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Streit um Sonderbedarf: Freie Behandlungskapazitäten müssen fundiert ermittelt werden

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Der Antrag ging bis vor das Bundessozialgericht. Der Antrag ging bis vor das Bundessozialgericht. © iStock/AndreyPopov
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Bis vor das Bundessozialgericht musste ein Medizinisches Versorgungszentrum aus Hessen ziehen, um mehr Arbeitszeit für einen angestellten Krebsspezialisten abrechnen zu können. Der Zulassungsausschuss hatte die Erhöhung eines Sonderbedarfs von 20 auf 40 Stunden abgelehnt. Jetzt muss dieser noch einmal nachermitteln.

Einen Sieg vor dem Bundessozialgericht (BSG) konnte indirekt ein Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie in Hessen verbuchen. Vorausgegangen war die Klage der Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) im Planungsbereich Nordhessen gegen den Zulassungsausschuss.

Die GmbH hatte beim Zulassungsausschuss beantragt, die Anstellungsgenehmigung des angestellten Krebsspezialisten wegen Sonderbedarfs von 20 auf 40 Wochenstunden zu erhöhen. Das war abgelehnt worden, weshalb eine Klage vor dem Sozialgericht Marburg erfolgte. Diese lehnte das Gericht jedoch ab. Der Beklagte haben zutreffend einen Sonderbedarf verneint.

Der Berufungsausschuss hatte argumentiert, die Versorgung im hämatologisch-onkologischen Bereich sei durch die bestehenden Versorgungsangebote in der Raumordnungsregion Nordhessen sowie in den angrenzenden Planungsbereichen sichergestellt. Er berief sich dabei auf eine Umfrage bei zwölf Ärzten im Umkreis des MVZ. Diese habe ergeben, dass mehrere Ärzte noch über freie Kapazitäten von bis zu 200 Patienten pro Quartal verfügten bzw. in der Lage seien, ihre Leistungen um 20 % zu steigern.

Da das gesamte Abrechnungsvolumen der in dem Planungsbereich niedergelassenen Hämatologen/Onkologen bei Herausrechnung des Leistungsvolumens der Klägerin bei 97,06 % des Landesdurchschnitts liege, seien freie Kapazitäten im Bereich Hämatologie und Onkologie vorhanden. Die Tatsache, dass die Klägerin selbst überdurchschnittlich abrechne, zeige lediglich, dass die Patienten ungleich verteilt seien.

Zulassungsausschuss muss noch einmal recherchieren

Das MVZ sah die Ablehnung des Zulassungsausschusses auf nicht ausreichend fundierte Ermittlungen gegründet. Insbesondere sei versäumt worden, die Angaben der befragten Ärzte anhand ihres Abrechnungsvolumens zu verifizieren und zu objektivieren. Dies bestätigte das BSG. Der Kasseler Senat entschied am 17. März, dass der Berufungsausschuss neu über den Antrag der Klägerin entscheiden und weitere Ermittlungen durchführen muss. Dass an den vom Standort des MVZ und Umgebung aus zumut­bar erreichbaren Praxisstandorten in hinreichendem Umfang freie Kapazitäten bestünden, stehe nicht mit der notwendigen Gewissheit fest.

„Grundsätzlich müssen Angaben von Praxen über freie Kapazitäten mit der Information darüber verbunden werden, wie hoch die reale Fallzahl der Praxis aktuell ist und wie sich das zum Durchschnitt verhält.“ Die Voraussetzungen eines Sonderbedarfs sind laut BSG erfüllt, wenn nicht andere hämatologisch tätige Praxen über freie Behandlungskapazitäten verfügen und diese Praxen für die Versicherten zumutbar erreichbar sind.

Quelle: BSG: B 6 KA 2/20 R

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