
Mit oder ohne Handschuhe? Warum die richtige Indikation entscheidend ist

Mit einer Kampagne für den gezielten Einsatz von Einweghandschuhen will das Kompetenzzentrum für klimaresiliente Medizin und Gesundheitseinrichtungen (Klimeg) für mehr Hygiene, Umweltschutz und gesündere Haut im Gesundheitswesen sorgen. „Handschuhe ersetzen nicht die Händedesinfektion“, erklärt dazu Dr. Sybille Barkhausen vom Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Uniklinik Freiburg. Denn unsterile Handschuhe weisen je nach Hersteller Mikroperforationen auf. In 10 % der Fälle können dadurch Partikel auf den eigenen Körper gelangen.
Genauso könne auch kontaminiertes Material vom Handschuh auf die eigenen Hände gelangen. „Das haben wir am Klinikum getestet, indem sich Mitarbeitende Farbe auf die Einweghandschuhe aufgetragen und diese anschließend benutzt haben.“ Daraufhin habe man vereinzelt Farbspritzer an den Händen der Mitarbeitenden gefunden.
Studien zeigen außerdem, dass dauerhaftes Tragen von Handschuhen Hautirritationen und Entzündungen verursachen kann. Das liegt daran, dass sich zwischen Handschuh und Haut eine feuchte Kammer bildet, die die Haut aufweicht und ihr schadet. „Man sollte keine Handschuhe tragen, wenn keine Kontamination der Hände zu erwarten ist“, erklärt die Umweltmedizinerin. Das sei z. B. der Fall bei Untersuchungen mit Berührung intakter Haut bei Blutdruck-, Temperatur- und Pulsmessung. Auch beim Aus- und Ankleiden von Patientinnen und Patienten sowie bei deren Transport seien keine Handschuhe notwendig, genausowenig wie beim Benutzen von Computertastaturen, Telefonen, Türen sowie Essenstabletts.
Unkritischer Einsatz von Handschuhen steigt
„Am Uniklinikum Freiburg beobachten wir seit Jahren, dass der unkritische und viel zu häufige Einsatz von Einweghandschuhen steigt“, so die Oberärztin Dr. Sybille Barkhausen. Unabhängig von Tätigkeit und Symptomen der Patientinnen und Patienten würden immer öfter Handschuhe vom medizinischen Personal angezogen.
Auch an der Charité – Universitätsmedizin Berlin beobachtet man den Anstieg des Verbrauchs von Handschuhen. Maxi Schneider, Projektmanagerin Nachhaltigkeitsmanagement: „Die Charité produziert jährlich 280.000 Tonnen CO2-Emissionen. Einen nicht unwesentlichen Teil der Emissionen machen die Einweghandschuhe aus.“ 2024 hat die Klinik 46 Mio. Handschuhe verbraucht. Seit 2019 hat sich der Verbrauch um das 2,6-Fache gesteigert. Gleichzeitig beobachte man eine rückläufige Tendenz bei der Verwendung von Desinfektionsmitteln.
Ohne Handschuhe gibt’s einfach mehr Kontakt
Weniger Handschuhtragen bedeutet auch mehr direkten Haut-zu-Haut-Kontakt mit Patientinnen und Patienten, was die empathische Wahrnehmung deutlich verstärkt. Für die berührten Personen mache es einen großen Unterschied, ob sie einen Plastikhandschuh oder Hautkontakt verspüren.
Doch auch wenn Händedesinfektion häufig ausreichend ist – es gibt auch Indikationen, in denen man Handschuhe tragen sollte. Das ist immer der Fall, wenn eine Kontamination der Hände zu erwarten oder nicht auszuschließen ist, so Dr. Barkhausen. So schützen Handschuhe im Umgang mit Chemikalien, vor Sensibilisierung gegenüber Allergenen und vor direkten Hautschäden. Auch beim Kontakt mit Schleimhäuten, Körpersekreten, Ausscheidungen sowie nicht intakter Haut seien Handschuhe dringend einzusetzen.
Die Kampagne Klimeg wurde auf der Grundlage von Studien und Positionspapieren von Fachgremien wie der Kommission für Krankenhaushygiene vorbereitet. Auch diverse Kliniken, wie die Charité Berlin oder das Luisenhospital Aachen, haben Expertise sowie Einblicke in ihre Verbrauchszahlen geliefert.
„Ursprünglich wurde die Kampagne vom Fall der Britin Helen Dunn inspiriert. Die Pflegeberaterin hatte 2019 am Great Ormond Street Hospital in London eine Kampagne zur Aufklärung über die Nutzung von Einweghandschuhen gestartet“, erläutert Maurizio Bär, Arzt und Klimamanager bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit. Das Ergebnis: 21 Tonnen Einweghandschuhe wurden binnen eines Jahres reduziert sowie über 100.000 Euro eingespart. Durch den geringeren Handschuhgebrauch wurden auch weniger Ekzeme bei den Mitarbeitenden festgestellt.
Kampagneneinstieg wird möglichst leicht gemacht
Interessierte Einrichtungen können sich auf der Webseite von Klimeg für die Kampagne anmelden. In den ersten Monaten steht dann der Kampagnenträger im engen Kontakt mit der Gesundheitseinrichtung und sammelt dort Daten zum Handschuhverbrauch. Die Daten sollen helfen, den Umgang damit zu analysieren.
Außerdem werden die Einrichtungen bei ihrer Aufklärungsarbeit unterstützt: Entsprechende Poster führen die Kontaktanlässe mit oder ohne Handschuhempfehlung vor Augen, eine PowerPoint-Präsentation bietet einen ausführlichen Praxisleitfaden mit Schritt-für-Schritt-Anleitung. „Damit können die Mitarbeitenden fortgebildet werden“, erklärt der Klimamanager. Dazu gibt es Social-Media-Vorlagen und Sharepics mit Textvorschlägen für die Social-Media-Accounts der Gesundheitseinrichtung. Der Eintritt in die Kampagne kann übrigens jederzeit erfolgen, die Mindestlaufzeit beträgt zwei Jahre.