Anzeige

Hinweisgeberschutzgesetz Whistleblower vor Schikane geschützt

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Der Schutz von Whistleblowern wurde in Deutschland vergleichsweise spät nachgeschärft. Der Schutz von Whistleblowern wurde in Deutschland vergleichsweise spät nachgeschärft. © freshidea – stock.adobe.com
Anzeige

Oft trauen Beschäftigte sich nicht, Fehlverhalten, das sie beobachten, zu melden. Zu groß ist die Angst vor Benachteiligung. Um das zu ändern, sind bald weitere Betriebe verpflichtet, Meldestellen einzurichten.

Manche Missstände in Unternehmen bleiben unsichtbar, wenn sie nicht von innen heraus angesprochen werden: Die Diskriminierung eines Kollegen, offener Tratsch über Umstände, die eigentlich der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, vertuschte Behandlungsfehler, Falschabrechnungen. Doch wer sich gegen solche Vorgänge zu Wort meldet, macht sich unbeliebt, Repressalien des Arbeitgebers drohen. Und wer will schon Missstände benennen, wenn dafür die unangenehmsten Dienste zugeteilt werden, der Arbeitsvertrag nicht entfristet wird oder die nächste Gehaltserhöhung ausfällt? 

Um Whistleblower vor Schikane durch ihren Betrieb zu schützen und die Meldung von Verstößen zu erleichtern, ist seit Juli das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe, Meldestellen einzurichten und sieht außerdem eine Beweislastumkehr vor: Wird ein Whistleblower benachteiligt, gilt zunächst die Vermutung, dass es sich um eine Repressalie handelt. Der Arbeitgeber muss das Gegenteil beweisen.

Auch der Gang zu externen Meldestellen ist möglich

Ab dem 17. Dezember müssen auch bei mittelgroßen Betrieben ab 50 Beschäftigten Meldestellen vorhanden sein – das betrifft einige MVZ und Kliniken. Das heißt aber nicht, dass das Gesetz für kleine Praxen nicht gilt, betont Prof. Dr. Dr. Alexander Ehlers, Arzt und Anwalt für Medizinrecht in München. Zwar muss es dort keine interne Meldestelle geben, die Beschäftigten können sich aber an externe Stellen wenden, etwa -beim Bundesamt für Justiz (s. Link). „Für die Arztpraxis gilt wie für jedes große Unternehmen die Verpflichtung, die Meldung nicht zu behindern und auch keine Repressalien gegen Hinweisgeber zu ergreifen. Andernfalls könnte sie sich schadensersatzpflichtig machen.“

Bei den Meldestellen können Gesetzesverstöße, aber auch Ordnungswidrigkeiten angesprochen werden, wenn diese die Gesundheit oder das Leben gefährden oder die Rechte der Beschäftigten verletzen. Auch Verstöße gegen Rechtsvorschriften von Bund und Ländern sowie der EU sind im Gesetzestext benannt. So etwas wie eine „Bagatellgrenze“ gibt es dabei erst mal nicht, stellt Prof. Ehlers klar. „Meldefähig ist zunächst einmal alles, was einen Verstoß im Sinne des § 2 HinSchG darstellt. Es kommt nicht darauf an, ob die Tat in einem Strafverfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen wäre.“

Darf man mit Verstößen an die Medien gehen?

Das Offenlegen von möglichen Verstößen gegenüber der Öffentlichkeit, beispielsweise durch den Kontakt zu Medien, ist laut Prof. Ehlers nur in wenigen Ausnahmefällen zulässig. Letztlich sei es nur möglich, wenn entweder eine externe Meldung keine Wirkung zeigte oder hinreichender Grund zur Annahme bestand, dass eine solche keine Auswirkungen haben würde. Ansonsten bestehe kein Schutz durch das HinSchG und es bleibe bei der alten Rechtslage, d.h. dem alten „six factor test“. Dabei wird eine Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und -gebers durchgeführt. Geprüft werden folgende Faktoren:

  • öffentliches Interesse an den Informationen,

  • Authentizität der Informationen,

  • Möglichkeiten, die Missstände zunächst Vorgesetzten oder anderen zuständigen Stellen zu melden,

  • Schäden für den Arbeitgeber,

  • Motive des Whistleblowers,

  • Schwere und Konsequenzen der verhängten Sanktion.

Je nach Fall komme eine Bagatellgrenze jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zum Tragen, erklärt der Experte. Denn die weitere Sanktionierung eines Fehlverhaltens erfolge nach Straf- oder Ordnungswidrigkeitsvorschriften. Und dort existieren teilweise Regelungen, die bei kleineren Verstößen eine Bestrafung oder eine Geldbuße ausschließen. „Dies ändert aber nichts daran, dass der Betrieb es zunächst hinnehmen muss, dass ein Fehlverhalten gemeldet wird, was vor dem Hintergrund eines Imageschadens in der Öffentlichkeit häufig belastender als eine Geldbuße ist.“

Hinweisgebern steht Info über Folgemaßnahmen zu

Die Personen, die die Meldestelle besetzen, sollen laut Gesetz regelmäßig geschult werden und dürfen keine Interessenskonflikte haben. Geht ein Hinweis ein, müssen sie diesen entgegennehmen, dem Whistleblower innerhalb von sieben Tagen den Eingang bestätigen, die Stichhaltigkeit der Meldung prüfen, Folgemaßnahmen einleiten und den Whistleblower innerhalb von drei Monaten über die gegangenen Schritte informieren. 

Wie genau die Folgemaßnahmen aussehen, hängt davon ab, ob es sich um eine interne oder externe Meldung handelt, so Prof. Ehlers. Bei beiden Verfahrensarten könne die hinweisgebende Person an zuständige Stellen verwiesen werden, das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder anderen Gründen abgeschlossen werden oder das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen an andere Behörden abgegeben werden. „Ein bedeutender Unterschied liegt aber in der Sachverhaltsermittlung. Dort sind externe Meldestellen beschränkt, sie können lediglich Auskünfte verlangen. Die internen Meldestellen haben zusätzlich die Möglichkeit, Untersuchungen durchzuführen und dafür betroffene Personen und Arbeitseinheiten zu kontaktieren. Somit ist ein internes Verfahren nicht nur effektiver, sondern es bietet auch die Möglichkeit, etwaige Compliance-Verstöße ohne die Mitwirkung von Behörden aufzuklären.“

Die Meldung der Verstöße muss sowohl mündlich als auch schriftlich als auch persönlich möglich sein. Die Identität des Whistleblowers ist dabei vertraulich zu handhaben. Sie darf nur vor Personen offengelegt werden, die den Hinweis entgegennehmen, Folgemaßnahmen ergreifen oder bei diesen Aufgaben unterstützen. 

Nicht geschützt ist allerdings, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig ­unrichtige Informationen zu Verstößen meldet. In diesem Fall drohen sowohl arbeits- als auch strafrechtliche Konsequenzen sowie die Zahlung von Schadensersatz, erklärt Prof. Ehlers. Durch den Wegfall des Identitätsschutzes erfahre die gemeldete Person bzw. der Arbeitgeber in der Regel von der Falschmeldung. „Ein solches Verhalten dürfte in vielen Fällen eine Kündigung rechtfertigen.“ 

Darüber hinaus dürften bei Falschmeldungen häufig auch Verstöße gegen allgemeine strafrechtliche Vorschriften vorliegen, gibt der Anwalt zu bedenken. Zum Beispiel gegen § 145d StGB (Vortäuschen einer Straftat), § 164 (falsche Verdächtigung) oder § 187 (Verleumdung). Außerdem könne die meldende Person bei einer Falschmeldung zum Schadensersatz verpflichtet werden (§ 38 HinSchG).

In Deutschland wurde der Schutz von Whistleblowern vergleichsweise spät nachgeschärft. Bereits 2019 trat die EU-Whistleblower-Richtlinie in Kraft, bis 2021 sollten die Mitgliedsstaaten sie in nationales Recht überführen. Weil dies in Deutschland nicht geschah, leitete die EU im Februar 2023 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Im Mai verabschiedete der Bundestag dann das Hinweisgeberschutzgesetz. 

Quelle: Medical-Tribune-Bericht 

Anzeige