
Praxiskolumne Wir „erledigen“ unsere Patientinnen und Patienten

Dabei wird vieles nicht mit abgebildet. Kann es auch nicht. Denn es ist gar nicht möglich, eine so individuelle Sache wie den genauen Bedarf an Maßnahmen und Zeit für die Gesundheit einer einzelnen Person mit all ihren biografischen und biologischen Besonderheiten zu kalkulieren.
Ja, irgendwann hat dieses Honorarsystem mal funktioniert. Als es noch genug Puffer gab und weniger Bürokratie. Aber jetzt?
Jetzt ist es doch „nur ein Klick“, um mal eben zu versenden, zu dokumentieren, zu öffnen! Doch dann ist der Weg zu dem Klick viel länger als gedacht und es addieren sich die Klicks über den Tag immer weiter – und schon ist die Zeit wieder rum. Nein, das ist keine Kolumne über die Digitalisierung (die leider häufig aufgrund von TI und ePA-Zusammenbrüchen auch eher bremst, als zu helfen). Es geht mir um einen Teil der ärztlichen Tätigkeit, der stattfinden muss, aber nirgendwo auch nur annähernd dem Aufwand entsprechend vergütet wird: die Kommunikation – vor allem die zwischen Ärzt:innen, aber auch die zwischen Patient:innen und ihren Therapeut:innen.
Vor Kurzem war ich als Begleitperson im Krankenhaus. Meine Kommunikation ist in solchen Fällen immer so exakt wie möglich, schließlich weiß ich, wie fatal fehlende Information sein kann. Was ich erlebte, war ein Stationsalltag, der von Personalknappheit und dem daraus resultierenden Zeitmangel bestimmt war. Die wichtigsten anamnestischen Fakten und Befunde wurden nicht weitergegeben. Bei einer Patientin wusste man etwa nichts von der zuvor mehrfach erwähnten Koagulopathie, bei einer anderen, die von Intensiv gekommen war, war eindeutig nicht übergeben worden, dass sie nicht mal eben aufgesetzt werden durfte. Bekannt war, dass die Heparinspritze bereits gegeben war – aber halt der anderen Patientin.
Alles Dinge, die immer mal vorkommen. Aber sie traten gehäuft auf, waren gefährlich und sie beruhten aus meiner Sicht ausschließlich auf insuffizienter Kommunikation.
Kommunikation hat ohne Zeitaufwand neben allem anderen zu geschehen. So ist ja auch im Krankenhaus keine Schicht eingeplant, die die Übergabezeit abdeckt. Also versorgen während der Stationsübergaben nur FSJler die Patient:innen. Das geht meistens gut – aber nicht immer. Ein anderes System wäre aber natürlich teurer, denn es würde Zeit kosten.
Genauso, wie es Fachärzt:innen und Klinikärzt:innen Zeit kostet, Arztbriefe direkt zu schreiben und zu versenden. Daher stehen Patient:innen immer wieder komplett ohne Entlassbrief in unserer Praxis. Dank der propagierten ePA denken sie, dass wir den Befund bzw. die Briefe der Fachärzt:innen oder aus dem Krankenhaus doch sicher vorliegen haben. In der Akte. Falsch gedacht.
Aber auch jene Briefe, die bei uns ankommen, haben in letzter Zeit für schmunzelnde Verzweiflungszustände gesorgt. So wurde einer Patientin der Therapievorschlag einer „10 Aktivität 1mg 1 x wöchentlich“ sowie „Intelligenzminderung human“ gemacht. Oder es wurde „Renate ret.“ verordnet. Auch schön, wenn 15 „Hoden“ später der Blutdruck normalisiert war. Das sind häufig mit digitaler Hilfe entstandene Briefe. In der Hoffnung, Zeit zu sparen. Die nämlich nicht vorgesehen ist.
Genauso wenig, wie es vorgesehen ist, dass man mit Kolleg:innen in Klinik oder Praxis mal eben telefoniert. Also dass man direkten Kontakt aufnimmt, um Informationen weiterzugeben. Das stört nämlich den Ablauf. Denn der ist eng getaktet.
Wenn wir Fehler vermeiden wollen, müssen wir unbedingt an der Kommunikation arbeiten. Kommunikation kostet aber Zeit. Die sollten wir uns nehmen können. Um das zu können, muss sie aber erst mal gesehen, eingeplant und honoriert werden. Sie darf nicht weiter „für umsonst“ erfolgen. Und spätestens dann muss das Motto sein: Weniger interpretieren! Klarer und direkter kommunizieren!