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Lieferengpässe Pharmabranche fordert Entlastungen für den Standort Deutschland

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Rahmenbedingungen zur Herstellung von Medikamenten in Deutschland bedürfen einigen Verbesserungen. Die Rahmenbedingungen zur Herstellung von Medikamenten in Deutschland bedürfen einigen Verbesserungen. © ImageFlow – stock.adobe.com
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Pharmazeutischen Unternehmen wird wegen hoher Preise für Innovationen oft Profitgier unterstellt. Lieferengpässe bei Generika deuten allerdings darauf hin: Lässt sich nicht mehr viel verdienen, schwindet das Interesse an der Produktion.

Laut Statista belief sich der Umsatz auf dem deutschen Pharma-Gesamtmarkt bis 2022 auf rund 56,5 Milliarden Euro. Das bedeutet mit Blick auf 15 Jahre zuvor, dass der Umsatz um mehr als das Doppelte gestiegen ist. Das ist eine gute Entwicklung, denn Patienten profitieren davon. Laut Statista wurden im vergangenen Jahr 49 neue Medikamente in den deutschen Markt eingeführt. Der Trend setzt sich 2023 fort. Allein zum 1. Juni 2023 gab es hierzulande über 90 neue Arzneimittel. Neuheiten betreffen vielfach Onkologika. 

Wenn der Patentschutz abgelaufen ist, sinkt der Preis eines Wirkstoffs wegen Nachahmerpräparaten. Zudem üben die gesetzlichen Krankenkassen mithilfe des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) und des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes Druck auf die Preise aus. 

Die Letzten versuchen, die Versorgung zu sichern

Veränderungen im Generikamarkt zeigen sich längst. Bei vielen Arzneimitteln stemmt ein einziger Hersteller 50 % der Versorgung und mehr, schreibt der Branchenverband Pro Generika. „Ob Tamoxifen, Fiebersaft oder Kinder-Antibiotika: Die jüngsten Engpässe konnten nur so dramatische Ausmaße annehmen, weil es zu wenige Hersteller für diese Arzneimittel gibt“, sagt Geschäftsführer Bork Bretthauer. Die Produktion vieler Arzneimittel rechne sich nicht mehr: „Die Letzten versuchen nach Kräften die Versorgung zu sichern – und schaffen es oftmals nicht.“ 

Es geht aber längst nicht mehr nur um Generikapreise in Deutschland, es geht um den Innovationsstandort, um schwierige Rahmenbedingungen für die Pharmabranche und um Arbeitsplätze, die verloren gehen oder schon verloren sind, weil Unternehmen aufgeben oder zwangsläufig die Produktion ins Ausland verlagern. 

Darauf machten sieben große pharmazeutische Unternehmen gemeinsam mit Vertretern der IG Bergbau Chemie Energie beim „Fortschrittsdialog“, einer Rund­reise mit Stopp an Pharmastandorten deutlich. Deutschland drohe, den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren, heißt es.

AMNOG ist eigentlich eine bahnbrechende Innovation

Lars Lindemann, Generalsekretär der FDP Berlin und Mitglied des Bundestages, sieht zwar im AMNOG eine „bahnbrechende Innovation“, aber die einstigen Grundprinzipien für die Nutzenbewertung seien durch die „Leitplanken ein Stück weit eingeschränkt“ worden. Die mit dem GKV-Finanzstabilisierungs­gesetz eingeführten Leitplanken  besagen, dass ein neues Arzneimittel in bestimmten Fällen trotz nachgewiesenen Zusatznutzens nicht mehr als die Vergleichstherapie kosten darf; bei nicht belegtem Zusatznutzen müssen die Kosten niedriger sein. 

„Die aktuellen Eingriffe machen den Bereich der Bewertung strategieanfällig und verstärken die ohnehin bestehende unsachgemäße Vermischung von Bewertung und Preisverhandlung weiter“, meint der Verband forschender Arzneimittelhersteller. 

FDP-Politiker Christian Dürr, bestätigte beim Fortschrittsdialog die negativen Auswirkungen: Ja, die Wettbewerbsfähigkeit am Standort sei unter Druck geraten, man sei im internationalen Vergleich zurückgefallen. Schuldzuweisungen bringen aber nichts, so der Abgeordnete. 

Bei Bürokratie gibt es „zwei Streifen am Horizont“

Dürr zufolge geht es jetzt darum, die Wirtschaft zu entlasten. Die Regierung habe diesen Punkt dem Wettbewerbs­chancengesetz vorangestellt. Die Entlas­tung sei ein wichtiger Schritt hin zu Forschungsförderung und Investitionen in eine schnelle Transformation. „Wir werden auch bei den energiepolitischen Kosten und den Rahmenbedingungen besser werden müssen.“ Beim Bürokratieabbau gibt es laut Dürr „zumindest zwei Streifen am Horizont“. Das Bürokratieentlastungsgesetz IV, wie bei der Kabinettsklausur in Meseberg in Eckpunkten beschlossen, könne die Lasten seitens des Bundes auf ein Minimum reduzieren. Und zur Planungsbeschleunigung werde der Bundestag in den kommenden Wochen auch Einiges tun, kündigte Dürr an. 16 unterschiedliche Baugesetze in Deutschland sowie Klimaschutzvorgaben erschwerten die Ansiedlung von Unternehmen. 

Der Dialog muss jetzt im Kanzleramt fortgesetzt werden

Dr. Sabine Nikolaus, Vorsitzende der Geschäftsführung von Boehringer Ingelheim Deutschland, bemängelte „ein starres AMNOG, welches Innovationen weniger wertschätzt“. Wie lasse sich erklären, dass man in Deutschland ein Produkt entwickle und produziere, in die klinische Forschung gehe, und dann – im Gegensatz zu anderen Ländern – das AMNOG-Bewertungssystem zu dem Schluss komme, dieses brauche die deutsche Bevölkerung nicht. Die Gesetzgebung müsse dringend weiterentwickelt und nachhaltig werden. 

Paula Piechott, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, sprach sich dafür aus, in Diskussionen um Nachbesserungen in der Erstattungssystematik unbedingt die Krankenkassen einzubeziehen. Unterstützung für Reformen kommt aus der Opposition, von MdB Sepp Müller (CDU). FDP-Politiker Lindemann zeigte sich überzeugt, dass der Fortschrittsdialog im Kanzleramt fortgesetzt werden sollte.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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