakyPeakPoints/peopleimages.com - stock.adobe.com

Die nachrückende Medizinergeneration verlangt einen Umbruch in Krankenhäusern und Praxen: Führungskräfte müssen heute deutlich flexibler und empathischer sein, um ihre Teams zu motivieren. Jüngere Vorgesetzte wissen um diese Herausforderung. Mit zwei von ihnen sprechen wir in unserer neuen Folge von O-Ton Innere Medizin.

Wo früher klare Hierarchien und ein autoritärer Führungsstil dominierten, braucht es heute eine neue Führungskultur. Denn wenn junge Fachkräfte eine ihren Bedürfnissen entsprechende Arbeitswelt fordern, sind neben der fachlichen Expertise auch ausgebildete zwischenmenschliche Fähigkeiten gefragt. Sophie Schlosser-Hupf, Internistin und Gastroenterologin am Universitätsklinikum Regensburg, ist eine der Führungskräfte, denen das absolut bewusst ist. Sie leitet eine Ausbildungsstation mit jungen Nachwuchskräften aus der Humanmedizin, der Pflege und anderen verschiedenen Berufen. 

„Das ist für mich eine Herausforderung. Ich komme wirklich sehr früh in Kontakt mit den neuen Generationen – und da tut sich gerade viel und man muss Dinge bewegen, damit die Medizin weiterlebt“, sagt sie. Sonst verliere man zu viele Nachwuchskräfte an andere Branchen. „Wir müssen in der Inneren Medizin eine neue Führungskultur etablieren, um die Leute bei uns zu behalten.“

Gemeinsam mit Dr. Michael Kowar, Internist und Geriater am Johanniter Krankenhaus Bonn, ist sie im Netzwerk für Führungsthemen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin engangiert. Ein wesentliches Problem in der medizinischen Ausbildung sei, dass das Thema Führungskompetenz im Studium kaum behandelt wird. 

Dr. Kowar erklärt: „Das Problem ist, dass wir sechs Jahre lang studieren und genau wissen, was es z. B. mit den biochemischen Abläufen auf sich hat – aber das Thema Führungskompetenzen wird so gut wie nicht angeschnitten. Sobald ich aber auf Station bin, muss ich ganz schnell lernen: Wie delegiere ich, ohne vor den Kopf zu stoßen?“

Jüngere wollen Zeit für die Familie und ihre Interessen

Nicht nur, aber insbesondere die Generation Z hat eine andere Einstellung zu Arbeit und Karriere als ihre Vorgänger. „Ich bin ganz froh, dass die Hierarchien von früher, wo der Chefarzt einen Befehl gegeben hat und der Oberarzt musste das duchführen, vorbei sind“, sagt Dr. Kowar. Besonders wichtig ist den Nachkommenden Flexibilität und Transparenz. 

„Die neue Generation verlangt nach Mitbestimmung und einem Arbeitsumfeld, das ihre persönlichen Werte widerspiegelt“, sagt auch Schlosser-Hupf. Die Balance zwischen Beruf und Privatleben muss stimmen. „Viele junge Ärzte wollen nicht mehr nur für den Beruf leben. Sie möchten Zeit für ihre Familien und persönlichen Interessen haben“, so die Internistin weiter. 

Hier kommt das Konzept von „New Work“ ins Spiel. Die Prinzipien von New Work – mehr Flexibilität für die Mitarbeiter, mehr Partizipation und weniger Hierarchie – sind wichtig in der Medizin. Dr. Michael Kowar erklärt: „Heute müssen Führungskräfte ihre Teams begeistern, motivieren und gemeinsam mit ihnen Lösungen entwickeln.“

Ein weitere Herausforderung für Führungskräfte in der Medizin entsteht durch die Digitalisierung und die KI. Die neuen digitalen Tools verändern die Arbeitswelt der ärztlichen und der Pflegekräfte erheblich, sagt Dr. Kowar. Werden der Endo- oder der Ultraschall-Befund in ChatGPT eingegeben, um von dort eine Zusammenfassung zu erhalten, „muss der Oberarzt, die Oberärztin zusehen, dass der Assistenzarzt nicht seinen Kopf ausgeschaltet hat und alles der Künstlichen Intelligenz überlässt“. 

Auch die Zusammenarbeit mit Fachkräften aus dem Ingenieurswesen und der IT werde immer wichtiger, um passgenaue Lösungen zu entwickeln, die den Arbeitsalltag in der Medizin wirklich verbessern. „Auf der einen Seite sollen digitale Tools die Arbeit erleichtern, auf der anderen Seite gibt es viele rechtliche Hürden und oft sind die Lösungen nicht optimal auf die Bedürfnisse der Mediziner abgestimmt“, sagt Dr. Kowar. Das müsse man besser machen. 

Und ein weiteres Problem: Obwohl immer mehr Frauen in den medizinischen Beruf einsteigen, sind in den Führungsetagen nach wie vor Männer deutlich in der Überzahl. „Wir verlieren in der Medizin hervorragend ausgebildete Frauen nach der Facharztausbildung oder in Teilzeit, weil es keine strukturierten Lösungen gibt, wie sie weiterhin in Vollzeit arbeiten können“, sagt Schlosser-Hupf. Mit der richtigen Unterstützung und flexiblen Arbeitsmodellen lasse sich das aber ändern.

Wenn Sie wissen wollen, was aus Sicht unserer Gäste eine gute Führungskraft ausmacht, welche Konsequenzen sie für sich daraus ziehen, dass heute viele Dienst nach Vorschrift machen und was sie Ärztinnen und Ärzten, die Führungskräfte werden möchten, raten, was diese auf keinen Fall machen sollten – dann hören Sie in unsere aktuelle Folge von O-Ton Innere Medizin rein!

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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O-Ton Innere Medizin ist der Podcast für Internist:innen. So vielfältig wie das Fach sind auch die Inhalte. Die Episoden erscheinen alle 14 Tage donnerstags auf den gängigen Podcast-Plattformen.