Kommentar „Zivil-militärisch“ aus ärztlicher Sicht

Aus der Redaktion Autor: Anouschka Wasner

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Kommt es zu einem militärischen Ernstfall in Europa, muss Deutschland nicht selbst angegriffen werden, um in seinen innersten Funktionen betroffen zu sein. 

Allein aufgrund seiner geografischen Lage würde das Land zur logistischen Drehscheibe. Auch die Versorgung ziviler und militärischer Verletzter würde in den deutschen Strukturen aufschlagen. Bis zu 1.000 mehrfach Verwundete täglich, Schwerstverletzte und Flüchtlingsströme aus den betroffenen Ländern würden alles von einem System verlangen, das gleichzeitig die Versorgung der Bevölkerung zu stemmen hat. Dabei kämpft man hier sowieso schon mit einer teils dysfunktionalen Krankenhauslandschaft, einem bald alles begrenzenden Fachkräftemangel und einer alternden Gesellschaft.

Die Überlebensfähigkeit der staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen dann sicherzustellen, sei eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, hieß es auf dem Zivil-Militärischen Symposium Oranienstein 3.0 zur ambulanten medizinischen Versorgung in Krise, Spannungsfall und Krieg (s. Seite 35). Das gehe mit dezentralen Entitäten, die im Schadensfall Verantwortung füreinander übernehmen.

Einer sektorenübergreifenden Versorgung wird dabei große Bedeutung zugesprochen. Sie hätte grundsätzlich die Eigenschaften, Überbelastung abzufangen. Die ambulante Versorgung ist dabei aber nicht nur ein Sektor, der Last abnehmen kann. Sie ist in sich ein System, das aufgrund seiner Dezentralität resilienter ist. Im Ahrtal hat man die Erfahrung gemacht, wie effektiv es ist, Arztpraxen logistisch zu unterstützen, damit sie nach oder sogar in einer Katastrophe arbeiten können.

Nicht nur die KBV drängt in diesem Zusammenhang auf eine Gesetzgebung, die im Ernstfall die Leute wissen lässt, was zu tun ist. Das klingt logisch und richtig und die Politik hinkt hier ganz offensichtlich den Notwendigkeiten hinterher. Allerdings gehört zu dieser Weichenstellung auch die Diskussion, inwieweit eine Eingliederung des Zivilen in die militärische Sicherheitsarchitektur erfolgt. Und wie weit sie gehen soll. Und was das für die ärztliche Autonomie bedeutet.

Anouschka Wasner
Redakteurin Gesundheitspolitik