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Schwerbehindertenausweis: Versorgungsmedizin-Verordnung wird überarbeitet

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Seit 2013 gibt es den Schwerbehindertenausweis im Scheckkartenformat. Seit 2013 gibt es den Schwerbehindertenausweis im Scheckkartenformat. © blende11.photo – stock.adobe.com
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Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Vergünstigungen im täglichen Leben, mit denen Nachteile ausgeglichen werden sollen. Das betrifft auch Menschen mit Diabetes. Grundlage bietet der Schwerbehindertenausweis. Die Teilhabe soll künftig bei der Bewertung des Grades der Behinderung stärker in den Vordergrund rücken.

Bereits zur Einführung des Schwerbehindertenausweises im Bankkartenformat 2013 war ein „Teilhabeausweis“ Thema. 2018 beriet der Bundestag auf Antrag der FDP darüber. Schließlich gibt es in einzelnen Bundesländern bereits eine Ausweishülle mit der Aufschrift „Teilhabeausweis“. Ob der Name tatsächlich geändert wird, ist zurzeit ungewiss. Zumindest aber sollen sich die Grundsätze für die ärztliche Begutachtung im Schwerbehindertenrecht und im Recht der sozialen Entschädigung, die auch Grundlagen fürs Ausstellen des Schwerbehindertenausweises sind, ändern.

Anspruchsvoraussetzungen

Die Schwerbehindertenausweisverordnung regelt die Voraussetzungen für den Ausweis, ausgehend vom Grad der körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen. Je nach Versorgungsdefizit werden Einschränkungen nach Grad der Behinderung (GdB) 20 bis 100 beschrieben. Ein Anrecht auf den Schwerbehindertenausweis besteht zurzeit ab GdB 50. Das Versorgungsamt stellt den Ausweis i.d.R. zunächst für längstens fünf Jahre aus. Er kann zweimal verlängert werden und bei gleichbleibender Art und Schwere der Behinderung auch unbefristet gültig sein.

Bestimmte Störungen sollen höher bewertet werden

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) legte 2018 einen Entwurf zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vor. Bestimmte Störungen werden damit anders als vor 20 oder 30 Jahren betrachtet. So sollen bspw. Gesundheitsstörungen, die sich auf die Feinmotorik der Hände besonders auswirken, in Zukunft deutlich höher bewertet werden als bisher. Das trifft auch auf die Lesefähigkeit bzw. deren Beeinträchtigung mit Blick auf die digitale Kommunikation zu. Die Überarbeitung der Grundsätze hat sich coronabedingt verzögert, bemerkt Dr. Wolfgang Wagener­, Ärztlicher Referent bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, Internist und Vorsitzender des Ausschusses Soziales der DDG. Er rechnet nicht vor 2021 mit den Anpassungen. Vorgesehen gewesen sei ein Beschluss Ende 2020. Noch wisse man nicht, was das Vorhaben bringen werde. Er hoffe, keine Einsparungen. Wie Dr. Wagener berichtet, sind Dr. Peter Hübner vom Ausschuss Soziales der DDG sowie Dr. Kurt Rinnert im Auftrag des BMAS als Experten für Diabetes an den Gesprächen beteiligt. Streitpunkte bezüglich der Beurteilung der Stoffwechselerkrankung gebe es im Diskussionsverfahren nicht. „Da haben wir uns gut abgestimmt, auch mit den Kinderdiabetologen.“ Die Änderungen der Versorgungsmedizin-Verordnung sei aber als ganzes Werk zu betrachten. Zu den zu erwartenden Neuerungen bezüglich Diabetes ist Dr. ­Wagener zurückhaltend, letztlich müsse die komplette Überarbeitung vom BMAS auch bestätigt werden.

Anrecht auf Nachteilsausgleiche u.a. bei Steuer, Job und Rente

Grundsätzlich können mit einer festgestellten Behinderung sog. Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden. Das betrifft Vorteile am Arbeitsplatz, einen besonderen Kündigungsschutz, bessere Chancen auf Verbeamtung, eine vorzeitige Altersrente und Steuerfreibeträge. Nachzulesen ist das – vielfach bezogen auf Diabetes mellitus – auf der Website diabetes-und-recht.de von Rechtsanwalt Oliver Ebert, ebenfalls Ausschuss Soziales. So könne das Merkmal „H (Hilflosigkeit) bei jungen Menschen mit Diabetes problemlos bis zum 16. Lebensjahr im Ausweis zuerkannt werden. Das berechtige zur kostenlosen Beförderung im Nahverkehr. Der Jurist verweist jedoch auch auf mögliche Nachteile für den Ausweisinhaber. Eine bevorzugte Einstellung von schwerbehinderten Menschen sei nicht immer sicher, in vielen Fällen bedeute der Schwerbehindertenausweis das Aus für eine Bewerbung. „Gerade junge Menschen mit Diabetes, die Arbeit suchen oder am Anfang des Berufslebens stehen, können durch die Schwerbehinderung erhebliche Nachteile haben. Auch der erhöhte Kündigungsschutz bringt erst dann etwas, wenn man bereits einen Arbeitsplatz hat.“ Auch Dr. Wagener spricht von einem zweischneidigen Schwert. Auf der einen Seite habe man als Schwerbehinderter fünf Tage mehr Urlaub im Jahr. Andererseits: Wolle ein junger Diabetespatient den Führerschein machen, könne es so Probleme geben. „Man muss die Vorteile gegen die Nachteile abwägen.“
Dr. Wolfgang Wagener, Vorsitzender ­Ausschuss Soziales Dr. Wolfgang Wagener, Vorsitzender ­Ausschuss Soziales © zVg
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