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Kein Anschluss unter meiner Nummer

Autor: Dr. Frauke Gehring

„Der Techniker kommt erst morgen Nachmittag!“, sagte mir eine Mitarbeiterin. „Der Techniker kommt erst morgen Nachmittag!“, sagte mir eine Mitarbeiterin. © Fotolia/zwehren
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Das Thema in unserer Praxiskolumne: „Was man nicht kennt, wird durchtrennt“ gilt für Chirurgen und Bauarbeiter gleichermaßen.

Es war so merkwürdig still, kein Telefonklingeln. Nur der Bagger vor der Haustür, der stetig in den Boden biss, störte die ruhige Atmosphäre. Die Patienten strömten zwar, aber das Telefon schwieg beharrlich. Nach einer Viertelstunde merkten wir es alle gleichzeitig: Die Leitung war tot. Offensichtlich hatte der Bagger nach dem ironischen Chirurgenspruch „Was man nicht kennt, wird durchtrennt!“ unser Kabel zerstört. Der Azubi erbot sich nachzufragen: „Jau!“, sagte er schulterzuckend, als er wieder nach oben kam, „das Kabel ist durch! Ich ruf denn mal die Telekom an.“

Es war Freitagmittag, der Feierabend nahte und so richtig schlimm schien das alles nicht. Ich zückte mein Handy und rief die Patienten an, die vorher um einen Rückruf gebeten hatten. Dann schlenderte ich zum Fax­gerät, um die von der KV erbetenen Nachweise für meine DMP-Fortbildungen und den Akupunktur-Qualitätszirkel zu faxen. Doch halt! Das Fax braucht ja eine Telefonleitung. „Das hat ja auch ein paar Tage Zeit“, dachte ich mir in buddhistischem Gleichmut und ging einfach heim.

Montagmorgen wollte ich mit neuem Schwung ans Werk. „Unser Telefon ist immer noch kaputt!“, begrüßte mich die MFA. „Darum kriegen wir auch keine Briefe oder Laborwerte gesendet. Aber der Techniker soll gegen elf Uhr da sein.“ Mit dieser Ansage konnte ich leben. Wenn ein Patient akut Hilfe brauchte, konnte er ja gleich in die Praxis kommen.

„Das Telefon ist nicht ganz tot, es sendet ein Besetztzeichen“, wusste meine Rezeptionistin zu berichten. Das allerdings war ärgerlich. Was würden die Patienten denken? Schnell wollte ich im Internet eine Notiz auf unsere Homepage setzen: „Wir haben uns nicht an den Telefonen festgequatscht, sondern ein technisches Problem!“ Erst, als die Seite sich nicht aufbauen wollte, wurde mir klar: Das geht natürlich auch nicht.

„Der Techniker kommt erst morgen Nachmittag!“, sagte mir kurz darauf eine Mitarbeiterin. Jedes Mal habe sie jemand anderen an der Hotline, klagte sie. „Der Erste sagte, man kann nichts machen, der Zweite wollte sich erkundigen und rief nie wieder zurück, die Dritte versprach eine Rufumleitung aufs Handy, aber seit zwei Stunden passiert nichts!“

Langsam spürte ich zornigen Qualm aus meinen Nüstern aufsteigen. Mittlerweile waren verunsicherte Patienten eingetrudelt und berichteten von Dutzenden von Anrufversuchen. So griff ich wieder einmal zum Handy, sagte dem Roboter am Ende der Hotline mein Begehr und sprach irgendwann tatsächlich mit einer lebenden Person. „Der Techniker schaut erst einmal, woran es liegt, und gibt das dem Bauhof weiter zur Reparatur“, erklärte mir freundlich eine Dame.

Mühsam rang ich um Fassung, sehr wohl bewußt, dass mein Anruf zu Schulungszwecken aufgezeichnet wird. „Für die Diagnose brauche ich keinen Techniker!“, stöhnte ich. „Das verflixte Kabel ist kaputt!“ Meine Gesprächspartnerin blieb gelassen: „Dann gebe ich dem Bauleuten gleich Bescheid. Und die Handyumleitung schalte ich Ihnen sofort frei.“ Sekunden danach klingelte das Praxishandy und ein entnervter Patient fand endlich Gehör.

Beruhigt plauderte ich mittags mit den Bauleuten: „Wie konnte das passieren?“. Sie lächelten: „Die Leitung war im Beton nicht zu sehen, aber sie ist schon wieder heil!“ Tatsächlich? Innerhalb kürzester Zeit war ein Techniker aufgetaucht, der den Schaden geflickt und uns sowie den ebenfalls „isolierten“ Apotheker wieder ans Netz gebracht hatte. Ich war entzückt, wie effizient man uns plötzlich geholfen hatte.

Der unbekannten Dame im Callcenter flocht ich in Gedanken einen Lorbeerkranz: Möge unser Gespräch den anderen wirklich zur Schulung dienen! Beschwingt eilte ich die Treppe hinauf und zum Faxgerät, das schnurrend meine Dokumente fraß. Das Telefon klingelte ununterbrochen und das Internet stellte mir freundlich einen Kreatinin-Clearance-Rechner bereit. Das Leben war schön!

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